Dienstag, 19. Oktober 2010

Kirmespredigt 2010

Liebe Kirmesmädels und –burschen, liebe Festgemeinde,

jedes Jahr freue ich mich auf den Kirmesgottesdienst. Denn es ist der einzige Gottesdienst im Jahr, an dem ich in den Kirchenmauern ein Bier trinken kann. Eine gepflegte Gerstenkaltschale. So trinke ich auf euch und unsere Kirche. Prost, es möge gelingen!

Wir haben die Geschichte vom verlorenen Sohn gehört. Jesus hat seinen Leuten diese Geschichte erzählt, um klar zu stellen: Ihr habt eine Heimat bei Gott. Selbst wenn ihr wegrennt, wenn ihr euch verrennt, dann könnt ihr zurück. Führen wir uns das noch einmal vor Augen. Ein junger Kerl geht seinen eigenen Weg. Er verzockt in kurzer Zeit den Anteil an seinem Erbe. Spielotheken, Kneipen, Parties, Mädels, dicke Schlitten und so weiter. Klar steht der Spaß erstmal im Vordergrund. Wir kennen den Spruch von der Truppe Elsterglanz, wenn Oma Sharif zu Rambo, dem besten Koch der Welt, sagt: Klar, steht für dich der Spaß erstmal im Vordergrund. Doch du musst doch och mal den Jehwech streuen! Es kommt, wie es so oft kommt, auch heute noch: Die Karre geht vor den Baum. Das pralle Leben ist ein kurzer Rausch und der Fall ist tief, ungeahnt tief. Wenn die Kohle alle ist, steht das Jammertal vor der Tür. In der Volxbibel wird der tiefe Fall des verlorenen Sohns auf unsere Zeit bezogen. Statt im Schweinestall im Mist, sitzt unser Held bei McDonalds und schrubbt das Klo. Hunger hat er und würde gern die restlichen Pommes aus dem Eimer holen, doch auch das geht nicht. Der Chef hat ein Auge drauf. Wie viel besser dann die Variante zur Familie zurück zu gehen. Wie wird wohl der Vater reagieren? Wie reagieren denn eure Eltern, wenn ihr mal daneben haut? Der junge Kerl jedenfalls legt sich seine Worte zurecht. Viel zu erwarten hat er eigentlich nicht. Und doch kommt es anders. Der Vater rennt seinem Sohn entgegen mit Tränen der Freude und Rührung in den Augen. Du warst tot und jetzt bist du wieder da! Wir feiern ein Fest, eine Big Party!

Was hat das mit der Kirmes, der Kirchweih zu tun, liebe Gemeinde? Zwei Dinge: 1. Es geht um unsere Heimat bei Gott. Sichtbar in der Kirche, die unsere Vorväter bauten, sichtbar in der Gemeinschaft der Heiligen hier in Hörselgau. 2. Es geht um die rechte Art des Feierns.

Zum ersten: Der Vater in der Geschichte ist Gott, der uns liebt, der sich nach uns sehnt. Wir stammen alle aus seinem Haus. Er hat uns gemacht. Viele Menschen heutzutage glauben, die Herren über das eigene Leben zu sein. Nach dem Motto: Ich weiß ganz genau, was für mich gut und richtig ist, anstatt sich zu fragen, was Gott davon hält, was eigentlich der Sinn meines Hierseins ist. Wir sehen es allerorten, solche menschliche Selbstüberschätzung ist zerstörerisch. Es geht auf Kosten anderer, es geht auf Kosten der Natur und letztlich zerstören wir uns selbst damit. Die ewige Gier nach Geld und Macht, nach Party und Rausch, endet in Finanzkrise, in Isolation und Gleichgültigkeit. Als unsere Vorväter diese Kirche bauten mit ihrem Herzblut, ihrem Schweiß, da wollten sie ein Denkmal setzen, ein Zeichen, dass es da Orientierung gibt für das Leben. Die Kirche ist ein Zeichen für Gottes Gegenwart. Sie erinnert uns an den Anfang, der für uns alle gesetzt ist, in Gott. Damals lebte man noch ganz klar im Bewusstsein, dass nichts im Leben selbstverständlich ist. Das wir Gott einen Platz in unserer Mitte geben müssen, weil er die eigentliche Lebensgrundlage ist. Damals konnte man noch nicht schnell in den REWE fahren mit der EC-Karte bewaffnet und sich die Chips und Cola ziehen. Damals musste man mit eigener Kraft der Erde abringen, was zum Überleben notwendig war. Niemand will diese Vorzeiten zurück, doch macht es deutlich, was wir immer wieder vergessen – wir stammen aus Gott, aus seiner Hand ist alles, was ist. Wenn wir das vergessen vergessen wir woher wir sind und wozu wir leben. Die Geschichte vom verlorenen Sohn lädt ein, zurück zu kehren zu diesem Anfang. Und diese Rückkehr oder Umkehr ist immer möglich, auch wenn wir glauben, wir habe uns schon so weit entfernt, dass mit Gnade nicht mehr zu rechnen ist. Gottes Tür steht offen, wir müssen uns nur auf den Weg machen.

Und so kommen wir zum zweiten: Die große Party. Feiern ist wichtig. Den Alltag mal hinter sich lassen ist wichtig. So wie an diesem Wochenende zur Kirmes. Nicht umsonst hat Gott den Menschen dringend ans Herz gelegt: Nimm dir einen Tag in der Woche frei, komm mal raus, fahr mal runter! Nimm dir Zeit für dich und für mich, deinen Schöpfer. Nimm dir Zeit für das, was wirklich wichtig ist. Liebe Gemeinde, Feier und Spiel, Musik und Tanz unterscheiden uns ganz elementar von den Tieren. Eine Kuh auf der Weide kennt keinen Sonntag. Soweit ich weiß, feiern Kühe auch keine Parties, höchstens in Trickfilmen. In Gottes Nähe zu sein, heißt sich freuen am Leben, es dankbar aus seiner Hand nehmen. Gottes Kind zu sein, heißt: Es gibt noch mehr in diesem Leben als Arbeit und Schlafen, Essen und Trinken. Denn die Ewigkeit, das, was über die Welt weit hinaus geht, ist in unser aller Herz gepflanzt. Feiern soll etwas besonderes sein und bleiben. Wäre jeder Tag eine Party, so verlockend das für manche klingen mag, so ist es nichts mehr besonderes. Denn wir sind zugleich auch in den Alltag gerufen. Wir sollen Verantwortung übernehmen, unser Feld bestellen, unser Leben in die Hand nehmen im Vertrauen auf Gott. Wenn ich mir sechs Bier auf einmal bestelle, dann wird selbst bei großem Durst das letzte spätestens schal sein. Der Kontrast zwischen rechtem und falschem Feiern ist deutlich in unserer Geschichte zu spüren. Es geht um das rechte Maß.

Macht diese Kirmes zu etwas Besonderem. Mit anderen Worten, erhebt euch aus eurem Alltag und feiert. Aber sauft dabei nicht so sinnlos, dass ihr am Ende genauso blöd seid wie die Kühe. Denn rechtes Feiern führt uns zum Ewigen, sinnloses Feiern lässt uns abstürzen. Und denkt immer daran, dass ihr eine Heimat bei Gott habt. Wenn es euch mal dreckig geht, oder ihr nicht wisst wohin. Seine Tür steht immer offen, auch wenn wir oft andere Wege gehen als zu ihm, auch wenn wir uns von ihm entfernen. Nichts anderes heißt Sünde – Entfernung von Gott, Entfernung von der Lebensgrundlage. Dass wir zu Gott gehören, dass er seine Tür offen hält, das ist Grund zur Freude an diesem Tag, Grund zum Feiern. Das es gelingt, walte der ewige Gott, der Vater, der Sohn und Heilige Geist. Amen und Prost!

Predigt Erntedank 2010

Liebe Gemeinde,

Erntedank ist in unseren ländlich geprägten Gemeinden ein besonderer Höhepunkt im Jahr. Fast wie ein kleines Weihnachten, wo wir sagen möchten: Für heute ist alles gut. Und es gibt sicher tausend Gründe dankbar zu sein. Wir leben in einem reichen Land. Wir haben gutes Klima und fruchtbaren Boden, der unser Volk ernähren kann. Wir haben seit 65 Jahren Frieden in unserem Land und seit 20 Jahren wieder ein geeintes Vaterland. Wir leben in Wohlstand und Freiheit, wir können unsere Ideen verwirklichen, können reisen, wohin auch immer unser Fernweh uns treibt. Sicher gibt es manche Schattenseiten. Aber alles in allem, sind wir reich beschenkt. Denn alles, was ich eben nannte, ist nicht selbstverständlich. Eine Milliarde Menschen müssen noch immer hungern. Jeden Tag sterben 100000 Menschen an Hunger. Und Frieden und Freiheit sind weltweit eher die Ausnahme. Das ist Grund „Danke“ zu sagen, aus tiefstem Herzen.

Das „Danke“ für die Lebensgrundlage, die wir haben, dass jeder satt ist und in Frieden und Freiheit leben kann, das geht uns manchmal schwer über die Lippen. Man stelle sich vor, die Deutschen leben global gesehen wie die Maden im Speck und sind zugleich Weltmeister bei Ängsten und Sorgen, beim Jammern auf höchstem Niveau. Das haben Umfragen erst jüngst gezeigt. Ehrlich gesagt, ist das ein bisschen peinlich. Dagegen zeigen wir mit unserem Erntedankgottesdienst, dass wir durchaus wahrnehmen, dass nichts selbstverständlich ist, weder Brot noch sauberes Wasser, weder Arbeit noch Erfolg, weder Gesundheit noch Wohlstand, weder Frieden noch Freiheit. Wir erkennen, da meint es jemand gut mit uns – der Schöpfer, der uns in dieses reiche Leben, auf diese gute Erde gestellt hat. Ihm gilt es, Danke zu sagen. Und sein Wille ist, dass wir uns bemühen, das Beste aus diesem Leben, aus diesem Geschenk Erde heraus zu holen. Gottes Wille ist es auch, dass alle genug haben. Unsere Dankbarkeit für das Geschenkte möge uns dahin führen, dass wir von unserem Überfluss auch abgeben mit fröhlichem Herzen.

Traditionell ist der Dank für die Ernte immer auch verknüpft damit, an die zu denken, die weniger haben als wir. Es gehört zum Kern der Christenheit, das Wohl und Heil aller Menschen im Blick zu behalten, eben weil Gott alle Menschen liebt. Solidarität mit den Schwächsten folgt aus der Erkenntnis, dass auch wir nur Beschenkte sind. In der Bibel finden wir erste Beispiele für solche Mildtätigkeit. Paulus zum Beispiel startet eine groß angelegte Spendenaktion für die christliche Gemeinde in Jerusalem. Es ist vielleicht die allererste Spendenaktion der Christenheit. Wir haben eben einen Auszug aus seinem Spendenbrief im 2. Korintherbrief gehört. Wer da kärglich sät, wird kärglich ernten, hieß es da. Paulus weiß, seine Gemeinde in Korinth in Griechenland ist reich. Dort gibt es sicher auch arme Leute, so wie überall, damals wie heute. Doch können wir uns Korinth zur Zeit des Paulus vorstellen wie etwa Hamburg heute. Am Meer gelegen, mit einem guten Hafen. Der Handel boomt. Der Handel brachte Wohlstand und Reichtum, bis hinein in die kleine Glaubensgemeinschaft der ersten Christen, die wuchs und wuchs. Hungern musste niemand der Christen in Korinth. Denn wir hören an anderen Stellen, dass die Gemeinde sich um sozial Schwache in den eigenen Reihen kümmert.

Nun kommt Paulus mit einem neuen Projekt: eine Gemeinde weit weg in Jerusalem braucht dringend die Unterstützung der Korinther. Er schreibt: Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Nun mögen Spötter sagen, die Kirche wollte schon immer nur unser Bestes, unser Geld. Nehmen wir die viel gescholtene Kirchensteuer als Beispiel. Das fröhliche Geben mag manchem dabei schwer fallen. Zumindest ist es für viele der Grund aus der Kirche auszutreten! Für 30 Euro mehr im Portemonnaie im Monat. Doch wer an einem wichtigen Punkt spart, wird auch im Leben manchen Verlust hinnehmen müssen. Das ist es nämlich, was Paulus damit sagt: „Wer kärglich sät, wird kärglich ernten!“ Wer aus Geldgründen austritt, braucht bitte nicht aufschreien, wenn in zwei, drei Jahren Weihnachten in der Heimatkirche ausfällt. Am Heiligabend kommen ja bekanntlich viele Nichtchristen und Ausgetretene wie selbstverständlich. Man kann das – auch wenn das unfromm klingt – auch rein wirtschaftlich interpretieren: Wo ich nichts investiere, da wird auch nichts kommen! Wer kärglich sät, wird kärglich ernten. Wer reichlich sät, der wird reichlich ernten! Wer – so konkretisiert Paulus – mit Gottes Segen sät, der wird beschenkt. Der bekommt etwas zurück und sei es nur die Dankbarkeit des Beschenkten.

Und es stellt sich gerade angesichts der vergangenen Finanzkrise weltweit, die ja für die Spekulanten nur eine kurze Verschnaufpause war, und bald wieder auf uns zurollt, doch tatsächlich die Frage: Wo investiere ich eigentlich das, was ich habe? Welches Investment lohnt sich? Der Traum vom immer mehr, ist ausgeträumt für die breite Masse. Wir werden wieder lernen müssen, kleinere Brötchen zu backen, sonst fährt die Karre an die Wand! Ich denke, es lohnt sich, dort zu investieren, wo Not am Mann ist. In der Bildung, die Zukunft unserer Kinder und Enkel! In den Erhalt der Kirchen und Kirchgemeinden, als Orte, wo Menschen noch in Zukunft Werte und Worte des Lebens und der Hoffnung lernen können. Es lohnt sich zu investieren in die Hilfe für Arme und Bedürftige, weltweit oder nebenan in Waltershausen. Eine Studie hat letztens ergeben, dass wir in unseren ländlichen Regionen sehr kleinlaut über Armut reden. Ich möchte nicht wissen, wie viele aus unserem Ort eben die Lebensmittel bekommen werden, die wir heute hier vor dem Altar des Herrn gesammelt haben.

Gott gibt uns reichlich, und es liegt an uns, daraus etwas Vernünftiges zu machen. Wir sind die Angesprochenen heute, diejenigen, die Paulus heute anschreiben würde. Es geht uns gut, also tun wir, was recht ist und üben wir Gerechtigkeit. Warum jammern viele? Warum kaufen wir lieber Aktienpakete von zwielichtigen Firmen, anstatt einen Euro mehr im Monat für fairen Kaffee auszugeben, an dem kein Kinderblut klebt?

Gott wird das, was wir aus reinem Herzen geben für andere, nicht einfach zu den Akten legen. Bei Paulus ist es ganz offensichtlich so gemeint, je mehr wir investieren für das Projekt „Bessere Welt“, umso mehr wird diese Welt auch besser werden. Klar, höre ich da den Einwand: Was kann ich allein schon tun? Nur wo, fängt es denn an, liebe Gemeinde? Wenn jeder sagt, er kann nichts tun, dann tut sich auch nichts. Ein Beispiel: Würde jeder Deutsche, der in einem Laden eine Spendenbox neben der Kasse sieht, dort einen winzigen Cent hineintun, würden allein 50 Millionen Euro jedes Jahr mehr für einen guten Zweck Verwendung finden können – Kinderhilfswerk, Kinderhospiz, Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, usw.

Gott wird das, was wir freiwillig geben, aus reinem Herzen, in Segen wandeln, nicht, weil es der Pfarrer oder die Bibel sagt, sondern weil wir dankbar und freudig feststellen: Es ist mehr als genug und ich selbst habe es nur geschenkt bekommen. Gott hat einen fröhlichen Geber lieb. Und warum ist das so, liebe Gemeinde? Weil Gott selbst ein fröhlicher Geber ist! Er gibt uns aus lauter Liebe diese Welt, ja er gibt uns uns selbst. Denn wir sind seine liebevollen Gedanken! Alles kommt von ihm. Der Sinn der großen Spendenaktion des Paulus damals war nicht allein nur der unmittelbare Zweck, dass die Christen in Jerusalem weiter existieren können. Für Paulus ist der Zweck ein höherer, nämlich: Man wird Gott preisen über eure Güte und Freigiebigkeit! Und in eben diesem Geben und Nehmen geschieht die große Verherrlichung Gottes. Da realisiert sich etwas von der unbeschreiblichen Liebe, dass es möglich ist, dass alle Menschen satt werden, weil Gott alle liebt. Es mag auf den ersten Blick nur um Geld gehen, und ist doch ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt hin zu Gottes Reich.

Ich lade Sie ein, sich zu fragen: Wo investiere ich? Und das meint nicht nur Geld, das allein ja auch nicht glücklich macht. Sondern, es geht darum, wie ich das, was ich bin und habe, das, was eigentlich gar nicht mir gehört, sondern nur geschenkt, geliehen ist für die Zeit meines Lebens einsetzen kann und wofür? Für das eigene Mehr, wie der reiche Kornbauer, der die Frucht seiner Ernte gar nicht genießen kann? Oder investiere ich nachhaltig? Zum Beispiel in Menschen, die meine Hilfe brauchen, in die Kirchgemeinde, damit Hoffnung wächst und der Traum einer besseren Welt lebendig bleibt? Um zu investieren, braucht man kein Geld. Man kann sich selbst zur Verfügung stellen für eine gute Sache, seine Gaben und Fähigkeiten einbringen, in Vereinen, in der Politik (da fehlt es allzumal an Menschen mit positiven Visionen und Idealen!), in den Kirchgemeinden, in der Nachbarschaft. Überall sind gerade wir Christen gerufen, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Das Spendenwesen ist eine christliche Erfindung und es macht die Welt tatsächlich besser! Wer da kärglich sät, wird kärglich ernten! Wer hier und jetzt spart, spart an seiner Zukunft und der Zukunft derer, die nachfolgen werden. Lebt so, dass auch andere neben euch noch Platz haben zu leben! Solches Investment ist nachhaltig, das heißt, es geht nicht auf Kosten anderer. Investition in die Zukunft beginnt dort, wo wir die Not des Anderen sehen und mit freudigem Herzen mit unseren Möglichkeiten dazu beitragen, die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Die Erntegaben heute für die Schwachen unserer Region ist solch ein kleines Stück auf dem Weg. Die Frucht, die wir ernten, möge nicht nur unser Segen sein, sondern Segen für alle! Dazu helfe uns der ewige Gott. Amen.

Predigt 16. Sonntag nach Trinitatis 2010

Liebe Gemeinde,

gestatten Sie mir eine Frage zu Beginn, die etwas provokativ daherkommt: Was nützt uns der Glaube? Ist das Christentum lediglich eine Theorie, eine Weltanschauung wie andere auch? Wozu brauchen wir Gott in unserem ganz persönlichen Leben – im Arbeitsalltag, in der Schule, in der Familie, in den eigenen vier Wänden? Ich bin der festen Überzeugung, dass das Christentum einen ganz lebenspraktischen Zug hat. Der Glaube ist ein Navigationssystem, das unser Leben gelingen lässt. Damit meine ich nicht zuerst die Anweisungen, was richtig und falsch ist, was wir tun oder besser lassen sollen. Nicht die zehn Gebote oder die Nächstenliebe, die wir üben sollen, meine ich. Das alles sind erst spätere Früchte einer wahren Beziehung der Menschen mit Gott. An erster Stelle geht es im Glauben um ein Grundvertrauen. Vertrauen ist ein großes Wort. Vertrauen steht am Anfang jedes menschlichen Lebens – die Geborgenheit der Mutter, das Gefühl gehalten zu sein in dieser Welt, das noch nicht verstandene Wissen, dass es Nahrung und Wärme gibt in dieser Welt. Das ist der ideale Start ins Leben. Wo diese Grunderfahrung des Vertrauens fehlt, da fehlt Entscheidendes. Menschen, die als Babys solch Vertrauen nicht geschenkt bekamen, werden ihr ganzes Leben unsicher und von Angst Getriebene bleiben. Dies ist ein schönes Beispiel für die Zuwendung Gottes zu uns, auf die wir mit unserem Glauben also mit unserem Vertrauen antworten. Vertrauen hat nämlich, wie schon das Beispiel der ersten Lebensmonate zeigt, nichts mit Erkenntnis zu tun. Der Glaube ist nicht zuerst ein Wissen von einer Sache, die ich wie ein Buch ins Regal stellen und bei Bedarf wieder hervorkramen kann. Vertrauen und Glaube sind Gefühle. Ein Baby weiß noch nichts, hat keine Erkenntnis, sondern nur Gefühl. Es spürt die Nähe der Mutter und fühlt sich geborgen. Was eine gute Mutter für ihr Neugeborenes ist, so ist Gott in seiner Beziehung zu uns. Wir brauchen in solchem Grundgefühl nicht Getriebene unserer Ängste und Sorgen bleiben, denn Gott trägt uns und hält uns, Gott gibt uns, was wir brauchen. Das ist Glaube, ein Grundgefühl, was wirklich trägt im Leben. Solch ein Grundgefühl ist lebenspraktisch, weil es Auswirkungen in unserem Leben hat. Der Christ mag zweifeln, doch verzweifeln wird er nicht, wenn er sein Leben in Gott geborgen weiß. Der Christ mag sich sorgen, doch werden die Sorgen ihn nicht auffressen und ihm den Mut rauben können. Der Christ mag scheitern und Fehler machen, doch wird er trotzdem nicht aus Gottes Gnade fallen. Der Glaube ist eine Quelle, aus der Kraft zum Leben fließt. Die Liebe Gottes zu uns, die Liebe, die uns schon vom Mutterleib an umgibt, lässt uns selbst Liebende werden. Mit festen Füßen auf dieser Erde sein, mit Kraft und Liebe das Leben meistern, darum geht es im Glauben.

Das Vertrauen ist der Anfang von allem. Und wir lesen darüber an vielen Stellen unserer Heiligen Schrift. Der Apostel Paulus zum Beispiel macht seinen Leuten immer wieder Mut. Aber nicht einfach nur platte Durchhalteparolen wie im Totalen Krieg, sondern er lebt es selbst vor, wie in aller Bedrängnis und aller Not, der Glaube an Gott und das Erscheinen seiner Liebe in Jesus, ihn trägt und ihn immer wieder stärkt mit Kraft, Liebe und Besonnenheit. Er schreibt an seinen Freund Timotheus aus dem Gefängnis in Rom: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserem Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes. Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.“ Worte der heiligen Schrift, Wort des lebendigen Gottes.

Paulus stellt fest, was mit uns ist, wessen Geistes wir sind, nicht erst werden sollen. Wir haben im Vertrauen auf Gott Kraft, Liebe und Besonnenheit. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Das Vertrauen, das Leben in diesem Geist, lässt uns auch die Durststrecken überstehen, die wir erleben, in unserer Lebensplanung, in unserer Gesundheit, an der Arbeit, in der Familie und wo auch immer wir unseren Platz in der Welt haben. Paulus stellt fest, was schon für uns und an uns geschehen ist. Gott hat uns selig gemacht, Gott hat uns berufen mit einem heiligen Ruf. Nicht weil wir besonders tolle Menschen sind, besser als andere, sondern weil er uns schon immer geliebt hat, schon als wir noch gar nicht auf der Welt waren, (als wir noch Quark im Schaufenster waren). Das ist mit Ratschluss gemeint, der große Plan, den Gott mit der Welt und den Menschen hat, noch ehe die Welt war. Diese Liebe ist erschienen in dem Menschen Jesus, der dadurch zum Retter der Menschen wird, weil er diese Beziehung zwischen Gott und den Menschen ein für allemal herstellt. Gott hat sich offenbart durch Jesus, der dem Tod die Macht genommen hat und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat. Liebe Gemeinde, mit anderen Worten: Unser Leben steht in einem ganz anderen und neuen Licht, als wir selbst es manchmal für glaubhaft halten. Was auch immer uns schreckt, Krankheit, Leiden, Trauer, der Tod, das alles hat keine Macht über uns, wenn wir dieses Geschenk Gottes in uns thronen lassen. Der Tod hat seine Macht verloren. Er ist deswegen zwar nicht aus der Welt, doch wird er uns nicht verschlingen, wenn wir auf Gott vertrauen, indem wir auf Jesus schauen und uns von ihm helfen, ja retten lassen. Denn unser Wesen ist unvergänglich bei Gott. Jesus hat dieses Vertrauen vorgelebt. Er hat das Leben selbst ans Licht gebracht. Wahres Leben hat seine Wurzel im Vertrauen, dass das Leben einen Sinn hat. Gott selbst ist der Grund des Vertrauens und der Adressat unseres Vertrauens.

Liebe Gemeinde, nun ist es ja so, dass ich das alles sagen kann. Damit allein, dass ich wie Paulus feststelle, was Gott für uns tut, stellt sich nicht automatisch Vertrauen und Glaube her. Denn Vertrauen ist ein Gefühl, keine Erkenntnis. Es ist ein Geschenk, das Gott selbst in uns wirkt durch seinen Geist. Wir Erwachsenen neigen dazu, anders als das unmittelbare Gefühl eines Neugeborenen, Vertrauen zu verlernen. Da gibt es Sorgen und Ängste, eingebildete und tatsächliche. Erfahrungen im Leben, die scheinbar unser Grundvertrauen erschüttern und hier und da ganz in Frage stellen. Vielleicht können wir uns über den Umweg der Erkenntnis Vertrauen zurück erobern. Die Erkenntnis, das Wahrwerden, dass das Leben ein Wunder ist, dass es da eine Erde gibt, die uns trägt, auf der wir sicheren Schritts gehen können, dass es da Menschen gibt, die uns begegnen, die uns begleiten, dass diese Welt Schönheiten in sich trägt, die sich kein Mensch erdenken kann, dass unsere Zukunft offen ist auf Hoffnung hin. Solches innere Wandern durch das Wunder unseres Lebens wünsche ich uns, dass Gott in unseren Herzen mehr und mehr wieder das Vertrauen zu ihm hervorbringt. Nichts braucht uns schrecken, denn Jesus hat dem Tod die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gestellt durch das Evangelium. Es ist alles schon vollbracht, liebe Gemeinde, wir brauchen nur noch glauben! Amen.

Predigt 15. Sonntag nach Trinitatis 2010

Liebe Gemeinde,

der lapidare Satz: „Mach dir keine Sorgen!“ ist schnell dahin gesagt. Wenn das Kind auf Klassenfahrt ist, weit weg und kurz anruft: Mach dir keine Sorgen! Oder wenn ich jemandem Mut zusprechen will: „Mach dir keine Sorgen! Das wird schon werden!“ Und obwohl der Satz schnell dahin gesagt ist, beherzigen wir ihn selbst viel zu selten. Sorglosigkeit ist ein Traum für viele Menschen. Manch einer stellt sich dabei vielleicht vor, im Lotto zu gewinnen. Endlich soviel Geld haben, dass ich mir keine Sorgen mehr machen muss. Ist das tatsächlich so? Kann uns das Geld vor Unglück schützen? Haben nicht vielmehr die meisten Lottomillionäre ihr Geld innerhalb weniger Monate durchgebracht und standen zuletzt mit weniger da als vorher. Mach dir keine Sorgen! Sorglosigkeit scheint unerreicht, denn es gibt wohl viele Gründe sich Sorgen zu machen. Jesus dagegen ruft zur Sorglosigkeit auf! Im Evangelium eben haben wir es gehört. Sehet die Vögel unter dem Himmel. Sie tun nichts weiter als umherfliegen, doch Gott ernährt sie. Seht die schönen Blumen auf dem Feld. Ihr Leben ist nur ein Hauch, von kurzer Dauer, und doch sind sie schöner, als alles, was der Mensch sich ausdenken kann, weil Gott sie schön gemacht hat. Wenn Gott schon die Vögel und Blumen versorgt, wie sehr dann seine geliebten Ebenbilder, die Menschen? Sorglosigkeit wird möglich, wenn man vertrauen kann. Wenn wir lernen, dem zu vertrauen, der uns geschaffen hat und erhält. Auch Gott sagt uns zu: „Mach dir keine Sorgen!“. Wem sollten wir dieses Wort sonst abnehmen, wenn nicht ihm, dem Ewigen und König aller Könige. „Alle Sorge werft auf Gott, denn er wird für euch sorgen!“ Das ist unser Wort der Woche und es entstammt dem Predigttext für heute. Wir lesen im 1. Petrusbrief, Kapitel 5:

„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher, wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass eben dieselben Leiden über eure Brüder (und Schwestern) in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“

Liebe Gemeinde, wir merken, da steht noch mehr drin, als nur die Aufforderung, sich nicht zu sorgen und zu ängstigen. Wie kann das funktionieren, sich nicht sorgen und ängstigen? Ist es ein psychologischer Trick, eine Art Verdrängung dessen, was uns bedrückt? Ich denke, im ersten Petrusbrief wird deutlich, dass es um eine innere Haltung zur Welt geht. Der christliche Glaube ist keine Lebensweisheit, sondern eine Lebenspraxis. Und da hören wir als Schlagwort die Demut. Die Demut ist die Tugend, die anzustreben ist. „Aber den Demütigen gibt Gott Gnade.“ Nun tun wir uns gerade mit diesem Wort sehr schwer. Es hat immer den Beigeschmack der Demütigung. Demut klingt nach Knechtschaft. Deutlicher jedoch, was mit Demut gemeint ist, wird es, wenn wir das Gegenüber dazu sehen – den Hochmut. Bei Hochmut und Demut geht es letztlich um die Frage, wer ist der Herr im Ring der Welt und des Lebens – Gott oder wir selbst? Der Hochmut ist konzentriert auf sich selbst, er lässt kaum Platz für andere neben sich. Der Hochmütige meint, Herr seines Lebens zu sein. Demut dagegen sieht die Dinge klarer – Gott bleibt Gott und der Mensch ist Mensch, nicht mehr aber eben auch nicht weniger. Die Demut ist in der Lage, auch den Anderen neben sich in seinem Anderssein zu akzeptieren. Wir würden heute statt von Demut eher von sozialer Kompetenz reden, also der Fähigkeit, mit anderen Menschen friedlich zusammen zu leben. Doch geht der Petrusbrief noch weiter: Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes! Mit anderen Worten: Erkennt, wer euer Herr ist! Das ist nicht einfach nur Unterwerfung unter die Macht eines kalten und unberechenbaren Schicksals. Es ist das Vertrauen darauf, dass dieser unser Gott die Welt und unser Leben liebevoll in seiner Hand hält. Das heißt aber nicht, dass immer nur alles nach Plan läuft oder so, wie wir uns das Leben vorstellen, mit dem Lottogewinn und der Illusion von Sorglosigkeit. Die gewaltige Hand Gottes ist letztlich nicht berechenbar und doch dürfen wir vertrauen, dass Gott uns in Liebe zugewandt ist, auch wenn manches Leiden und manches Schicksalhafte unsere Wege begleitet. Demut also ist die Haltung, die Gott wirklich Gott sein lässt, und sich selbst als Mensch in dieser Liebe, unter dieser gewaltigen Hand Gottes gehalten und bestimmt weiß. In dieser Demut wird verständlich, wie es mit unseren Sorgen und Ängsten bestellt ist und warum wir sie auf Gott werfen können. Er sorgt für uns, selbst da, wo wir an unsere Grenzen stoßen. Unser Leben ist jetzt schon sinnvoll, denn Gott hat es so gewollt und führt es zum Ziel. Solches Gottvertrauen kann uns helfen bei unseren Sorgen und Nöten, von denen es reichlich geben mag. Doch hat solches Gottvertrauen auch viele unsichtbare Widersacher. „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“ Die Kräfte, die sich der Demut und dem Gottvertrauen entgegenstellen, würden wir wohl heute nicht mehr als Teufel bezeichnen und doch sind sie genau das, Widersacher gegen ein Leben mit Gott. Nehmen wir allein die Medien, die es trefflich verstehen, Ängste und Sorgen erst zu wecken. Wissenschaftssendungen oder Spielfilme im Fernsehen über Naturkatastrophen, wachsende Kriminalität. Andere Kräfte, die uns weismachen, es läge nur an uns, wie erfolgreich wir sind in Beruf, Freizeit und Partnerschaft. Denken wir an Schule und Wirtschaft, wo es um immer mehr Leistung geht. Oder die unausgesprochenen Maßstäbe an Status, Schönheit und Wohlstand, die so fest in unseren Köpfen verankert sind. Das alles kann Angst und Sorge machen und tut es täglich. Muss es aber nicht, liebe Gemeinde! Widersteht diesen Teufeln! Bleibt fest im Glauben, im Vertrauen auf Gott, der euch auch liebt, wenn ihr nicht wie Heidi Klum ausseht oder so viel Schotter habt wie Bill Gates. Lasst euch von den Sorgen nicht knechten. Was wird denn aus unserem Leben, wenn wir stets und ständig in Angst leben vor Terroranschlägen, vor Verlust, vor Leistungsdruck und so weiter? Ein Leben in Angst und Sorge ist Stillstand, ist beklemmend und verdient den Namen Leben nicht. Freilich werden wir immer Ängste und Sorgen haben, doch dürfen sie nicht vor das Vertrauen treten, dass wir zu Gott haben dürfen. Der befreit uns zum Leben. Der wird uns verherrlichen zu seiner Zeit. Der wird uns schon in diesem Leben aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Er hat Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit, nicht die Werbung, nicht der Konsum, nicht die Meinungsmacher aus Wirtschaft und Politik. Gott hat Macht. Ihm zu vertrauen ist wichtig. Denn es befreit uns von Sorge und Angst und lässt uns als das leben, was wir sind, geliebte Kinder des Ewigen. Zu diesem Vertrauen befähige uns der ewige Gott durch seinen Heiligen Geist. Amen.

Mittwoch, 6. Januar 2010

Predigt Heilig Abend 2009

Liebe Gemeinde,

erlauben Sie mir eine provokante Frage vorneweg: Warum sind Sie heute hierher gekommen? Die meisten Gesichter sehe ich in dieser Kirche nur heute Abend. Vielleicht würden Sie antworten: Weil das halt zu Weihnachten dazu gehört! Und tatsächlich, sie hätten recht: Denn Weihnachten ohne das Jesuskind ist wie ein Stuhl ohne Beine, zu nichts zu gebrauchen, sinnlos! Was ist es aber, dass uns alle Jahre wieder zusammen führt? Ich möchte es barmherzig so verstehen: Weihnachten ist wie eine Heimat. Ein Haltepunkt, eine Art Ort, der mir Sicherheit gibt in einer Welt, in der nichts sicher scheint. Vielleicht denken Sie, die alten Texte, diese Geschichte von Jesu Geburt, die ärmliche Krippe, die Hirten, der Engel, das alles hat nicht wirklich etwas mit mir zu tun. Aber irgendwie ist es doch schön, anrührend, erinnert mich an frühere Zeiten, als Weihnachten in Ihrer Erinnerung noch richtig Weihnachten war. Was treibt uns in die Kirche am Heiligen Abend? Ich unterstelle einfach mal, dass da tief in Ihnen eine Sehnsucht tickt, eine Sehnsucht, die wir alle teilen: die Sehnsucht nach der heilen Welt, eine Welt, die Sinn macht. Eine Welt, die nicht nur oberflächlich vor sich hin plätschert. Für diesen Abend soll alles gut sein! Alles ist gut! Sie erinnern sich an den Anfang unseres Gottesdienstes? Doch ist tatsächlich alles gut? Wo komme ich jetzt gerade her? Wochen von Vorbereitungen, Arbeit bis kurz vor den Feiertagen, gar heute noch. Vielleicht ein Streit wegen des Baums oder des Essens, wegen des bevorstehenden Besuchs. Ein Anderer feiert Weihnachten erstmals ohne einen geliebten Menschen, weil der Tod oder eine Trennung ihn oder sie von einem riss. Mancher ist krank oder geht in eine leere Wohnung zurück. Ganz zu schweigen von den Millionen in der Welt, die an diesem Heiligen Abend hungern oder verfolgt werden, die eingesperrt sind oder schwer krank, Menschen ohne Hoffnung und Licht am Ende des Tunnels. Wir brauchen gar nicht so weit weg gehen in unseren Gedanken, denn unsere Welt ist eine permanente Krise, im Großen wie im Kleinen. Die Sorge um den Arbeitsplatz, die Sorge um die eigene Gesundheit, die Sorge um das Wohl derer, die einem am nächsten stehen, Leistungsdruck für die, die Arbeit haben, sinnentleerte Monotonie für die, die scheinbar die Gesellschaft nicht mehr braucht. Das alles lässt uns nicht los. Vielleicht können Sie am heutigen Heiligabend loslassen. Für einen kurzen Moment die Sorgen Sorgen sein lassen. Ohne daran zu denken, was nach den Feiertagen kommt – die ganze Arbeit, die ganze Sorge, die Angst, der Druck, der triste Alltag? Weihnachten ist mächtig – darum sind Sie alle da. Die Welt ist Krise und Weihnachten ist Krisenfest. Krisenfest in eben der Mehrdeutigkeit des Wortes – ein Fest der Krise. Inmitten der Krise kommt Gott und wird einer von uns, er gibt sich uns zu erkennen. Jesus ist das lebendige Wort Gottes. Nichts war und ist seither, wie es war. Gott wohnte unter uns. Und: Weihnachten ist krisenfest, inmitten aller weltweiten und ganz persönlichen Krisen bleibt das große Weihnachtsgeheimnis unerschütterlich bestehen – es bleibt im Wechsel der Konzerne und Regierungen, es bleibt in Krankheit oder Sorge, in Freud und Leid. Weihnachten ist jedes Jahr und das nicht nur kalendarisch, sondern im ganz und gar wörtlichen Sinne: Gott ist da, er ist bei uns, denn euch ist heute der Heiland erschienen. Auf diese Weise, liebe Gemeinde, lese ich den Predigttext aus dem Titusbrief heute, der zunächst wenig weihnachtlich daher kommt: „Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken."

Bleiben wir beim ersten Satz, denn da steht schon alles: Es ist erschienen die Gnade Gottes allen Menschen. Das, liebe Gemeinde ist die große Botschaft der Weihnacht. Die Gnade Gottes ist keine Tugend, keine Idee und kein aufgeladener Begriff. Die Gnade Gottes kackt die Windeln voll, liebe Gemeinde. Die Gnade Gottes wird aller vier Stunden von ihrer Mutter gestillt. Die Gnade Gottes verpennt einfach die besten Stunden am Heiligabend. Gott wird ein Gott mit menschlichem Antlitz. Gott wird einer von uns – hungrig, kackend und schlafend. Er wird einer von uns. Er ist keine Schicksalmacht in den Sternen, der wir gewaltsam ausgeliefert wären. Sondern Gott teilt unsere Ängste und Sorgen, unsere Freuden und Glücksgefühle. Gott wird einer zum Anfassen. Das ist das Wunder der Weihnacht. Eine Botschaft, die uns erst die Engel mitteilen müssen, weil wir es mit eigenen Augen nicht sehen könnten. Denn wer erwartet die Herrlichkeit Gottes in einem stinkenden und zugigen Holzverschlag, den wir noblerweise noch Stall nennen. Die heilsame Gnade Gottes ist erschienen allen Menschen. Gott will mich umarmen, wie ein kleines Baby seine Eltern umarmt, wie liebende Menschen einander umarmen, wie sich versöhnende Menschen einander umarmen. Er kommt mit offenen Armen, unschuldig und ehrlich wie ein kleines Kindlein. Er kommt und zeigt mir in Jesus, dass er auf meiner Seite ist. Und das Große an dieser Botschaft ist: diese Zuwendung Gottes gilt allen Menschen, nicht nur mir allein. Auch dem lieben Menschen, den ich heute vermisse, den Tod oder Umstände von mir entfernt haben, auch ihm oder ihr ist erschienen die Gnade Gottes. Das führt uns wieder zusammen. Auch dem Menschen, mit dem ich mich verstritten habe, auch ihm oder ihr ist erschienen die Gnade Gottes. Vielleicht lässt dieses Weihnachtswunder uns einander mit anderen Augen sehen lernen. Auch den vielen Menschen da draußen, in … oder in der weiten Welt, wie dreckig oder blendend es ihnen auch geht, auch ihnen ist die Gnade Gottes erschienen. Dem alle Engel dienen, wird ein Kind und Knecht. Und das aus lauter Liebe, damit wir ihn endlich erkennen. Das, liebe Gemeinde, ist Grund der weihnachtlichen Freude. Ich hoffte, dieses große Gefühl ist es, warum Sie heute Abend hierher gekommen sind, auch wenn sie es nur ahnungsweise fühlen. Die Sehnsucht steckt in uns allen, glauben Sie mir! Eine Sehnsucht, die vielfach verschüttet ist, weil die Erziehung gottloser Staaten uns leider zu dem machte, was wir sind. Gottes Gnade ist erschienen allen Menschen, ob Kirchenmitglied oder nicht. Dem in Jesus lebendigen Gott brauchen wir nur folgen, auf ihn können wir hören, denn er ist das wahre Wort, das uns frei macht, er ist das lebende Wort Gottes. Gott ist einer von uns, in Windeln gewickelt. Und er wirft sich selbst in die Waagschale für uns. In Weihnachten steckt die ganze große Geschichte der Liebe Gottes für uns schon drin. Gott kommt zur Welt, er wird wie wir, lebt und lacht wie wir, leidet und stirbt wie wir und zeigt uns die Wege darüber hinaus. Alles für uns. Aus lauter Liebe. Einfach so. Es ist erschienen die Gnade Gottes allen Menschen. Wenn das kein Grund zur Freude ist. Wenn das kein Grund ist, zu rufen: Alles ist gut! Amen.

Predigt Hörselgauer Kirmes 2009

Liebe Kirmesmädels und –burschen, liebe Festgemeinde,

ich freue mich jedes Jahr, dass in Hörselgau die Kirmes, ganz wie es sich gehört, in der Kirche ihren Anfang nimmt. Kirmes, die Kirchweih, das Erinnern daran, dass wir Gott einen sichtbaren Platz in unserer Mitte gegeben haben, unsere Vorfahren, und wir heute, die wir angehalten sind, das Ererbte zu pflegen und zu bewahren. Aus Freude darüber und im Gedächtnis an die Hörselgauer, die im Schweiße ihres Angesichts dieses Bauwerk errichteten, trinke ich wie in jedem Jahr einen guten Schluck aus der Hopfenblütenkaltschale … Prost. Es möge gelingen!

Liebe Gemeinde, für heute Abend habe ich eine Geschichte mitgebracht aus dem Alten Testament, dem ersten Teil unserer Bibel. Eine sehr alte und mystische Geschichte. Jakob ist auf der Flucht. Er flieht vor dem Zorn seines älteren Bruders, den er um den Segen seines Vaters betrogen hat. Er flieht und ist allein. Die Nacht kommt. Keine Hütte, kein Haus in Sicht. Er kommt an einen Hügel, legt sich die Steine zurecht, damit er Platz findet und legt sich schlafen. Im Traum sieht Jakob den Himmel offen. Eine Leiter verbindet diese Welt mit der anderen Welt Gottes. Auf dieser Leiter steigen Engel auf und ab. Gott selbst spricht zu Jakob im Traum und verheißt ihm: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“ Jakob erwacht und weiß, das war etwas Besonderes. Das geschieht mir nicht alle Tage, hier ist ein heiliger Ort. Er sagt: „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“ Er nimmt Steine und errichtet ein Mal, um diesen Ort zu kennzeichnen. Und Jakob gab dem Ort den Namen Bet-El, auf deutsch Haus Gottes.

Liebe Kirmesgemeinde, dies ist eine Geschichte, die uns erzählt, warum manche Orte heiliger sind als andere. Heilig bedeutet nichts anderes als herausgehoben, besonders, getrennt vom Alltäglichen. Menschen sind auf dem Weg. So wie Jakob auf dem Weg war. Einer, der auszog, um sein Glück, sein Leben zu suchen. Manchmal sind wir wie Jakob auf der Flucht. Unser Leben ist eine Suche, eine Flucht nach vorn. Wir suchen eine Arbeit, die uns satt machen kann, eine Familie, damit wir nicht alleine bleiben, Freunde, um Gemeinschaft zu haben, wir suchen letztlich auch nach uns selbst, wer wir sind und warum wir hier sind. Leben ist Bewegung, wir gehen einen Weg. Doch wie auf einer langen Wanderung brauchen wir Orte, um auszuruhen. Wir brauchen etwas, dass uns Halt gibt in der sich stets wandelnden Welt. Solch ein Ort ist Gott selbst, der, der immer der gleiche bleibt vom Anbeginn der Welt bis an das Ende der Zeit. Heilige Orte entstehen dort, wo Menschen Erfahrungen mit diesem ewigen Gott machen. So zeigt es uns Jakobs Geschichte. Er sieht den Himmel offen. Er sieht im Traum, dass es mehr gibt als seine Angst, als seine Flucht, sein Weg, von dem er nicht weiß, wohin die Reise gehen wird. Es gibt mehr als dich und das, was du sehen kannst. Und manchmal siehst du es im Traum, oder erahnst es in stillen Minuten. Gott ist da – das ist der Kern dieser Geschichte. Gott ist da, auch wenn du ihn nicht sehen kannst. Aber sein Himmel ist offen. Seine Engel sind seine liebenden Hände, die dafür sorgen, dass du behütet bleibst, dass wahr wird, was Gott dir verspricht. Er ist da und du brauchst keine Angst haben. Gehe deinen Weg, aber vergiss nicht, dass Gott mit dir geht, dass der Himmel über dir offen steht.

Diese Erfahrung macht den Ort der Erfahrung zu einem heiligen Ort. So oder ähnlich wird es an den vielen Orten gewesen, an denen in frühen Zeiten Kirchen gebaut wurden. Menschen machen Erfahrungen mit Gott. Sie fühlen sich bewahrt nach schweren Zeiten der Not und der Krise. Sie fühlen sich geliebt, weil ihnen Familie und eine Heimat geschenkt sind, sie machen in ihrer Mitte dem Platz, dem sie sich verdanken. Sie errichten ein Bet-El, ein Haus Gottes. Solch ein Ort ist unsere Bonifatiuskirche in Hörselgau auch, deren Kirchweih wir heute feiern, ein Haus Gottes. Gebaut nicht nur aus Steinen und Holz, sondern aus den Erfahrungen, die Menschen dieses Ortes mit Gott gemacht haben. Und dieser Bau ist noch lange nicht zu Ende. Auch unsere Erfahrungen mit Gott bauen weiter an dieser Kirche. Jedes Gebet, jeder Segen, der hier gesprochen wird, jedes Lied, jedes Fest füllt diesen Raum an mit unseren Erfahrungen vom Leben – unsere Klage und Sorgen genauso, wie unsere Freude und unser Dank. Dass es solch einen Ort gibt, wo wir in der langen Geschichte selbst eingereiht stehen, macht diesen Ort zu etwas Besonderem, etwas Heiligem.

Nun ist es ja so, dass Jakob seinen Bau nicht vollendet. Er zieht weiter. Doch bleibt der Ort seiner Begegnung mit Gott in seinem Herzen. Er hat sich vorgenommen, wieder zurück zu kehren, wenn er seinen Weg gegangen ist. Jakob sagt: „Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe, soll ein Gotteshaus werden.“ Viele Jahre später kehrt Jakob zurück. Er ist ein gemachter Mann, hat großen Besitz erwirtschaftet, eine große Familie, Vieh und Knechte. Er kehrt zurück und wiederum ist es eine Stätte der Begegnung mit dem Höchsten. Gott gibt Jakob einen neuen Namen. Israel soll er heißen, die Wurzel eines ganzen Volkes ist er geworden. Der Segen, das Mitgehen Gottes ist zu etwas Sichtbarem geworden. Keine Spur mehr von der Angst und dem Verlassensein auf der Flucht. Die Frage: Wie wird es weitergehen?, hat Gott selbst beantwortet mit all dem, was er Jakob an Gutem angedeihen ließ. Wer die Jakobsgeschichte kennt, der weiß, dass dies kein leichter Weg war, sondern steinig und schwer. Es fällt uns nichts in den Schoß, sondern wir müssen uns manchmal abstrampeln. Und doch verheißt Gott, dass wir Lohn empfangen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint. Dass er da ist, auch wenn wir in Zeiten von Trübsal und Sorge meinen, da wäre nichts. Im Gegenteil, gerade da ist Gott uns am nächsten, zeigt er uns den Himmel zu sich offen.

Wenn wir Kirchweih feiern an diesem Wochenende, dann feiern wir mit Dank nicht einfach ein Gebäude, sondern das Geheimnis, dass Gott gegenwärtig ist, für uns Hörselgauer an diesem Ort, aber auch auf allen unseren Wegen, die wir gehen. Denn auch hier an diesem Ort, wird die Verheißung Gottes laut und deutlich ausgesprochen: Siehe, ich bin bei dir und behüte dich, wohin deine Wege dich auch führen. Dafür können wir freudig und dankbar sein. Gott segne unsere Kirche, die Gemeinschaft der Christen im Ort und der Region, er lass uns spüren, dass er mit geht. Er lasse uns alle immer wieder zurück kehren an die Stätten, die ihm geheiligt heißen. Konkret an diesen Ort. Dahin, wo unser Erleben und Erleiden durch Gott gestärkt und aufgerichtet wird. Wo wir Kraft und Segen erfahren für alles, was vor uns liegt. Im Herzen dürfen wir spüren, dass Gott da ist, an jedem Ort. Amen.

Mittwoch, 29. April 2009

Predigt zur Konfirmation an Misericordias Domini, 26. April 2009

Liebe Konfirmandinnen, liebe Gemeinde,

welche Wege gehen wir? Und welche Wege werdet ihr einmal gehen? Wenn in früheren Zeiten Konfirmation gefeiert wurde, so war es der krönende Abschluss der Schulzeit. Nach Ostern begann dann für die meisten der Weg in die Lehre, mancher ging fort von zu Hause, um zu lernen, zu arbeiten, kurzum auf eigenen Beinen durch das Leben zu gehen. Heute ist die Schulzeit länger, ihr habt noch Zeit, um euch vorzubereiten und zu wachsen, in eurem Wissen, in eurer Entwicklung, in der geborgenen Welt eures Elternhauses. Das ist gut so. Und doch ist dies heute euer Tag und er markiert den Beginn eines Neuen. Ihr werdet bald, euch immer weniger als Kind, sondern als Jugendliche auf dem Weg fühlen. Ihr tut es zumeist schon jetzt, wenn manche Dinge, die euch früher Spaß gemacht haben, heute eher peinlich sind. Welche Wege werdet ihr gehen? Wir als Gemeinde, zu der ihr ab dem heutigen Tag ganz eigenständig gehört, und wir als Angehörige und Familie von euch, beten und hoffen, dass ihr die richtigen Wege findet, die richtigen Entscheidungen für euch trefft. Was wir mit auf den Weg geben, ist Gottes Wort, aus dem Munde Jesu. Jesus hat einmal gesagt: „Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind es, die auf ihm hineingehen. Wie eng aber ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind es, die ihn finden. Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“ (Mt 7, 13-16a)

Liebe Gemeinde, liebe Konfirmanden, es macht einen Unterschied, ob ich mit 170 Sachen über eine dreispurige Autobahn im Leben fahre oder ob ich einen holprigen Feldweg fahre mit vielen Kurven, Schlaglöchern und schlechter Oberfläche. Auf den ersten Blick würden wir sicher die Autobahn vorziehen, denn wir kommen schnell von A nach B und müssen nicht um unsere Stoßdämpfer fürchten. Doch, was Jesu Bild sagen will, ist: So glatt, schnell und einfach ist das Leben nicht. Der einfache und bequeme Weg, er wird uns von den Wölfen im Schafspelz als Heil vor Augen geführt. 10 Kilo weniger in 30 Tagen, todsichere Aktienpakete, die das schnelle Geld versprechen, ewige Schönheit und Jugend, grenzenlose Mobilität und wenn etwas vor den Baum geht, schuld sind immer die anderen. Denn unsere Straße ist breit und hell. Wenn es eben immer so einfach wäre. Der Weg, der zum wahren Leben führt sieht anders aus. Da wird es manche Rückschläge geben, manche Abzweigung kommen, an denen wir uns entscheiden müssen, wie es weiter geht. Da gibt es dunkle Wegstrecken, wo wir das Licht einschalten müssen. Und letztlich werden wir älter, dann ist das schnelle Leben vorbei, und wir werden zurückschauen müssen und uns fragen, was war das jetzt nun mit meinem Leben. Was ist Bleibendes entstanden? Wenn ich auf der Autobahn fahre, rauscht alles an mir vorbei. Fahre ich den Schotterweg, so bleibt manche Erinnerung zurück. Eine Aufgabe im Leben, an der ich mir fast die Zähne ausgebissen hätte. Die Liebe, die ich gegeben habe, sie kommt vielfältig zu mir zurück.

Liebe Konfirmanden, ich will euch keine Angst machen. Aber es gehört zur Reife und dem Erwachsenwerden dazu, das Leben zu nehmen wie es ist. Und es ist gut, wenn man es sich nicht so einfach macht, wie die Werbung und die bunten Vorabendserien es uns vorgaukeln. Zum Erwachsenwerden gehört auch die Verantwortung. Denn es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung. Freiheit, die sich einfach nur nimmt, was sie braucht, zerstört den Anderen. Und zerstört letztlich sich selbst. Computer, Drogen, Gewalt, Alkohol, Verzweiflung, Selbstzweifel – Teufelskreise, vor denen niemand gefeit ist. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt. Wenige sind es, die ihn finden. Wenn ihr nun größer werdet, so fragt ihr auch danach, ob der Weg, den euch eure Eltern vorleben, der richtige ist. Auch das ist gut so und gehört zum Erwachsenwerden. Ihr habt schon jetzt ein gutes und gesundes Gespür dafür, dass das, was alle machen, nicht immer das Richtige sein muss. Der breite Weg ist es eben nicht, der zur Seligkeit führt. Wovon Jesus freilich auch redet, ist unser Weg mit Gott. Auch mit ihm kann man es sich nicht so einfach machen. Auch für ihn muss man sich immer wieder entscheiden, sich auf die Suche nach ihm machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es uns gerne leicht machen mit allem – auch mit Gott. Das mag eine Zeitlang gut gehen, ganz unbelastet eine scheinbare Freiheit zu genießen. Doch ist eine Welt ohne Gott, sind Menschen, deren Herz und Weltbild leer bleibt, eine große Gefahr für andere und für sich selbst. Ich denke, viele Probleme, die wir in unserer Welt haben, sind darauf zurückzuführen, dass wir uns selbst und nicht Gott zum Maßstab aller Dinge haben. Vieles liegt daran, dass wir nicht mutig genug angehen und anpacken, was uns stört, wo andere ungerecht behandelt werden. Weil wir eben lieber auf der Autobahn fahren, als die Steine aus dem Weg zu räumen, die auf dem Weg des Lebens liegen. So ist meine Botschaft, so ist Gottes Botschaft heute für euch dies: Macht es euch nicht zu einfach. Überlegt genau, welche Wege ihr geht und hütet euch vor der Lüge, die sich als Verheißung tarnt, hütet euch vor den Wölfen im Schafspelz. Davon gibt es viele. Geht euren Weg im Leben mit Bedacht, weicht nicht zurück, wenn es mal schwer vorangeht, tragt Verantwortung für euch und die Menschen, denen ihr begegnet. Seid wachsam und letztlich in allem getragen von Gott. Glaube und Vertrauen auf Gott scheinen wenig up to date zu sein. Vielleicht vergleicht ihr euch mit anderen, die nicht an Gott glauben und denkt, so ginge es auch. Doch denkt daran, der leichtere Weg ist nicht der bessere. Euer Glauben wird euch letztlich helfen können. Gott kann euer Airbag sein auf der steinigen Straße, das Licht der Scheinwerfer auf den dunklen Wegstrecken, das Hinweisschild bei einer Weggabelung und schließlich der Kraftstoff für eure Fahrt. So schließ sich der Kreis zu den Bibelversen, die ihr euch für euren Weg gewählt habt. „Die auf Gott vertrauen, kriegen immer wieder neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass laufen und nicht müde werden, dass sie gehen und nicht zusammen brechen.“ Und schließlich: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Wir sind da und gehen unsere Straße, und Gott ist da und geht in allem mit. Diese Erfahrung wünschen wir euch, diesen Segen wünschen wir euch. Etwas Größeres und Schöneres kann man nicht geben. Amen.