Mittwoch, 29. April 2009

Predigt zur Konfirmation an Misericordias Domini, 26. April 2009

Liebe Konfirmandinnen, liebe Gemeinde,

welche Wege gehen wir? Und welche Wege werdet ihr einmal gehen? Wenn in früheren Zeiten Konfirmation gefeiert wurde, so war es der krönende Abschluss der Schulzeit. Nach Ostern begann dann für die meisten der Weg in die Lehre, mancher ging fort von zu Hause, um zu lernen, zu arbeiten, kurzum auf eigenen Beinen durch das Leben zu gehen. Heute ist die Schulzeit länger, ihr habt noch Zeit, um euch vorzubereiten und zu wachsen, in eurem Wissen, in eurer Entwicklung, in der geborgenen Welt eures Elternhauses. Das ist gut so. Und doch ist dies heute euer Tag und er markiert den Beginn eines Neuen. Ihr werdet bald, euch immer weniger als Kind, sondern als Jugendliche auf dem Weg fühlen. Ihr tut es zumeist schon jetzt, wenn manche Dinge, die euch früher Spaß gemacht haben, heute eher peinlich sind. Welche Wege werdet ihr gehen? Wir als Gemeinde, zu der ihr ab dem heutigen Tag ganz eigenständig gehört, und wir als Angehörige und Familie von euch, beten und hoffen, dass ihr die richtigen Wege findet, die richtigen Entscheidungen für euch trefft. Was wir mit auf den Weg geben, ist Gottes Wort, aus dem Munde Jesu. Jesus hat einmal gesagt: „Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind es, die auf ihm hineingehen. Wie eng aber ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind es, die ihn finden. Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“ (Mt 7, 13-16a)

Liebe Gemeinde, liebe Konfirmanden, es macht einen Unterschied, ob ich mit 170 Sachen über eine dreispurige Autobahn im Leben fahre oder ob ich einen holprigen Feldweg fahre mit vielen Kurven, Schlaglöchern und schlechter Oberfläche. Auf den ersten Blick würden wir sicher die Autobahn vorziehen, denn wir kommen schnell von A nach B und müssen nicht um unsere Stoßdämpfer fürchten. Doch, was Jesu Bild sagen will, ist: So glatt, schnell und einfach ist das Leben nicht. Der einfache und bequeme Weg, er wird uns von den Wölfen im Schafspelz als Heil vor Augen geführt. 10 Kilo weniger in 30 Tagen, todsichere Aktienpakete, die das schnelle Geld versprechen, ewige Schönheit und Jugend, grenzenlose Mobilität und wenn etwas vor den Baum geht, schuld sind immer die anderen. Denn unsere Straße ist breit und hell. Wenn es eben immer so einfach wäre. Der Weg, der zum wahren Leben führt sieht anders aus. Da wird es manche Rückschläge geben, manche Abzweigung kommen, an denen wir uns entscheiden müssen, wie es weiter geht. Da gibt es dunkle Wegstrecken, wo wir das Licht einschalten müssen. Und letztlich werden wir älter, dann ist das schnelle Leben vorbei, und wir werden zurückschauen müssen und uns fragen, was war das jetzt nun mit meinem Leben. Was ist Bleibendes entstanden? Wenn ich auf der Autobahn fahre, rauscht alles an mir vorbei. Fahre ich den Schotterweg, so bleibt manche Erinnerung zurück. Eine Aufgabe im Leben, an der ich mir fast die Zähne ausgebissen hätte. Die Liebe, die ich gegeben habe, sie kommt vielfältig zu mir zurück.

Liebe Konfirmanden, ich will euch keine Angst machen. Aber es gehört zur Reife und dem Erwachsenwerden dazu, das Leben zu nehmen wie es ist. Und es ist gut, wenn man es sich nicht so einfach macht, wie die Werbung und die bunten Vorabendserien es uns vorgaukeln. Zum Erwachsenwerden gehört auch die Verantwortung. Denn es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung. Freiheit, die sich einfach nur nimmt, was sie braucht, zerstört den Anderen. Und zerstört letztlich sich selbst. Computer, Drogen, Gewalt, Alkohol, Verzweiflung, Selbstzweifel – Teufelskreise, vor denen niemand gefeit ist. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt. Wenige sind es, die ihn finden. Wenn ihr nun größer werdet, so fragt ihr auch danach, ob der Weg, den euch eure Eltern vorleben, der richtige ist. Auch das ist gut so und gehört zum Erwachsenwerden. Ihr habt schon jetzt ein gutes und gesundes Gespür dafür, dass das, was alle machen, nicht immer das Richtige sein muss. Der breite Weg ist es eben nicht, der zur Seligkeit führt. Wovon Jesus freilich auch redet, ist unser Weg mit Gott. Auch mit ihm kann man es sich nicht so einfach machen. Auch für ihn muss man sich immer wieder entscheiden, sich auf die Suche nach ihm machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es uns gerne leicht machen mit allem – auch mit Gott. Das mag eine Zeitlang gut gehen, ganz unbelastet eine scheinbare Freiheit zu genießen. Doch ist eine Welt ohne Gott, sind Menschen, deren Herz und Weltbild leer bleibt, eine große Gefahr für andere und für sich selbst. Ich denke, viele Probleme, die wir in unserer Welt haben, sind darauf zurückzuführen, dass wir uns selbst und nicht Gott zum Maßstab aller Dinge haben. Vieles liegt daran, dass wir nicht mutig genug angehen und anpacken, was uns stört, wo andere ungerecht behandelt werden. Weil wir eben lieber auf der Autobahn fahren, als die Steine aus dem Weg zu räumen, die auf dem Weg des Lebens liegen. So ist meine Botschaft, so ist Gottes Botschaft heute für euch dies: Macht es euch nicht zu einfach. Überlegt genau, welche Wege ihr geht und hütet euch vor der Lüge, die sich als Verheißung tarnt, hütet euch vor den Wölfen im Schafspelz. Davon gibt es viele. Geht euren Weg im Leben mit Bedacht, weicht nicht zurück, wenn es mal schwer vorangeht, tragt Verantwortung für euch und die Menschen, denen ihr begegnet. Seid wachsam und letztlich in allem getragen von Gott. Glaube und Vertrauen auf Gott scheinen wenig up to date zu sein. Vielleicht vergleicht ihr euch mit anderen, die nicht an Gott glauben und denkt, so ginge es auch. Doch denkt daran, der leichtere Weg ist nicht der bessere. Euer Glauben wird euch letztlich helfen können. Gott kann euer Airbag sein auf der steinigen Straße, das Licht der Scheinwerfer auf den dunklen Wegstrecken, das Hinweisschild bei einer Weggabelung und schließlich der Kraftstoff für eure Fahrt. So schließ sich der Kreis zu den Bibelversen, die ihr euch für euren Weg gewählt habt. „Die auf Gott vertrauen, kriegen immer wieder neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass laufen und nicht müde werden, dass sie gehen und nicht zusammen brechen.“ Und schließlich: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Wir sind da und gehen unsere Straße, und Gott ist da und geht in allem mit. Diese Erfahrung wünschen wir euch, diesen Segen wünschen wir euch. Etwas Größeres und Schöneres kann man nicht geben. Amen.

Predigt Lätare, 22. März 2009

Liebe Gemeinde,

das heutige Wort aus dem Evangelium hat es in sich: Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren. Und wer sein Leben hasst, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Was, liebe Gemeinde, soll daran erbaulich sein? Hören wir nicht viel lieber davon, was das Leben besser und lebenswert macht? Müssen wir erst in die Abgründe der Melancholie hinab, um dem Glück und der Seligkeit näher zu kommen? Wer sein Leben hasst, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Was soll das für ein trauriges Leben sein, dass wir es auch noch erhalten sollen zum ewigen Leben?

Wie so oft, stoßen Jesu barsche Worte uns vor den Kopf. Doch wird alles etwas verständlicher, wenn wir bedenken, in welchem Bewusstsein, in welcher Situation Jesus diese Worte sagt. Einige Griechen kommen zu einem Jesusjünger namens Philippus und bitten ihn: sie wollen Jesus sehen. Sie wollen ihm begegnen, ihn kennen lernen. Es ist dies der Vorspann der letzten Tage Jesu, der letzten Stunden in diesem seinen Leben unter den Menschen, in dieser Welt. Jesus selbst nimmt das Ansinnen der Griechen zum Anlass für ein schweres Wort: „Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.“ Die Bitte der Männer und Frauen aus Europa versteht Jesus als Zeichen, dass die Zeit erfüllt ist. Die Völker der Welt begehren, ihn kennen zu lernen. Zeit also für ihn, den Sinn des Kommenden aufzudecken, den letzten Weg zu deuten, der so klar und schrecklich vor ihm liegt – seine Passion, sein Kreuz, sein ohnmächtiger und schuldloser Tod. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Wohl kaum einer seiner Weggefährten hat zu diesem Zeitpunkt eine Ahnung, was er damit meint. Erst mit Ostern und der späteren Gabe des Geistes, der gewaltigen Explosion christlicher Mission und Erweckung in den kommenden Jahrzehnten, wird deutlich, warum Jesus diese Worte sagte. Sein Leiden und sein Tod gehen über alles, was die Menschen schon von ihm wussten, hinaus. Gott offenbart sich in der größten Tiefe, im Gegenteil dessen, was wir erwartet hätten. Der Gottessohn muss sterben, damit er Frucht bringe. Denn erst in der Überwindung des Todes und des Leidens, und darin unserer Angst und Weltbesessenheit, liegt die eigentliche Erlösung der Menschen.

Es mag sein, dass genau dieses Geheimnis, welches wir in der Passionszeit und besonders zu Karfreitag bedenken, schwer begreiflich ist. Es wirft unsere Wünsche nach Glück und Segen für dieses Leben zunächst über den Haufen. Segen und Erlösung liegen gerade im Gegenteil verborgen – nicht in Gesundheit und Erfolg, sondern im Zeichen des Kreuzes, dem schrecklichsten der damals bekannten Hinrichtungsarten. Das Weizenkorn muss sterben, damit es Frucht bringt. Es ist ein eindrückliches Bild, das Jesus für seinen Weg nimmt. Vergehen und Neuwerden liegen eng zusammen. In eindrücklicher Weise haben die frühen Christen dieses Geheimnis der verborgenen Offenbarung Gottes im Gegenteil erfasst und daraus die feste Gewissheit geschöpft, dass Jesus sie selbst durch sein Blut teuer erkauft hat. Sie sind die Frucht, die sein Tod geboren hat, vielfältig, aus allen Völkern der Erde gewonnen zum ewigen Leben. Das, liebe Gemeinde, ist schwere Kost. Und weil wir in unserer Zeit uns schwer tun, mit komplizierten Dingen und gerne an der Oberfläche kratzen, statt die Tiefe und die Abgründe zu sehen, ist die Botschaft von der erlösenden Kraft des Kreuzes Jesu vielen ein Ärgernis.

Das war übrigens damals schon so. Bist du Gottes Sohn, so steig vom Kreuz herab, versuchen ihn seine Mörder. Anderen hast du geholfen und kannst dir selbst nicht helfen. Das Bild der Schwäche und Ohnmacht passt nicht in unsere Köpfe, in unsere Vorstellung vom Göttlichen, das so viel größer sein soll als wir selbst. Größer ist es in jedem Fall. Doch ist es eben auch ganz anders. Wenn wir ein schönes Auto fahren, so meinen wir, Gottes Sohn müsste noch einen draufsetzen. Wenn wir das Glück haben, ein langes Leben in Gesundheit und Wohlstand zu haben, dann müsste doch göttliches Leben ein Mehr davon sein. Doch alles, was wir von Gott wissen können, dürfen wir uns in Jesus anschauen. In ihm begegnen wir dem Gegenteil und er macht damit eines deutlich: Da gibt es noch viel mehr, als das, was ihr glaubt, was wichtig ist. Wer sein Leben liebt, wird es verlieren. Das schaut von diesem Blickwinkel ganz anders aus. Wer nichts anderes kennt, als dass der Magen und der Benzintank voll sind, wer nur an seinen eigenen Hintern denkt, wird nicht weit kommen. Denn das alles, was unseren materiellen Gewinn ausmacht, ist vergänglich, hinfällig. Zuletzt können wir nichts mitnehmen.

Ich denke, liebe Gemeinde, gerade in diesen Tagen hat eben dies besondere Klarheit für unsere Herzen. Die Finanzkrise und ihre bis heute noch nicht absehbaren Folgen für uns alle zeigen deutlich die Grenzen unserer menschlichen Gier und Vorstellung vom Leben. Die vernichtende Kraft der Raffgier und einer falschen Vorstellung vom ewigen Wachstum hat sich in aller Deutlichkeit gezeigt. Auch ein Herr Zumwinkel wird durch seine Millionen nicht das ewige Leben kaufen können. Unsere Konten und Sparbücher werden wir nicht mitnehmen können. Denn: Es gibt anderes und wichtigeres in unserem Leben und das ist das Leben, das im Einklang mit Gott steht.

Das schreit nach Veränderung, nach Umkehr, nach einem Ablegen alter Zöpfe und Gewohnheiten. Wer kennt es nicht, das Gefühl, hier und da in meinem Leben geht etwas schief. Oft ist es doch so, dass unsere Bequemlichkeit, eben auch die Sicherheit und die Fülle unseres Kontos und Magens, den notwendigen Veränderungen im Wege stehen. Jesus ruft zur Nachfolge. Das kann vieles für uns bedeuten. In jedem Falle ist es ein steter Ruf, heraus zu finden aus der Lebensgier, die uns auffrisst. Jüngst las ich ein erdachtes Interview mit Gott, in welchem er auf die Frage antwortet: Was wundert dich am meisten über den Menschen? Da sagt er unter anderem: Mich wundert, dass der Mensch sich abarbeitet, einen Job hat, der ihn krank macht, um soviel Geld zu verdienen, damit er sich wieder Gesundheit erkaufen kann. Das, liebe Gemeinde, ist eines von vielen möglichen Beispielen, wo wir gegen Wände laufen, wo wir in die Irre gehen in unserer Sucht, unserer Suche nach Leben. Erinnern wir uns, wie es anders ginge. Erinnern wir uns, wie Jesus Menschen aus ihren Gewohnheiten riss, die sie krank machten. Zachäus, der Steuereinnehmer. Er war raffgierig, suchte seinen Profit. Das Ergebnis, er war vielleicht vermögend, doch auf welche Kosten? Freunde, Liebe, Zuneigung? Fehlanzeige. Jesus ruft ihn, Zachäus schmeißt alles hin, folgt ihm nach und wird tatsächlich glücklich. Er gibt vierfach zurück, was er den Leuten aus der Tasche gezogen hat. Er gibt es aber nicht unwillig, sondern entdeckt gerade darin wieder Sinn für sein Leben. Ein neuer Anfang, ganz unbelastet von der Gier, von der Angst um das Geschaffene. Er wird wieder frei, denn es gibt mehr und wichtigeres als Geld. So wird seine Begegnung mit Jesus zum Anfang seines wirklichen, eines wirklich freien Lebens. Da ist es egal, wann uns dieser Ruf zur Freiheit ereilt. Er ist immer aktuell, denn die Zeit ist immer erfüllt. Die Zeit zur Umkehr ist immer jetzt. Denn wir sind immer unvollkommen und unfrei.

Was aber, ist nun das Freudige dieses Sonntages, der mit seinem lateinischen Namen „Freuet euch!“ heißt? Es ist der Vorausblick Jesu auf das ewige Leben, auf den Gewinn, der uns durch seinen Tod geschenkt wird. Das Weizenkorn muss ersterben, damit neues Leben daraus hervorgeht. Das mag ungerecht klingen, doch ist es für uns die Freude, dass wir gerettet werden, wenn wir Jesus folgen. Es gibt mehr und größeres als dieses Leben. Das heißt nicht, dass wir dieses Leben tatsächlich hassen sollen, doch heißt es, dass dieses Leben unvollständig ist und in eine falsche Richtung gehen kann. Es ist ein Leben, in dem wir nie ganz frei sind – immer auch Gefangene von auferlegten Strukturen, Gesetzen, Gefangene unserer eigenen Bedürfnisse und Selbstsüchte, Gefangene unseres Konsums und Schuld, unserer Angst und unserem Schmerz. Das soll dann schon alles gewesen sein? Nein, der, der unser Kreuz auf sich nahm, tat dies, damit wir frei werden zum wahren Leben. Schon jetzt – hier mitten in der Welt umkehren, unsere Schritte und Werte stets aus dem Blickwinkel Gottes neu bedenken, es verheißt uns aber auch ein Leben darüber hinaus – die Vollendung und Erfüllung bei Gott. Jesus hat den Tod besiegt. Darauf dürfen wir heute schon blicken, denn es ist geschehen – für alle Zeit. Wenn das kein Grund zur Freude ist. Wo ich bin, da soll mein Diener sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren, spricht Jesus. Gott wird uns dienlich sein, wir werden erhöht werden, so wie wir Gott die Ehre geben, werden wir selbst geehrt und vollendet werden. Freuet euch über das Kreuz. Freut euch des Geheimnisses dieser Offenbarung, die uns durch das nackte Gegenteil unserer Wünsche gerade die Ewigkeit und den Himmel eröffnet. Vertraut den neuen Wegen. Ich bete für unsere Gemeinden und wir wollen darin einstimmen, dass Gott uns seinen Geist schenken möge immer wieder, damit wir uns befreien lassen durch das Kreuz, neue Wege gehen und endlich das gelingende Leben suchen, das uns frei werden lässt. Dazu helfe uns der ewige Gott. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Predigt Quasimodogeniti 19. April 2009 - Der ungläubige Thomas

Liebe Gemeinde,

wo kämen wir hin, wenn wir alles glauben würden, was uns jemand sagt? Wenn ich Ihnen jetzt erzählen würde, ich hätte ein rosafarbenes Wildschwein auf dem Kirchendach gesehen, als ich hierher fuhr, was wäre dann? Würden Sie mir glauben? Oder würden Sie nicht viel eher sagen: Der spinnt aber heute unser Pfarrer. Das glaube ich erst, wenn ich es selbst gesehen habe, das rosafarbene Wildschwein auf dem Kirchendach. Wenn nun neun andere ebenso das rosafarbene Wildschwein gesehen hätten, und Sie selbst nicht. Selbst dann würde die Sache trotzdem ähnlich sein. Der Zweifel daran, ob es so etwas wie rosafarbene Wildschweine tatsächlich gibt und ob sie noch dazu in der Lage wären, auf Dächer zu klettern, der Zweifel daran würde bleiben, bis eine eigene Erfahrung an die Stelle des Zweifels tritt.

Nun, liebe Gemeinde, ich habe kein Wildschwein auf dem Dach gesehen, auch kein rosafarbenes, doch zeigt uns dieses Beispiel, wie wir uns in die Geschichte des ungläubigen Thomas hineinfühlen können, die wir eben im Evangelium gehört haben. Seine Freunde erzählen, dass ihnen Jesus begegnet ist, der doch vor einer Woche am Kreuz starb. Einmütig erzählen sie und berichten Thomas davon. Doch er war nicht dabei. Ist das denn glaubhaft? Der Meister und Freund, den er begleitet hatte, der ihn rief in ein neues Leben für Gottes Reich, war tot. Er hatte es selbst gesehen – von weitem, er war dabei. Was wollten die anderen ihm da erzählen. Hatte die unendliche Trauer um Jesus, die auch er in seinem Herzen spürte, die anderen wahnsinnig werden lassen? Es ist ein berechtigter Zweifel in ihm. Er sagt: Wenn ich ihn nicht selbst sehe, dann glaube ich euch nicht. Vielmehr noch: Er fordert eine ganzheitliche Erfahrung: Er will Jesus nicht nur sehen, sondern ihn auch anfassen. Erst dann möge sein Zweifel schwinden und sich in Glauben kehren.

Liebe Gemeinde, wir haben hier ein Grundproblem bei uns Menschen. Wir halten für wahr, was wir sehen, was unserer eigenen Erfahrung entspricht. Diese Weise, die Welt zu sehen, mag manch sonderbare Blüte tragen. Denn wir schauen auch weg, weil wir bestimmte Dinge nicht sehen wollen. Die Alkoholsucht eines Nachbarn, die Schläge und Gewalt in einer benachbarten Familie, die Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, die Armut in der Welt. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Das ist eine Seite. Unsere Blickrichtung bestimmt unsere Haltung zur Welt. So sagen viele unserer Zeitgenossen: weil ich Gott nicht gesehen habe, weil mir der Auferstandene selbst noch nicht sichtbar und fühlbar begegnet ist, gäbe es die ganze Glaubenssache gar nicht. Das wiederum ist vielleicht verständlich und manchmal würden wir uns selbst solche Begegnungen mit dem Heiligen wünschen, die uns gewiss und fest machen in unserem Glauben, in unserer Hoffnung. Doch wissen wir, wir leben nicht im Schauen sondern im Glauben. Und wir wissen und haben hoffentlich erfahren können, dass Gott uns ganz anders als anfassbar und sichtbar begegnet. Vielleicht in einer unerwarteten Hilfe in Bedrängung und Not, vielleicht in der Liebe eines anderen, vielleicht durch eine glückliche Wendung des Lebensweges. Ich könnte viele solcher Erfahrungen nennen, doch bleibt es auch an uns, diese Begegnungen zu deuten als heimliche Spuren Gottes in unserem Leben.

Zurück zu Thomas. Jesus gibt nach. Er erfüllt den Wunsch des Thomas nach Gewissheit, nach der persönlichen Erfahrung. Er tritt unter die Jünger und gibt sich durch den Friedensgruß zu erkennen. Er fordert Thomas auf, die Nägelmale zu berühren, ihm in die Seite zu fassen, ihn und seine Gegenwart mit eigenen Augen und Händen zu spüren. Die Geschichte beschreibt nicht, ob Thomas tatsächlich von diesem Angebot Gebrauch macht. Es folgt das Glaubensbekenntnis des Thomas, in wenigen Worten auf den Punkt gebracht: Mein Herr und mein Gott! Zugleich könnten wir Jesu folgende Worte als eine Schelte für Thomas hören: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du! Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Liebe Gemeinde, Gott mutet uns da einiges zu. Das aber ist unsere Situation. Wir sehen nicht und glauben doch. Unser Glaube ist darum nie statisch und fest. Es gibt wohl viele Grade der Gewissheit – auch und gerade unter Christen, auch und gerade in der Gemeinde, die Jesu Namen trägt. Wie viel Zweifel erträgt eine Gemeinschaft? Ich denke, das Besondere dieser Erzählung ist nicht nur die Verheißung der Seligkeit an uns, die wir nicht sehen und doch glauben wollen, sondern die Tatsache, dass der Zweifel unter uns als Gemeinde getragen und ausgehalten wird. So wie die Jünger dem Thomas Zeugnis gaben über ihre Erfahrung und Hoffnung, so wollen auch wir uns untereinander bestärken in der Hoffnung, die uns trägt.

Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist die Auferstehung ebenso unwahrscheinlich wie ein rosafarbenes Wildschwein auf dem Kirchendach. Doch, liebe Gemeinde, im Glauben geht es nicht um Wahrscheinlichkeit, sondern um das, was uns trägt, was uns Kraft gibt zu Leben. Es geht um Hoffnung. Unsere Hoffnung ist immer unsichtbar, selbst wenn die Hoffnung nur ein größerer Gehaltsscheck ist oder etwas anderes banales. Was wissen wir schon von der Welt, wenn es uns nicht einmal gelingt, die gröbsten Probleme in unserer Gesellschaft zu beheben oder erst einmal zu sehen. Was, liebe Gemeinde, weiß schon ein Baum vom Leben der Tiere? Was weiß das Tier über das menschliche Leben? Was wissen wir von Gott und dem Leben, das über unseres hinausgeht? Das neue Sein, das Gott verheißt ist unsichtbar für unsere Augen, ebenso wie Gott selbst. Wie könnten wir seinem Anblick auch standhalten? In der Bibel sagt Gott oft: Wer mich sieht, der vergeht.

Der Zweifel des einen, ermöglicht den Glaubenden eine zweite Begegnung. Das, liebe Gemeinde, ist ein schönes Bild, das wir auf unsere Gemeinden übertragen könnten. Der Zweifel gehört zum Glauben hinzu. Erst wo ich Fragen stelle, kann ich auf eine Antwort warten und diese aufnehmen. Wo alles klar ist, da ist am Ende keine Antwort nötig. Doch sind wir alle Fragende und Suchende. Gott will, dass wir nach ihm fragen, dass wir ihn suchen. Wenn wir dies von Herzen tun, so will Gott sich finden lassen. Das, liebe Gemeinde, ist das Erstaunliche, dass Gott sich tatsächlich finden lässt, wenn wir ihn suchen. So kann der Zweifel uns erst die Tür öffnen für den Glauben. So kann – wenn wir uns gewiss fühlen – der Zweifel eines anderen, uns einladen, selbst wieder auf die Suche zu gehen. So kann uns das zu einer neuen, einer zweiten Begegnung mit Gott führen. Weil Thomas zweifelt, begegnet Jesus den anderen Jüngern ein zweites Mal.

Gottes Liebe ist stärker als jeder Tod. Gottes Antwort auf unsere Fragen ist Jesus Christus – nicht mehr und nicht weniger. Wir können nicht erwarten, dass der Inhalt unseres Glaubens beweisbar wäre, dann wäre es kein Gegenstand des Glaubens. Wir können aber Erfahrungen machen mit diesem Glauben. Wir sehen dann wahrscheinlich keine rosa Wildschweine, wir fassen damit nicht dem Auferstandenen selbst an seinen Händen. Unsere Erfahrungen könnten aber so aussehen: wir können Trost und Kraft schöpfen aus der Zusage, dass Gott uns liebt, wir könnten in Jesu Auferweckung erkennen, was uns heimlich bewegt, nämlich, dass es mehr gibt als wir sehen, wir könnten aus den Weisungen, die Gott uns offenbart hat, ein Leben führen, das nicht in die Irre führt, sondern auf der geraden und rechten Straße bleibt. Allein darin kann Leben gelingen und zum Glück schon hier und jetzt führen. Das alles sind Erfahrungen mit dem Glauben. Das alles ist möglich, auch wenn wir noch nicht sehen, was uns erwartet. Auch wenn wir nicht Zeugen der Auferstehung waren. Das Unsichtbare möge uns nicht schrecken, denn alles, was Hoffnung ausmacht, bleibt unsichtbar. So sind wir vielleicht wie Bäume, die keine Augen haben, um das nächst höhere Leben zu sehen. Wir erfahren es an unseren Wurzeln, an unserer Rinde, in unseren Zweigen und Blättern, aber sehen können wir es nicht. Möge die Erfahrung unseres Lebens und Glaubens wachsen, mögen wir seine Spuren auch bei uns entdecken, mögen wir uns immer wieder neu auf die Suche nach dem höheren Leben machen, mögen wir auch im Zweifel der Welt uns neu besinnen darauf, was der Grund unserer Hoffnung ist: der lebendige und liebende Gott, der den Tod bezwingt und das Leben will. Durch Jesus Christus, unseren Heiland und Herrn, der tot war und lebendig ist zu aller Zeit in Ewigkeit. Amen.

Samstag, 14. März 2009

Predigt zu Septuagesimä 2009 (8. Februar)

Liebe Gemeinde,

erst jüngst hat wieder die Bahn gestreikt. Die Mitarbeiter forderten mehr Lohn, eine Anpassung an eine teurer werdende Gesellschaft – Energie, Benzin, Lebensmittel. Unser eigener Gerechtigkeitssinn sagt ganz selbstverständlich: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Doch wie viele haben eigentlich die Lobby und damit die Möglichkeit mehr zu fordern und wie ungleich ist das Gefälle zwischen verschiedenen Berufsgruppen? Wenn die Züge nicht fahren, gibt es ein Riesen-Tam-Tam, würden die Zeitarbeiter und Tagelöhner unserer Zeit streiken, wen kümmert´s? Sie sind ersetzbar in den Augen der Wirtschaft und damit leider auch in unseren Augen manchmal.

Besonders in Thüringen haben wir ja die niedrigsten Löhne in ganz Deutschland. Kein Wunder, warum jedes Jahr ca. 50.000 junge Leute unsere Heimat verlassen, um einige Kilometer weiter, fast das Doppelte für die gleiche Arbeit zu bekommen. Wir merken das ja ganz konkret in unserem Umfeld und es gibt wohl kaum eine Familie, die von dieser Völkerwanderung wegen des Geldes nicht betroffen wäre. Wen ich heute konfirmiere, der ist in 2, 3 Jahren weg von hier.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, würden wir diesen Satz auf das Gleichnis Jesu anwenden wollen, das wir eben im Evangelium gehört haben, würden sich uns wahrscheinlich die Nackenhaare hochstellen. Das geht doch gar nicht: Der, der einen vollen Arbeitstag hatte, bekommt den gleichen Lohn wie derjenige, der nur 3 Stunden gearbeitet hat. Mal ganz abgesehen davon – dass man im Vergleich ähnliches weltweit beobachten kann, - wäre dies aber Zustand in einer konkreten Firmenniederlassung vor Ort, da wäre ziemlich viel Sprengstoff und Frust auf der Tagesordnung. Es handelt sich ja um den gleichen Arbeitsplatz, den gleichen Weinberg, die gleiche Arbeit. Jesus provoziert; und ich bin mir sicher, diese Geschichte muss unseren Widerspruch herausfordern.

Was aber will er damit sagen? Wir müssen uns immer vor Augen führen, dass Jesus in seinen Gleichnissen von Gottes Welt spricht, nicht von unserer Welt und unseren Maßstäben. Seine manchmal überraschenden Gleichnisse machen deutlich, wie anders Gottes Welt gegenüber unserer ist. Wie anders als unser Empfinden von Gerechtigkeit und Wert des Menschen die umfassende Liebe Gottes ist, die auch denen gibt, die weniger arbeiten, scheinbar weniger arbeiten.

Oft hat man in der Geschichte der Auslegung dieses Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg gemeint, Jesus würde einen Ausblick auf die Menschheitsgeschichte damit wagen. Diejenigen, die den ganzen Tag gearbeitet haben, sind die Generationen vor Jesus, die Gerechten der Menschheit seit Adam. Und je später die Menschen auch zu Gott, zum Weinberg kommen, sie erhalten alle den gleichen Lohn – das Heil, die Seligkeit. Schon unser seliger Kirchenvater Luther hatte damit Bauchschmerzen. Er sagte einmal in einer Predigt über solche Auslegung: solche Gespinste kann man spinnen, wenn man sonst keinen Stoff zur Predigt hat. Die ganze Heilsgeschichte seit Adam aufrollen. Tröstlich ist das eben noch nicht.

Und eine gute Nachricht, ein Evangelium soll doch unser Leben, unser Herz betreffen und dort gut sein. Luther hat dann weiter ausgeführt, die Pointe dieses Gleichnisses liegt darin, dass wir Menschen vor Gott alle gleich sind und gleich beurteilt werden – unabhängig unseres Standes, unabhängig von unserer Macht und Leistungskraft. Das ist, liebe Gemeinde, auch für mich die frohe Botschaft. Wir Menschen sind in Gottes Augen gleich wertvoll. Und die Betonung liegt auf „vor Gott“ bzw. in Gottes Augen. In unserer Welt bleiben wir ungleich. Freilich werden wir darunter leiden und damit leben müssen, dass Menschen ungleich sind – das lässt sich in unserer Welt gar nicht anders regeln. Denn wir kommen schon ganz unterschiedlich zur Welt, mit unterschiedlichen Begabungen, Interessen und Chancen. Wie oft hören wir auch in unserer Gesellschaft, welche weit reichenden, das ganze Leben bestimmenden Auswirkungen allein schon die Herkunft und das Elternhaus eines Menschen hat. Da ist mancher Weg schon vorbestimmt, in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zumindest. Und das in einem der gerechtesten und reichsten Länder der Welt.

Wir sind nicht alle gleich und eigentlich ist das so auch gar nicht gewollt und auch gar nicht möglich. Schließlich sind wir alle etwas Einzigartiges und Besonderes – unverwechselbar. Und stellen Sie sich vor, alle 6 Milliarden Menschen würden einen dicken BMW fahren mit 12 Liter Spritverbrauch – wir wären wohl schon längst erstickt, mal abgesehen davon, wer die 6 Milliarden BMWs hätte bauen wollen. Oder stellen wir uns vor, es gäbe 6 Milliarden Rechtsanwälte, wofür? Welches Geld, dessen Gegenwert erstmal produziert werden müsste, sollte der Streitpunkt sein? Und wer spricht eigentlich Recht, wenn es nur Anwälte und keine Richter gäbe? Das sind Spekulationen, liebe Gemeinde, und wir sehen daran, dass es auch Sinn macht, dass wir in diesem Leben, in unserer Welt ungleich sind. Das heißt nicht, dass wir uns mit jeder Ungerechtigkeit dieser Welt und jedem Missbrauch von Geld und Macht abfinden sollten. Darum geht es auch Jesus nicht, der gestritten hat für die Armen und Ausgestoßenen.

Jesus möchte, dass wir verstehen: Was und wer wir auch immer sind in dieser Welt – wir sind nicht schlechter oder besser dran als irgendein anderer. Gott liebt uns alle gleichermaßen und wird aufwiegen, was fehlt. Und doch steckt in Jesu Gleichnis noch etwas für unsere Welt, ein kleiner sozialer Sprengstoff – der Silbergroschen, der jedem am Ende des Tages in die Hand gedrückt wird, dieser Groschen war eben jenes Maß, das man zum Leben eines Tages benötigte. Das Existenzminimum würden wir heute sagen. Entspricht es nicht auch der Würde des Menschen, das Nötigste für den Tag zu haben – auch wenn er keine Arbeit hat? Darin sind wir in Deutschland sehr fortschrittlich, ein Ergebnis unserer christlichen Prägung. Mit dem sozialen Netz wird gewährleistet, dass jeder soviel hat, wie er braucht zum Leben – ein dach über dem Kopf und etwas zu essen und anzuziehen. Klar kann man davon keinen BMW fahren, klar kann man davon nicht in Südsee fliegen. Und eben das ist es doch, dass viele auf die Palme bringt. Würden wir solches soziales Netz in der ganzen Welt haben, wäre dann nicht ein Stück Himmelreich schon auf der Erde? Wie viele Milliarden Menschen haben nicht das, was notwendig ist für einen Tag, um menschenwürdig zu leben. Wir müssen uns also, liebe Gemeinde, nicht mit jeder Ungleichheit abfinden. Jesu Wort, sein Gleichnis vom Weinberg ruft uns zur Solidarität und Großzügigkeit auf. Es ruft uns dazu auf, auch mal ein Auge zu zu drücken, wenn es uns ärgert, dass einer durchkommt, obwohl er gar nicht arbeiten will, dass er – wie es so schön heißt – in der sozialen Hängematte hängt. Liebe Gemeinde, ich bin mir sicher, die Zeiten werden rauer, was Sozialneid und Armut in unserem Land angeht. Und damit wird auch unser Umgang in der Gesellschaft rauher. Da ist es wichtig, dass wir uns Gottes große Barmherzigkeit vor Augen halten, welches wir im Gleichnis hören. Gott möchte, dass jeder bekommt, was er zur Menschenwürde bedarf. Nicht weil Gott unsere Leistung nicht schätzt, sondern weil er alle gleichermaßen liebt. Das kann und mag Trost sein, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen. Das sollte vor allem ein ewiger Stachel sein in dieser Welt, den wir anmahnen und einfordern müssen, gerade dann, wenn in der Krise sich jeder selbst der Nächste ist. Amen.

Samstag, 31. Januar 2009

Predigt Letzter Sonntag nach Epiphanias / 1. Februar 2009 - Mt 17, 1-9

Liebe Gemeinde,
auf einem Berg zu stehen ist schön. Zwar haben wir im Thüringer Wald nicht allzu hohe Berge, doch auch das Gefühl auf dem Inselberg zu stehen, kann überwältigend sein, vorausgesetzt das Wetter ist gut und die Sicht ins Land. Berge spielen in den Religionen der Menschheit stets eine wichtige Rolle. So war eben auch der Inselberg in vorchristlicher Zeit ein heiliger Ort, wie auch der Alteberg, auf dem der „Alte“, also Wotan, auf dem Berg vermutet wurde. Schauen wir auf unsere ureigene christlich-jüdische Tradition, so kommt uns mancher Berg in den Sinn. Der Berg Sinai zum Beispiel, auf dem Mose die Grundregeln der Freiheit erhielt. Auf eben diesem Berg offenbarte sich Gott auch seinem Propheten Elia. Nicht im Sturm oder im Feuerblitz war er, sondern in dem leisen Säuseln des Windes. Jesus hielt seine bedeutenste Predigt auf einem Berg, die Bergpredigt und wurde gefangen auf dem Ölberg bei Jerusalem, gekreuzigt auf dem Berg Golgatha.
Berge haben etwas besonderes, Anziehendes für uns Menschen. Der Blick ändert sich, wenn über einem der Himmel sich weitet und unten die Landschaften uns zu Füßen liegen. Manche Sorge vielleicht, die uns bedrückt, mag von da oben anders sich dartun. Vom Inselberg z.B. sieht man ja auch unsere Dörfer hier an der Hörsel. Wie klein und weit weg wird dann mancher Ärger und manche Not, die wir mit diesen Orten einmal haben, ebenso klein und eingebettet in ein größeres Ganzes, das wir Welt oder Schöpfung nennen.
Liebe Gemeinde, auch wir werden heute gedanklich auf einen Berg geführt. Im Evangelium haben wir die Geschichte von Jesu Verklärung gehört. Auch sie spielt auf einem Berg, auf einem Gipfel und dies nicht nur im wörtlichen Sinn, sondern diese sonderbare und zunächst geheimnisvolle Begebenheit ist etwas wie ein kleiner Gipfel im Leben Jesu, aber besonders im Leben der Jünger und damit aller, die Jesus als ihren Herrn bekennen.
Nur noch einmal kurz die Beschreibung der Situation. Jesus nimmt seine drei engsten Vertrauten, Petrus, Jakobus und Johannes mit auf einen Berg. Welcher Berg dies sei, erscheint dem Evangelisten Matthäus belanglos, auch wenn vieles darauf hinweist, dass es der Berg Tabor in Galiläa war. Doch die Kennzeichnung des Ortes als Berg weist uns darauf hin, dass es eben ein besonderer Ort war – abgeschieden von der geschäftigen Welt. (Es gibt wohl kaum Verkehrswege die über Berggipfel führen.) An eben diesem Ort geschieht etwas Sonderbares. Jesus wird verklärt. Das gibt der Phantasie viel Raum zur Ausschmückung. Seine Kleider wurden hell wie das Licht, und sein Antlitz strahlte wie die Sonne. Mose und Elia, die beiden größten Gestalten der jüdischen Religion treten herzu, erscheinen.
Im griechischen Original heißt der Begriff, den Luther mit Verklärung übersetzte, Metamorphose. Dieses Wort kennen wir alle aus der Biologie z.B. Eine Raupe hängt an einem Blatt, kroch zuvor im Dreck, bildet eine seltsame Puppe, der Kokon, wie ein Sarg, um schließlich neu zu erstehen in völlig anderer Gestalt. Ein Schmetterling, farbig und leicht, fliegt und wiegt sich im Wind. Nicht umsonst ist dieses eindrucksvolle Schauspiel der Natur zu einem Symbol für die Auferstehung geworden. Jesus erfährt vor den Augen der Jünger eine Metamorphose, was wir deutsch eher als Verwandlung übersetzen würden. Wer weiß, ob es für andere sichtbar war oder nur für die glaubenden Herzen der Jünger. Jedoch hat es einen Stellenwert für die erste Christengemeinde in der Art gehabt, dass sie es weiter erzählten und aufschrieben, so wie Jesus es ihnen geboten hatte, erst davon jemandem zu sagen, wenn er durch seinen Sühnetod hindurch zum ewigen Vater zurück gekehrt sei.
Die drei überwältigten Jünger sehen den Lichtglanz – mit anderen Worten: ihr Herr und Meister stellt sich ihnen neu dar, er erscheint in anderem Licht, wie eben so manches gerade auf einem Berg in anderem Licht erscheinen kann. Es ist ein spiritueller Durchbruch könnte man sagen oder eine Vision. Ein Moment des Gipfels, ein Moment der Klarheit und Fülle, wie es sie selten in unserem Leben gibt. Doch kennen wir sie alle, wenn wir nur genau hinschauen – die seltenen Momente der klaren Erkenntnis, der Verwandlung. Nach einer schweren Krankheit wieder vollständig zu genesen, nach einem zähen und sinnlosen Streit die befreiende Versöhnung, nach schweren Tagen des Kummers und der Trauer, dann der erste Tag, an dem wir die Welt wieder mit klaren Blicken anschauen können, wie neu geboren; oder wenn wir etwas nach langer Suche finden, die Lösung zu einem Problem. Solche Momente tragen Verwandlung in sich, lassen uns wie verwandelt sein. Solche Momente sind wichtig für uns und geben uns Kraft, Gewissheit und Lebenssinn. Ganz ähnlich ist es mit religiösen Erfahrungen und Erlebnissen. Wenn Gott zu unseren Herzen spricht und wir ihn hören mit unserem Gefühl. Das passiert nicht jeden Sonntag, sondern vielleicht in Situationen, wenn wir gar nicht damit rechnen.
Ganz elementar und überwältigend war die Verklärung oder Verwandlung Jesu für die Jünger. Es war so, dass sie den Anblick nicht ertragen konnten, ihre Gesichter verdeckten und erst wieder aus ihrer Furcht entkamen, als Jesus sich ihnen zuwendete und sie berührte mit dem Satz auf den Lippen: Fürchtet euch nicht. Dies, liebe Gemeinde, ist – wie ich finde – wohl einer der eindrücklichsten Sätze der Bibel und wir hören und lesen ihn an vielen Stellen: Fürchtet euch nicht! Fürchte dich nicht!
Und es ist dieser Jesus, der auch uns berührt, der auf Menschen ohne Vorbehalte zugeht, der heilt, was krank und ausgestoßen ist, der Gemeinschaft stiftet, der mitlebt und mitleidet und darin uns Gottes Liebe vor Augen malt.
Und damit kommen wir zum eigentlichen Kern dessen, was uns diese Verklärungs- bzw. Verwandlungsgeschichte mitgeben will. Es ist dies – und hier müssen wir uns auf die Seite der Jünger schlagen, um den Lernprozess nach zu fühlen. Wir können die Momente des Gipfels, die hohen Momente nicht festhalten. Jesus reagiert gar nicht auf das Ansinnen des Petrus. Herr, hier ist ein guter Ort, Lass uns hier drei Hütten bauen. Das heißt doch: Wir können uns in den großen Momenten des Lebens nicht einrichten, wie in einem Haus. Sie sind wichtig und möglicherweise gar lebensnotwendig, sie erst lassen uns das Heilige erst erahnen. Doch unser Alltag sieht anders aus. Und gerade in diese Tiefen steigt Gott hinab. Auch dort ist er mit uns. Und was noch entscheidender ist – im Alltag wird der Glaube, wird das einmalige Erleben des Geheimnisses Gottes auf die Probe gestellt.
Jesus steigt vom Berg der Verklärung hinab, geht wieder in das alltägliche Geschäft hinein, begegnet der Welt und ihren Menschen, stößt mit seiner Liebe auf Widerstand und zerbricht an den Sünden dieser Welt, unseren Sünden. Er leidet und stirbt um neu zu erstehen. Und so ist die Verklärung Jesu, ein kurzer Augenblick nur, ein Vorgeschmack auf Ostern, vielleicht gar auch ein Weg, Ostern zu verstehen – der Augenblick der Vollendung, den wir festhalten wollen, der doch aber erst in Gottes Ewigkeit tatsächlich bestehen bleibt.
Das Entscheidende ist also der Gegensatz, dass der Verklärte und Erhöhte zunächst seinen Weg in die Niedrigkeit gehen muss, dass Gott selbst sich hineingibt in menschliches Erleben, in unsere Nöte und Sorgen, in unseren Schmerz, letztlich gar in unseren Tod hinein. Denn erst dort wird Gottes Liebe ganz und gar verstehbar, dort erst erreicht Jesu Weg sein Ziel. Vielleicht auch darum, damit wir alle diesen Moment vor Augen haben können, besser als der geheimnisvolle Lichtglanz ist das Kreuz. Das Kreuz, die Stunde seines, unseres Erlösers, Todes. Das ist ein Bild, das bleibt, weil wir es kennen. Weil wir wissen, was Tod bedeutet.
Ein Bild der Verklärung – wenngleich viele Maler es versucht haben, nachzuempfinden, wird immer nur eine Annäherung sein an etwas, das wir weder mit Worten noch mit Farben ausdrücken können, denn diese Momente bleiben ein Geheimnis, Gott selbst bleibt ein Geheimnis. Das ist ja allen Epiphanien, Gottesbegegnungen, von denen Menschen berichten, von denen wir in der Bibel lesen, gemeinsam. Gott selbst ist niemals sichtbar – nur in Zeichen, Hinweisen und Medien – im brennenden Dornenbusch, im säuselnden Wind, in Engeln und am handgreiflichsten in dem Menschen Jesus. Selig, wer die Zeichen zu deuten weiß.
Jesus steigt herab aus der Verklärung, er kommt vom Berg hinab. Die königliche Epiphaniaszeit geht zu Ende und die Vorfastenzeit beginnt, Jesu Weg in die Passion. Hier liegt die eigentliche Botschaft der Verklärung. Freilich wünschen wir uns den strahlenden Siegesgott, der unsere Anbetung ganz automatisch erzwingt. Freilich wünschen wir uns Gewissheit. Doch begegnen wir Gott viel konkreter in unserem Alltag, begegnen ihm in Jesus, der in vielem uns so nahe, so ganz und gar menschlich ist. Denn dort im Alltag ist er auch, der unsere Schmerzen und Ängste kennt, der uns berühren und trösten will, der auch unsere Freude und unser Glück teilt und trägt. Gott wohnt nicht nur auf einem heiligen Berg, er ist mitten unter uns durch Jesus, sein lebendiges Wort.
Liebe Gemeinde, ich wünsche uns Erfahrungen der besonderen Art, die dem Verklärungserlebnis gleich kommen. Doch können wir sie weder erzwingen, noch festhalten. Das Entscheidende ist die Zuwendung Gottes zu uns, sein Herabkommen in unsere kleine Welt. Dies nicht nur zu wissen, sondern es auch zu spüren, das gebe Gott jedem von uns. Denn das macht uns tatsächlich frei und lebendig, wenn wir es zulassen. Amen.

Predigt 3.Sonntag nach Epiphanias / 25. Januar 2009 - Mt 8, 5-13

Liebe Gemeinde,
ich möchte heute eine Frage in den Raum stellen, die es in sich hat: Was trauen wir Gott eigentlich noch zu? Trauen wir uns noch, ihn um etwas zu bitten oder ist es uns peinlich zu beten, weil wir insgeheim daran zweifeln erhört zu werden? Wem trauen wir überhaupt noch etwas zu? Autoritäten haben es schwer in dieser Zeit. Das sehen wir am Vertrauensverlust auf der ganzen Linie – wir misstrauen den Parteien und Politikern, den Wirtschaftsbossen, den Lehrern und Ärzten, ja letztlich gar den Pfarrern. Vertrauensverlust auf der ganzen Linie. Wem trauen wir noch etwas zu? Wem geben wir unser Vertrauen?
Eben haben wir das Evangelium vom Hauptmann aus Kapernaum gehört. Der hat Vertrauen, ein Vertrauen, bei dem uns, bei dem sogar Jesus ganz schwindlig geworden ist. Dieser römische Offizier kommt zu Jesus und bittet ihn für seinen kranken Knecht. Es ist eine höchst merkwürdige Begebenheit – der Besatzer, der Heide, der Profi von Befehl und Gehorsam, der Spezialist in Sachen Krieg kommt zum jüdischen Zimmermann und Prediger mit einer Bitte. Er setzt sein Vertrauen in diesen Mann, von dem er wohl schon viel gehört hat. Er traut ihm zu, dass er ihm helfe.
Jesus reagiert verunsichert. Seine Antwort ist eher eine Frage: Und ich soll kommen und deinen Knecht gesund machen? Der Offizier entgegnet: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund! Und diese Ehrerbietung, diese Demut des mächtigen Mannes, wundert Jesus – so steht es geschrieben. Es wundert ihn. Und so wird der Glaube dieses Mannes, seine Unterwerfung, seine Demut, das eigentliche Wunder dieser Geschichte. Die Heilung ist Nebensache – sie wird nur beiläufig erwähnt: Zur selben Stunde wurde sein Knecht gesund. Der Hauptmann wird wohl erst zuhause erfahren haben, ob Jesu Wort Wirklichkeit wurde. Er verzichtet auf einen Beweis. Er glaubt, obwohl er nicht sieht. So sagt es Jesus mit Blick auf alle kommenden Generationen, als der ungläubige Thomas in seine – des Auferstandenen – Wunden fasst: Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.
So wird, liebe Gemeinde, dieser Soldat ein Vorbild des Glaubens. Glauben und Vertrauen ist eine schwere Sache. Es liegt für mich einiges aktuelles in dieser Geschichte. Bedenken wir, welch große Hürde für diesen Hauptmann der Weg zu Jesus und seine Bitte war. Er vertraut sich an, dem fremden Prediger. Er vertraut sich der Macht eines Gottes an, den er nicht kennt. Wieviel Hürden und Grenzen musste er wohl überwinden, um zu Jesus zu kommen, den Schritt auf ihn zu zu wagen? Seine Herkunft aus einer anderen Kultur, seine Standesdünkel als Besatzer und Befehlshaber der Juden, seine eigene Religion vielleicht, sein System von Befehl und Gehorsam, seine Scham. Was hier so leicht klingt, da kam einer und bat Jesus, das ist alles andere als leicht.
Und so sind wir wieder bei der eigentlichen Frage an uns alle: Was und wem trauen wir eigentlich? Ist es für uns selbstverständlich, zu Jesus zu gehen und ihn um etwas zu bitten – im Bewusstsein, dass nur er uns helfen kann? Wir tun uns schwer mit dem Vertrauen. Vielleicht auch deshalb, weil Vertrauen oft enttäuscht wurde. Todsichere Aktienpakete, die am Ende nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie stehen. Autoritäten und Staatsmänner, die das Volk in den Endsieg oder die klassenlose Gesellschaft führen wollten. Politiker, die vor der Wahl versprechen und hinterher sagen: Was interessiert mich mein Gerede von gestern?
Hier ist es verständlich, dass wir gelernt haben, misstrauisch zu sein. Dass wir hoffentlich nicht mehr so leicht verführbar sind und jeder Verheißung zu folgen. Und dennoch brauchen wir Vertrauen – zu denen, die uns nah sind, wir brauchen Menschen, auf deren Wort wir zählen können und wir brauchen vor allen Dingen Vertrauen auf Gott. Ein solches Vertrauen, wie der römische Militär Jesus entgegen bringt. Solches Vertrauen, solche bedingungslose Hingabe, gibt es nur dem gegenüber, der selbst ohne Bedingung ist, dem ewigen Gott, der höchsten denkbaren Autorität. Doch ist dies keine Macht, die uns enttäuscht. Es ist auch keine Autorität, die ihre Macht missbraucht oder uns tyrannisiert. Denn sie ist uns zugewandt und heilsam, wenn wir ihr vertrauen. Es ist die umfassende Liebe.
Der römische Hauptmann – ein Vorbild des Glaubens. Und doch müssen wir eine Einschränkung machen. Es heißt nicht, wenn wir Gott um etwas bitten, und es nicht geschieht, dass dann unser Glaube zu klein, zu ängstlich oder zu schwach ist. Es wäre fatal, wenn dies die Botschaft ist, die wir mitnehmen aus dieser Geschichte. Jeder Glaube ist ein Wunder. Das Kreuz des Glaubens ist es aber, dass nicht unser Wille geschehe, sondern dass Gottes Wille geschehe. Mit dem Vertrauen auf Gott können wir nicht jede Krankheit heilen, doch aber lernen, mit der Krankheit besser zu leben. Wir können nicht die geliebten Menschen erwecken, die der Tod uns nahm. Doch können wir Hoffnung erfahren, dass wir uns wieder sehen und können den Tod annehmen und mit ihm leben. Jesus sagt nicht zum Hauptmann: Dir geschehe, wie du willst! Sondern: Dir geschehe, wie du geglaubt hast! Du hast bedingungslos vertraut, dass Gott dir helfen wird, dass ich es bin, der dir und deinem Knecht helfen kann, so soll es geschehen.
Es lehrt uns also auch noch ein zweites, dieses Glaubensvorbild des Hauptmanns. Jeder kann zu Gott, kann zu Jesus finden. Er braucht keine Vorbildung, kein Wissen aus der Bibel, er braucht nur den Glauben, er braucht Vertrauen in den, der mächtiger ist als die größte Armee der Welt, den König der Könige, in dem allein das Heil liegt. So wird Jesu Begegnung mit dem Römer zugleich zur Verheißung für die vielen vielen Völker, die später von Jesus hören werden und ihn im Glauben als den Herrn erkennen und bekennen – die aus dem Osten und aus dem Westen kommen, um in Gottes Reich am Tisch zu sitzen. Der Hauptmann ist der erste Heide, der Jesus vertraut. Und dies eben ganz ohne Vorbehalt. Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund! Martin Luther hat diesen Mann einen Theologen genannt, einen, der von Gott redet. Dafür brauchte er nicht jahrelanges Studieren, sondern sein Vertrauen in Gott ist die eine große Wahrheit, die Gott uns abverlangt und sucht. Der Hauptmann redet von Gott und wir können uns fragen lassen, ob wir ebenso von Gott und mit Gott reden: Herr, ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sprich nur ein Wort, so wird mein Leben heil. Darin, liebe Gemeinde, liegt die ganze Theologie. Gott ist Herr. Ich bin voller Schuld. Doch ich vertraue Gott. So macht er mich heil.
Und so schließt sich der Bogen und wirft ein Blick auf das Heilige Mahl, dass uns sichtbar und unsichtbar zugleich mit Jesus verbindet. Zu ihm können wir gehen, ihm können wir vertrauen. Ich weiß, das ist schwer – jemandem vertrauen, vielleicht jemandem, dem wir nichts zutrauen, weil wir enttäuscht sind. Doch wünsche ich uns, dass wir in unserem Herzen zu ihm manchmal sagen lernen: Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele heil, so wird mein Leben gelingen. Denn dein ewiger Wille geschehe. Und nur du, Herr Jesus, kannst mir helfen. Trauen wir dem Wort, das Gott zu uns spricht, dem lebendigen Wort, welches Jesus genannt wird. Amen.

Predigt Epiphanias (6. Januar) 2009 - Mt 2, 1-12

Liebe Gemeinde!
In einem Märchen steckt meist mehr Wahrheit, als in jedem Zeitungsartikel, den wir lesen. Eine tiefere Wahrheit, die uns in unserem innersten Wesen trifft. Eine Wahrheit, die oft so einfach und ursprünglich daherkommt, dass wir sie nicht sehen wollen. Eine dieser Wahrheiten ist die Hoffnung, die in Märchen geweckt wird. Die Hoffnung, dass alles “gut” wird, dass alles im Leben seinen Sinn und seine Zeit hat, dass jeder am Ende seinen gerechten Lohn empfängt. Bei einem Märchen liegt die Wahrheit also nicht darin, dass die Geschichte so oder ähnlich stattgefunden hat. Ein Märchen spricht für sich.
Auch wir haben in der heutigen Lesung des Evangeliums in gewisser Weise ein Märchen gehört: die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Sie kamen um das neugeborene Jesuskind zu besuchen, anzubeten und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe zu schenken. Die meisten von Ihnen kennen die Geschichte, zumeist in ausgeschmückter Form. Da sind es die drei heiligen Könige Kaspar, Melchior und Balthasar. Das erinnert an die drei Königssöhne oder die drei Brüder, die in so vielen Märchen ihr Vaterhaus verlassen, um Aufgaben zu erfüllen, damit schließlich einer von ihnen die Königstochter und ein halbes Königreich gewinnt. Die Phantasie der christlichen Völker wußte noch mehr von den drei heiligen Königen in unserer Geschichte zu berichten. Den ersten von ihnen stellten sie sich bärtig vor, den anderen eher jugendlich, der letzte schließlich war von dunkler Gestalt. Auch der Stern, dem die Könige folgten, wird weiter getragen in der Tradition der Adventssterne. In der Vorweihnachtszeit erstrahlen sie in vielen Fenstern und Zimmern. Sie symbolisieren die freudige Erwartung des bevorstehenden Festes. Sie bringen Licht ins Dunkel unserer Winterabende.
Die Geschichte ist also bekannt und doch eigentlich nicht. Denn bei dem Evangelisten Matthäus, der als erster diese Geschichte aufschrieb, gibt es keine drei Könige, es gibt nur eine unbestimmte Menge von weisen Männern, die aus einem Nirgendwo im Osten kamen und in ein Nirgendwo wieder verschwinden. Aber solche Unterschiede müssen uns nicht interessieren. Wenn Matthäus das wichtig gewesen wäre, hätte er sich mehr bemüht, uns, den Lesern und Hörern, Namen, Herkunft, Aussehen der Weisen näher zu bringen. Ich sagte, In einem Märchen steckt meist mehr Wahrheit als in jedem Zeitungsartikel. Fragen wir also nach der Wahrheit, nach dem tieferen Sinn dieser Geschichte. Halten wir inne und versuchen der tieferen Wahrheit, die uns betrifft, nachzufühlen. Die Geschichte von den Weisen, die zu Jesus aus dem Nirgendwo kommen, ist unsere Geschichte.
Sehnsucht steht am Anfang jeder religiösen, jeder inneren Geschichte. Eine Geschichte erzählt von Veränderungen. Am Anfang ist immer alles dunkel und kompliziert. Da herrscht meist eine Situation, die hoffnungslos erscheint, aus der das Märchen herausführen will. Eine Situation, die nach Erlösung schreit. Hänsel und Gretel werden allein im Wald zurückgelassen. Goldmarie wird trotz ihres Fleißes von ihrer Schwiegermutter geplagt usw. Welche Sehnsucht steht nun am Anfang der Wanderung der weisen Männer aus dem Morgenland? Es ist doch wohl die Sehnsucht nach Erlösung, die Erwartung, dass das, wovon der Stern ihnen zeugt, entscheidende Bedeutung für ihr Leben und das Leben aller Menschen gewinnen wird. Warum rede ich von Sehnsucht, warum von Veränderung? Vielleicht hilft ein Gedanke, den der Bühnenautor Ionesco einmal äußerte: “Im Kreise gehen die Menschen, im Käfig ihres Planeten, weil sie vergessen haben, dass man zum Himmel aufblicken kann.”
Dieser Gedanke kann uns vielleicht aufschließen, worum es bei den Weisen aus dem Morgenland geht: Erlösung, inneres Freiwerden, der Beginn eines Neuen. Die Weisen aus dem Morgenland waren auf der Suche nach Erlösung. Es ist eine Sehnsucht nach etwas, das man verloren hat, nach etwas, das das Leben trägt, das nicht zerbricht an den Ecken und Kanten unseres Lebens. Eine Sehnsucht nach etwas, das uns über unsere enge und oft finstere Welt hinausweist auf eine Bestimmung, die alles in neuem Licht erstrahlen lässt. Nicht von Ungefähr lässt Matthäus hier weise Männer, Magier, aus fernen Ländern auftreten. Er will damit deutlich machen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit und an jedem Ort der Erlösung bedarf und auf der Suche nach ihr ist. Gottes neue Wirklichkeit, die sich Geltung verschaffen will in der Welt, gilt allen. Es bedarf keiner besonderen Begabung, keiner speziellen Herkunft, keines Vorwissens. Selbst am äußersten Ende der Welt sind die Menschen auf der Suche. Sie laufen im Kreis, im “Käfig ihres Planeten, denn sie haben vergessen, dass man zum Himmel aufblicken kann”.
Die weisen Männer haben zum Himmel hinaufgesehen. Sicher taten sie es nicht zum ersten Mal. Aber was sie dort sahen, war anders, anders als die Sterne, die sie vorher sahen. Etwas hatte sich verändert. Alles erstrahlt in einem anderen Licht. “Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.” sagen die Weisen, als sie in Jerusalem eintreffen. Der Stern steht für das, was in den Herzen der weisen Männer selbst angefangen hat. Der Stern ist bereits vor ihrem Aufbruch in das unbekannte Land da. Er gehört bereits zum Weg. Er ist das innere Licht, das unbestimmte Gefühl, die träumerische Ahnung, dass die Antwort auf all ihr Fragen dort auf sie wartet, wo dieses innere Licht sie hinführen wird. Es wird sich etwas verändern in ihnen, mit ihnen. Die Weisen hörten auf ihre innere Stimme. Sie folgten dem Licht, das in ihnen angefangen hatte, zu scheinen. Sie folgen ihrem Stern.
Doch ihr Weg führte zunächst scheinbar in die Irre, an einen Ort, wo der Stern, ihr Wegzeichen unsichtbar wurde, unsichtbar selbst für sie. Die weisen Männer kommen nach Jerusalem. Sie kamen dorthin, wo die Zentralen von Macht, Bildung, Reichtum und Einfluss sind. Es ist der Ort, wo die Weisen vermuten, dass dort sich große Veränderungen, neue Perspektiven zuerst Bahn brechen werden. Sie werden enttäuscht. Statt einer neuen heiligen Wirklichkeit treffen sie auf einen verängstigten König. Sie treffen auf religiöse Gelehrte, denen der Blick für das Wesentliche abhanden gekommen ist, in denen kein Stern mehr erstrahlt. Sie treffen eine in sich selbst ruhende Wirklichkeit, die sich über das Machbare, über Leistung definiert. Die Weisen sind scheinbar wieder in dem “Käfig ihres Planeten” angekommen, aus dem sie durch den “Blick zum Himmel” herausgeführt wurden. Doch diese erneute Konfrontation mit der nüchternen, vermeintlich einzig wirklichen Wirklichkeit ist notwendig. In Jerusalem erfahren die Suchenden mehr über ihr Ziel. Sie erfahren noch einmal mehr: Was sie suchen, ist in dem vergänglichen Glanz von Macht und Kalkül nicht zu finden. Was sie suchen, ist anders, es ist “nicht von dieser Welt”. Auch Herodes spürt plötzlich, dass seine Macht vergänglich ist. Hatte er sich vergeblich bemüht? Über wie viele Leichen ist er gegangen und wird noch gehen, um König zu sein? Herodes sieht es in den glühenden Blicken der Gottessucher: Das, was diese Menschen suchen, fragt nicht nach seiner Macht. Was diese Menschen suchen, stellt alles in Frage.
Der Stern, den Gott in den weisen Männern entzündet hat, führt auf geradem Wege hinaus aus dem Käfig der großen Stadt, hin in den kleinen, unbedeutenden Ort am Rande der großen Geschäftigkeit. Der Weg war nicht umsonst. In einem Kind erkennen die Weisen die neue Wirklichkeit, die Gott für alle Menschen will. Sie blicken auf zum Himmel. Ich habe mich oft gefragt, was es mit der Anbetung eines frisch geborenen Kindes auf sich hat. Ob die Weisen nicht vielleicht enttäuscht sind, ob nicht ihre Erwartungen etwas anders waren? Offenbar sind sie nicht enttäuscht. Matthäus berichtet in diesem Moment von keinem Reden, Diskutieren. Als sie das Haus betreten und das Kind sehen mit seiner Mutter, spricht niemand mehr. Sie knien nieder und beten in aller Stille das Kind an. Das Kind symbolisiert nicht nur das Neue, das Formbare, das nach unseren menschlichen Maßstäben Unfertige. Es offenbart sich den Weisen zunächst in dem Kind die Möglichkeit des eigenen Neuanfangs. Kinder werden geliebt, ja angebetet, obwohl sie nichts geleistet haben. Kinder müssen sich ihre Liebe nicht verdienen, sie fließt ihnen unverdient zu. So wird ihnen das Kind zum Zeichen für Gottes bedingungslose Liebe.
Es ist klar, niemand der Anwesenden kennt den Jesus, so wie wir ihn kennen: den Jesus der Bergpredigt oder der Gleichnisse, den Heilenden, letztlich den Jesus von Kreuz und Auferstehung. Den Vollkommenen, der die Unvollkommenheiten der Menschen auf sich lud und unschuldig an den Gitterstäben unseres Käfigs zerbrach und den Käfig gerade dadurch überwand. Das alles steht noch aus, in diesem Moment, den wir uns gerade vor Augen führen. Wir Christen feiern zu Weihnachten die Erscheinung einer neuen Wirklichkeit, die Erscheinung Gottes, dem Ursprung und der Tiefe allen Lebens in einem kleinen Menschenkind.
Das Ereignis bleibt für die Weisen nicht ohne Folgen. Entgegen der Abmachung, die sie mit Herodes trafen, kehren sie nicht wieder in die große Stadt zurück. Ihr Leben, ihr Weg hat eine Veränderung erfahren. Die Weisen haben nun endgültig verstanden, dass die Welt des Herodes nun keine Macht mehr hat. Sie ist vergänglich. Wer vor dem Kind gekniet hat, wem das Heilige in der schlichten Reinheit eines neugeborenen Lebens erschienen ist, ist frei, frei von den Zwängen und Vergänglichkeiten dieser Welt. Er hat sich selbst, sein Leben, sein Menschsein vor Gott wieder gefunden. Er hat aus seinem Käfig herauf zum Himmel geblickt.
Zu Beginn meinte ich, die Geschichte der sternkundigen Weisen ist unsere Geschichte. Sie geschieht jeden Tag, an jedem Ort unseres Planeten. Sie geschieht jeden Tag neu und anders. Durch Jesus den Erlöser kann uns aufleuchten, dass das, was ist, nicht alles ist. Behalten wir diese weihnachtlichen Bilder noch ein wenig in unseren Herzen. Gott will sich finden lassen. Und Gott lässt sich finden, er führt uns selbst zu sich hin. Oft auf Umwegen.
Aber es liegt auch an uns, wir müssen uns selbst auf den Weg machen. Ein jeder folge seinem Stern, den Gott uns eingepflanzt hat. Lassen Sie uns den Blick für seine Zeichen, das Hören auf unsere innere Stimme, auf unsere Träume nicht verlieren. Vielleicht sind wir der Gewissheit, dem Licht oft näher, als wir glauben. In das neue Jahr mit seinen Aufgaben, Anstrengungen und Veränderungen hinein kann uns die Geschichte begleiten. Mögen auch wir versuchen, neue Wege zu gehen. Wir, die wir wie die Weisen an Weihnachten das Kind in der Krippe angebetet haben. Für die sich der Himmel öffnete im Schein der Kerzen, im Kreise unserer Lieben. Im Spruch dieser Woche heißt es: “Die Finsternis vergeht, das wahre Licht scheint jetzt.” Vergessen wir nicht, öfter mal zum Himmel zu blicken, damit wir nicht wieder nur im “Kreis gehen, im Käfig unseres Planeten”. Möge der Stern von Bethlehem, das Licht der Erlösung in unseren Herzen das ganze Jahr leuchten und uns den Weg zu einem gelingenden Leben weisen. Amen.

Predigt Altjahresabend 2008 - Lk 12, 35-40

Liebe Gemeinde,

der letzte Abend des Jahres ist ein besonderer Moment. Für mich persönlich scheint die Zeit wie im Flug vergangen. Der Silvesterabend des letzten Jahres scheint gerade eine Woche her zu sein. Ich glaube, das geht vielen unter uns so: Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Der letzte Abend des Jahres dient auch dem Rückblick auf das, was war. Wir ziehen Bilanz, schließen unsere Kassen, machen schon neue Pläne und wollen vielleicht einen Moment lang einfach alles loslassen, ehe ein neues Jahr mit alten und neuen Aufgaben, mit alten und neuen Sorgen, aber sicher auch mit neuen, hoffentlich guten Erfahrungen beginnt.
Einfach mal loslassen – das wäre schön und vielleicht gelingt es uns hier und da. Das Evangelium scheint da anderes zu fordern an diesem Abend. Jesus erzählt seinen Jüngern eine Geschichte von Knechten und Mägden, die auf ihren Herrn warten, dass er nach Hause kommt. Er soll sie wachend finden – bereit für seine Ankunft, wachsam, damit Haus und Hof nichts Übles widerfährt.
Da scheint nichts zu sein mit ein paar Stunden mehr Schlaf am Neujahrstag. Das, liebe Gemeinde, mag auf den ersten Blick so sein. Wachen statt loslassen. Die müden Augen offen halten, statt zu schlummern. Ich denke, Jesus erzählt uns dies Gleichnis aus einem anderen Grund.
Wachsam sein für den Herrn ist ein Bild für etwas, was uns wohl selten gelingt. Und darum ist wohl ein solch besonderer Abend wie der heutige, ein guter Zeitpunkt, uns an die Wachsamkeit des Herzens zu erinnern.
Stille werden und hineinlauschen in das eigene Leben – der heutige Abend bietet einen Anlass dafür. Wo ist mir Gott begegnet im vergangenen Jahr? Solch ein innerer Jahresrückblick zeigt manche Wendungen im Leben, die erst in der Rückschau durchsichtig und ansichtig werden. Ein verbauter Weg, der neue Türen öffnete. Ein Schicksalsschlag, der neue Möglichkeiten bot. Eine Erfahrung, die mich weiter bringt, auch wenn sie schmerzt und weh tut. Geschenke des Alltags, kleine unbedeutende Dinge, für die wir aber dankbar sein können, doch im Augenblick blind dafür waren.
Das alles, liebe Gemeinde, ist Wachsamkeit, Lauschen auf die Schwingungen Gottes in unserem Leben. Hellhörig werden für die Geheimnisse des Lebens. Für solches Hören und Wachen brauchen wir immer wieder einen Perspektivwechsel, der es uns ermöglicht, uns selbst und unsere Welt mit anderen Augen und Ohren zu vernehmen. Die Gottesdienste laden hierzu ein, vielleicht auch die Zeit, die wir für uns selbst bereit halten, um zu hören, was da eigentlich ist, in uns und um uns herum.
Ich persönlich kann beim Radfahren ganz gut abschalten und etwas loslassen, um es mit anderen Augen sehen zu lernen. Auch dies ist vielleicht eine Art Gottesdienst, wenn ich meine Seele leer mache, aufräume, frischen Wind in den Kopf bekomme, um dann wieder wachsamer für das Leben und den kommenden Herrn zu sein. Denn in meinem Alltag entscheidet sich, ob der Herr vor verschlossenen Türen steht, weil ich seelisch schlafe oder einfach nur taub geworden bin für ihn, der zu mir kommen will.
Was haben wir ganz praktisch davon, wachsam zu sein? Auch diese Frage beantwortet Jesu Gleichnis. Die Geschichte der wachsamen Diener und Dienerinnen nimmt eine fast bizarre Wendung. Wenn der Herr sie wachend findet, dann wird er seinen Dienern dienen. Der Herr wird Diener und die Diener werden Herren. So ist es verheißen. So klingt es nach, wenn Jesus über sein Leben und Werk spricht: Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um selbst zu dienen. Der fröhliche Wechsel klingt auch in den Weihnachtsliedern nach, wenn es heißt: „Der Herr wird Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein. Er äußert sich all seiner G´walt und wird ein Kindlein klein.“
Für unsere praktische Alltagsbewältigung heißt das nichts anderes als: Wenn ich wachsam für Gott durch mein Leben gehe, dann werde ich reich beschenkt durch ihn. Dann wird er selbst mir Diener, wird er mir dienlich sein. Es ist wohl klar, liebe Gemeinde, dass wir Gott nie zwingen könnten, uns zu dienen. Er tut dies freiwillig, ohne unser Zutun – er tut es aus lauter unfasslicher Liebe. Doch liegt es an uns, wachsam zu sein. Mit anderen Worten – dass wir mit ihm rechnen in unserem Leben, dass er uns begegnen will. Das können Menschen sein, die uns über den Weg laufen, die uns herausfordern, klarer zu sein, in unseren Standpunkten, in unserer Liebe, in unserem täglichen Tun und Lassen. Gott ist für Überraschungen gut und er kriegt es hin, uns zu verändern, wenn wir ihm einen Platz im Herzen lassen. Wenn wir wachsam sind und auf die großen Atembewegungen der liebenden göttlichen Mächte lauschen.
Wachsam sein heißt auch, sich den Herausforderungen zu stellen, im Kleinen wie im Großen. Der Kirche im Großen steht das Amt der Wachsamkeit gut an, wenn es darum geht, wo unser Land und unsere Gesellschaft hinsteuern. Da sind Anfragen zu stellen: nach Stammzellforschung, nach Bildungsarmut, nach Sterbehilfe, nach sozialer Gerechtigkeit, nach Macht und Ohnmacht des Marktes. Um nur einige Nöte und Fragen unserer Zeit zu nennen. Es sind diese Entwicklungen kritisch, klar und wachsam zu prüfen, letztlich um die guten von den bösen Geistern zu scheiden, zu warnen, aufmerksam zu machen, damit der Herr uns nicht schlafend findet. Mit anderen Worten, damit wir nicht in die Irre gehen an einen Ort, an dem Gott nicht mehr zu finden ist.
Liebe Gemeinde, Hoffnung und Vertrauen machen uns reich. Wenn wir auf den kommenden Herrn vertrauen, werden wir beschenkt. Schon jetzt in unserem Leben, und in der Vollendung, die wir erwarten dürfen, wenn Gott alles in allem sein wird. Solche Wachsamkeit wünsche ich uns allen an diesem Abend, im Rückblick auf das Gute und das weniger Gute der Vergangenheit. Wer weiß, was daraus wird. Doch das Vertrauen auf Gott, das Raumgeben für seine Sicht der Dinge und sein Wirken an uns und in der Welt, kann uns tragen, kann uns verändern und uns helfen. Ja, Gott selbst wird uns dienlich sein, wenn wir auf ihn warten und er uns wachsam und aufmerksam findet.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, liebe Gemeinde, einen besinnlichen Jahreswechsel, der auch Raum lässt zur Freude und zum Dank für alles, was war, für alles, was Gott uns gegeben hat. Die Wachsamkeit aber bleibe für alle Tage des kommenden Jahres und wer weiß, was in der Zwischenzeit mit uns geschieht, was wir berichten können, wenn wir uns nächstes Jahr an dieser Stelle wieder sehen. Im Vertrauen auf Gott wird es gelingen, was immer auch kommt. Amen.

Predigt Heiliges Christfest - Joh 1, 1-14

Liebe Gemeinde,

im Zentrum der Predigt steht heute ein Text, der wohl zu den schönsten aber auch schwierigsten der Bibel gehört. Es ist der Vorspann zum Johannesevangelium, den wir eben gehört haben, mit seinen großen Worten: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Goethes Faust sagt hierzu: „Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort. Hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort. Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen!“ Und in der Tat handelt es sich wohl kaum um ein Wort, als einer Zusammensetzung einzelner Buchstaben, die einen Sinn ergeben. Das griechische Wort für Wort heißt Logos und hat viele Bedeutungen. Denken Sie an die Biologie, die Geologie, Soziologie oder eben auch die Theologie und die Logik. Das sind Wissenschaften, die mit den Regeln und Rahmenbedingungen der menschlichen Vernunft Bilder der Welt erschaffen wollen. Wir nähern uns der Welt, wir erfassen sie mit unserer Logik, dem Verstand und der Vernunft. Da gibt es weltweit gleiche Strukturen für das, was wir Vernunft nennen. So ist es möglich, dass in Japan genauso wie in Argentinien 2 plus 2 selbstverständlich 4 ergibt. Alles andere wäre unlogisch. Logos also, die Vernunft, dieses unsichtbare Ding, an dem der eine mehr oder weniger hat, war schon vor uns da. Und doch redet der Dichter des Johannesevangeliums nicht nur von einem unpersönlichen Prinzip. Sondern von einem Gott, bei dem das Wort, die Vernunft ist, und der selbst diese Vernunft ist. Er erzählt von einem Geheimnis auf eine geheimnisvolle Weise. Er erzählt die Schöpfungsgeschichte neu. Wenn wir an den Anfang der Bibel denken, da spricht Gott: Es werde, und es ward. Gott schafft durch sein Wort. Mit anderen Worten, Gott bringt Struktur in die Finsternis und das Chaos. Er bringt Licht und Klarheit in die Dinge, so dass 2 und 2 tatsächlich 4 ergeben können. Wo Licht ist, da ist der Weg vor Augen. Gott schafft durch sein Wort, und er ist selbst das schaffende Wort. Hierin steckt das Geheimnis, dass wir Gott nicht so einfach ausrechnen können, wie die Gleichung 2 plus 2, sondern nach seiner Selbstoffenbarung Ausschau halten. Wir ahnen Gott in der Welt, in dem, was sein Wort schuf, doch geht er darin nicht auf. Er ist das schöpferische Wort, der Gedanke, der hinter allem steckt und ist es doch nicht selbst, sondern er spricht es.

Liebe Gemeinde, denken wir an unsere eigenen Worte. Worte können eine ganze Welt in unseren Gedanken erschaffen. Mein Sohn liest zur Zeit die Trilogie von „Tintenherz“. In diesem modernen Märchen geht es darum, dass Worte das Gesprochene Wirklichkeit werden lassen. Die Geschichte, die vorgelesen wird, die Figuren daraus werden leibhaftig, gegenständlich. Es ist gut, dass es nur ein Märchen ist. Denn unsere Worte bringen nicht immer Gutes hervor. Und auch in besagtem Buch wird diese Fähigkeit nicht zur Gnade sondern zum Fluch. Wenn jedes böse Wort eine Gestalt annähme, wäre unsere Erde wohl ein finsterer und böser Fleck. Wenn ich sage, dass unsere Worte Welten erschaffen, so nehmen wir z.B. das Wort Zukunft. Wenn wir dieses Wort nicht hätten, bliebe in unseren Gedanken gar kein Platz für das, was kommen wird. Wenn wir das Wort Zukunft aussprechen, so hat jeder eine Vorstellung davon – eine verheißungsvolle hoffentlich, mancher vielleicht eine weniger helle. Doch werden in uns Bilder wach beim Gedanken an eine Zukunft. Dennoch bleibt es etwas jenseits von uns, etwas Ungegenständliches, das durchaus anders sein kann, als wir es uns vorstellen. So ist es auch mit Begriffen wie Leben, Tod oder dem Wort „Gott“. Dass es ein solches Wort wie Gott gibt, hat man lange als Hinweis darauf gesehen, dass es so etwas, was dieses Wort meint, auch tatsächlich gibt. Wir Menschen sind in der Lage über das, was uns vor Augen ist hinaus zu denken – unsere Zukunft, unsere Hoffnung, unser eigenes Sterbenmüssen, Gott. Es ist nicht verfügbar und doch ist es da. Das große Wunder nun ist aber, dass Gottes Wort, das schöpferische Prinzip der Welt, die lebendige Kraft, selbst sich offenbart hat. Und so heißt es: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Und wenig vorher heißt: Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn gemacht, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden. Liebe Gemeinde, wenn wir so wollen, ist die ganze Heilsgeschichte in diesen wenigen Worten präsent. Das macht das Großartige dieser Dichtung aus. Gott schuf mit seinem Wort die Welt. Und das Wort selbst wurde Welt in Jesus. Gott kam in sein Eigentum, doch die Finsternis hat das Licht nicht ergriffen. Diejenigen aber, die ihn Gott in Jesus Christus aufgenommen haben und ihn noch heute aufnehmen, diese sind Gottes Kinder, Kinder des Lichts. Ein weiter Bogen in wenigen Worten. Von der Schöpfung bis zu uns nach Hg/Ww/Fs. Die Fleischwerdung, das Kommen in die Niederungen dieser Welt ist die große Weihnachtsbotschaft. Und wir hören zwischen den Zeilen heraus, warum das Wort Fleisch wurde: damit es auf neue Weise die Finsternis erhelle. Wie Gott anfangs Licht und Dunkel trennte, die Strukturen ordnete, dem Leben eine Richtung gab, so sollte sein fleischgewordenes Wort, unter den Menschen sein, um diese zu erretten vor der Finsternis, in der sie gefangen sind, weil sie die Vernunft, den göttlichen Atem, das Licht noch nicht ergriffen hatten. Wer diesen Jesus erkennt und in ihm das Licht einer größeren Macht, der sieht seine Herrlichkeit. Wer erkennt, dass er mit seinem Leben, seiner Lehre und seinen Taten einen neuen Weg einschlug, ein neues Bild des Menschseins vorlebte, der wird in ihm größeres sehen lernen, als das Bild eines jüdischen Lehrers oder Propheten, der erkennt in ihm Gott selbst. Greifbarer und menschlicher hätte Gott nicht zu unseren Herzen und Seelen sprechen können als durch Jesus, sein lebendiges Wort.
Es ist eine höhere Vernunft, die in der Welt waltet als die, die uns sagt, dass 2 und 2 4 sind. Es ist das Geheimnis des Lebens, dass einer unfassbaren Liebe entspringt. Davon kündet Jesus als Erwachsener, davon singen die Weihnachtslieder, dass das Geheimnis und Wunder des Lebens schon in diesem Kind in der Krippe sichtbar ist. Es ist das wahre Licht, kein bloßer Schein, kein Blitzlicht, sondern das wahre Licht. Es ist zart und viele übersehen es, doch die es ergreift, führt es zu Gott selbst. Das, liebe Gemeinde, ist das Wunder der Weihnacht. Ich wünsche uns, dass das wahre Licht unsere Herzen erleuchtet, dass wir es aufnehmen und nicht gleich wieder zum Alltag übergehen. Denn das Wunder, dass Gott Mensch wurde, damit wir Kinder Gottes werden, ist ein Wunder für jeden Tag des Jahres, nicht nur zur Weihnachtszeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien geruhsame und besinnliche Tage, die uns spüren lassen, was wirklich wichtig ist, Gnade und Wahrheit, Frieden und Erlösung. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Predigt zum 1. Advent 2008 - Mt 21, 1-9

Liebe Gemeinde,

eben haben wir das Evangelium gehört. Das heute beginnende Kirchenjahr beginnt auch mit einer neuen Reihe von Predigttexten. Wir werden im kommenden Jahr die Evangelien der Sonntage wieder zu predigen haben. Frohe Botschaften also für das ganze Jahr. Unser Herr und Bruder Jesus tritt wieder ganz nah an uns heran, wenn wir bedenken, was seine Worte, sein Leben, sein Wandel unter uns Menschen zu bedeuten haben und wie er uns dadurch Wege weist zur Erlösung und zum Glauben. Der heutige Predigttext also handelt von Jesu Einzug in Jerusalem. Unsere Frage wird also sein: Was ist das Spektakuläre daran, dass jemand auf einem Esel reitet, dem niedrigsten aller Lasttiere? Warum wird diese Geschichte überhaupt erzählt? Und was hat das eigentlich mit Advent, Lebkuchen und Stollen zu tun?

Es gibt auf den ersten Blick nichts Aufregendes an dieser Geschichte des Einzugs. Luther sagte: Jesus kam nicht für die Augen daher, sondern für Herz und Ohren. Vergleichen wir mal das Auftreten großer Persönlichkeiten mit der Geschichte hier. Das wäre so, als wenn ein Staatsmann nicht in der Staatskarosse in feinem Zwirn und Nadelstreif vorfährt, sondern da kommt einer mit dem billigsten aller Fahrzeuge, einem alten Klapprad vielleicht, das nicht einmal ihm gehört. Wer würde schon Notiz davon nehmen? Ähnlich erging es den Bewohnern von Jerusalem die das Geschrei der Leute hörten, die mit Jesus in die Stadt einzogen: Hosianna dem Sohn Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ War nicht David auch immer auf einem kräftigen, streitbaren Hengst unterwegs, begleitet von hunderten Soldaten. Was ist das für ein König, der sich sogar den jämmerlichen Esel ausleihen muss, auf dem er daher kommt, weil er nichts hat, als das, was er auf dem Leibe trägt?

Sogleich wird erinnert an die Verheißungen des Propheten Sacharja im Alten Testament: Freue dich, Tochter Zion, siehe dein König kommt zu dir. Sanftmütig und auf einem Esel reitend und einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers. Es wird deutlich. Jesus muss nicht mit Zeichen der Macht und Kraft, die wir Menschen brauchen, einziehen. Was wäre das auch für ein Wettkampf gewesen. Spätestens die Aufmärsche der großen Diktatoren im vergangenen Jahrhundert hätten Jesu Machtdemonstration in den Schatten stellen müssen. Jesu ärmliches und sanftmütiges Erscheinungsbild macht uns klar: Gottes Reich wird anders sein und ist es bereits, als alle unsere Vorstellungen von Macht. Denn was haben die Mächtigen dieser Welt denn noch zu bieten außer Glanz und Gloria. Die amerikanischen Manager, die in Firmenjets nach Washington für 20.000 Dollar je Flug und dann die Regierung um Geld anbetteln, weil sie ihre Macht missbraucht und in ihrer Gier die ganze Kohle in den Sand gesetzt haben. Wir merken schnell, da stimmt das Bild nicht. Unsere Augen trügen uns oft. Der äußere Schein ist eben nur ein Schein und keine Wahrheit. Die Fürsten und Großen dieser Welt kommen und gehen. Und was bleibt ist die spektakuläre Fassade. Doch Jesus kommt, um Gottes Reich anzufangen – ein unsichtbares Reich und was er bringt, kann niemand sonst bringen: Er will unsere Last tragen, wie der Esel, auf dem er sitzt. Das gebeutelte und belastete Volk will er tragen mit Sanftmut und einer unaussprechlichen Liebe, die die Welt verändert. Was braucht es da der Machterweise, dem großen Pomp? Nicht für die Augen wird uns dieses Spektakel geboten, sondern für unser Herz, dass wir erkennen, wer da kommt: Unser Heiligmacher und Seelentröster, der Herzenskünder, der Friedensfürst, der uns erlösen will von Schuld, Tod und den negativen Mächten, die in uns schlummern, uns einzwängen und ängstigen. Jesus will unsere Herzen erreichen, nicht die Aufmerksamkeit der BILD-Zeitung oder brisant-Sendungen. Freue dich, Tochter Zion, siehe dein König kommt zu dir. Nach dem Evangeliumstext folgt noch ein Vers, der – wie ich finde – dazu gehört. Dort heißt es: Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? Matthäus benutzt hier das gleiche Wort für erregen wie erbeben. Wir finden es an anderen wichtigen Stellen: bei Jesu Kreuzigung erbebte die Erde, als die Frauen das leere Grab finden, erbebte die Erde. Was ist das für ein Beben? Vielleicht meint es eine innere Erschütterung dieser Welt, ebenso innerlich und damit auf den ersten Blick so wenig machtvoll wie Jesu Reiten auf dem Esel. Und doch ist nichts mehr wie es war. Wie ein leises Wehen so begegnete Elia einst dem HERRN am Gottesberg, nicht im Sturm und Donner, sondern in dem sanften Wehen, fast unmerklich und zart. So ist das, wenn Gott in diese Welt hinein kommt, wenn er sein Reich baut, klein, sanft und unmerklich. Es ist eben nichts äußerliches, sondern ein geistliches und inneres Geschehen. Darum, liebe Gemeinde, hören wir jeden 1. Advent von diesem seltsamen Kommen eines sanften Königs, der keine Macht über Armeen und Finanzmärkte hat, doch aber über Tod, Krankheit und Angst, der uns mit seiner Liebe anstecken will, damit Gott in uns Wohnung nimmt und uns und unsere Welt verändert. Ganz leise und unbemerkt. Wir mögen diesen unscheinbaren und sanftmütigen König aufnehmen und willkommen heißen. Dafür brauchen wir nicht mit unseren Augen Ausschau halten. Denn unseren oberflächlichen Blickwinkel ist Jesus nicht sichtbar, nur für unser Herz ist er sichtbar. Ein Herz und Ohr, das die leisen Töne zu hören vermag. Ein Herz, das bereit ist, sich von der Liebe anstecken zu lassen, die auf leisen Sohlen daher kommt und in manchem Herz schon schlummert und wie ein Dornröschen geweckt werden will um zu neuem Leben zu erblühen. Der Herr des Gottesreichs kommt nicht wie ein weltlicher Fürst, weil sein Reich nicht von dieser Welt ist. Das ist verstörend und lässt die Gemüter innerlich erbeben. Was maßt sich dieser dahergelaufene Prophet an? Daran ist Jesu Leben selbst so tragisch geendet am Kreuz. Seine Liebe, die diese Welt nicht begreifen und ertragen konnte, war sein Stolperstein. Doch war auch dies ein Zeichen seiner Liebe, sein Sterben für uns alle, zu unserer Erlösung. Advent, liebe Gemeinde, ist also eine besinnliche Zeit. Weniger der Glanz der Schaufenster ist wichtig, sondern ein Herz, das sich bereit macht, den König der Könige, unseren Heilsbringer, den ewigen Gott in der ärmlichen Gestalt der Liebe aufzunehmen. Dem adventlichen Glanz unserer Einkaufshäuser und Weihnachtsmärkte hätte der Friedefürst mit seinem Esel wenig entgegen zu setzen. Nichts für das Auge, doch aber für unser Herz und unsere Seele. Dafür sollten wir uns Zeit nehmen in dieser Adventszeit. Neben dem Einkaufs- und Vorbereitungsstress für Weihnachten nicht den Grund unserer Vorfreude vergessen, den Gott, der unsere Herzen erstürmen und erobern will, der uns frei machen will von Schuld, Angst und Tod, der uns mit seiner Liebe umfängt, ganz sanft und unscheinbar und doch so tief und existenziell. Er ist der Kommende an jedem Tag im Jahr, der wenn wir wollen in uns lebt und uns verändert zur Ewigkeit hin. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine besinnliche Adventszeit, in der wir Wartende und Lauschende sind. Wer längere Zeit auf jemanden wartet, der wird aufmerksamer. Er versucht in jedem, den er von weitem sieht, etwas von dem zu sehen, den er erwartet. Aufmerksam werden für Gott, für sein Wort, für Jesus, für die Liebe, die wir so dringend brauchen. Dafür gibt es Advent, die Zeit der Vorbereitung und des Hörens des Herzens. Möge Gott die Tore unserer Herzen weit und offen machen, damit er mit seiner Liebe und unserem Heiland einziehen kann. Mehr braucht es nicht als dies. „Komm, mein Heiland, Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. …

Und der Friede Gottes, der höher ist alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.