Mittwoch, 28. November 2007

Predigt zum Ewigkeitssonntag am 25.11.2007 in allen drei Orten - Mk 13, 31-37

Liebe Gemeinde,
an diesem Ewigkeitssonntag halten wir inne. Wir denken an die Verstorbenen des letzten Jahres. Das unvermeidliche Ende drängt sich uns auf. Dieses Innehalten führt uns das eigene Sterbenmüssen vor Augen, das eigene Ende. Und nicht nur dies: das Schicksal der Erde bewegt uns. Wie soll das alles weiter gehen? Das Öl wird knapp, die Polkappen schmelzen, das Klima spielt verrückt, Kriege, Terror. Kein Tag vergeht, an dem wir nicht Schreckliches zu hören oder über die Mattscheibe vor Augen geführt bekommen. Fanatiker, die sich in vollbesetzten Schulbussen in die Luft sprengen, verhungerte Kinder nicht nur in Afrika, sondern in unserem Land, in Schwerin, in Bremen, Thörey usw. Sind das die Vorzeichen für das Ende der Welt? Die Filmindustrie liefert uns jede Menge Filme über solche Endzeitphantasien: Day after tommorow, (Der Tag nach morgen) zeigt was passiert, wenn das Klima umkippt. Eine neue Eiszeit, lebensfeindlich und bizarr. Oder gestern lief der Film im Fernsehen: „The day after“ (Der Tag danach), der die atomare Katastrophe zum Thema hatte. Ich könnte sicher noch viele Filme nennen. Alles hat einmal ein Ende. Und wenn wir heute zurückblicken nicht nur auf das, was uns persönlich bewegt, sondern auf den Lauf der Geschichte, so sehen wir: viele bedeutende Dinge haben irgendwann aufgehört zu existieren. Mächte und Gewalten, ganze Kulturen kamen, siegten und verschwanden wieder spurlos im Nichts. Maximal ein paar Trümmer und Scherben zeugen noch von großen Vergangenheiten. Was bleibt, wenn nichts mehr fest ist, wenn alles irgendwann an ein Ende kommt? Der Sozialstaat, eine Beziehung, ein Betreib, der sich auflöst, ein lieber Mensch, der stirbt, wenn ich einmal selbst gehen muss. Was bleibt bestehen? Darauf gibt Jesus in unserem Predigttext eine Antwort. Im Markusevangelium sagt er zu seinen Jüngern:

„Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater. Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er solle wachen; so wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!“

Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Da kann man einwenden, was sind schon Worte? Welche Bedeutung haben Worte, wenn nichts mehr da ist, wenn vielleicht niemand sie hört? Jesus ermutigt seine Jünger, zu glauben gegen alle Erfahrung, die gegen die Hoffnung spricht. Und wenn Jesus seine Jünger ermutigt, so meint er auch uns. Er sagt es ja: Was ich euch sage, das sage ich allen: Wachet! Kurz zuvor schilderte er schreckliche Bilder kommender Katastrophen, die Zerstörung des Tempels, die Verfolgung der Christen, die Kriegsherde und Verwüstungen, kurz gesagt: die große Bedrängnis. Wer zweifelt nicht an der Güte Gottes und seiner Schöpfung, wenn ihm Schreckliches widerfährt oder erlebt? Das Festhalten an der Hoffnung, dass das Gute und Richtige siegen wird, ist in solchen Momenten besonders schwer. Wer trauert, für den kann eine persönliche Welt zusammen gebrochen sein. Wer in die Welt sieht, nimmt wahr, dass auch der Bestand der Welt stets gefährdet ist. Jesus sagt dazu ganz trocken: Das ist so, da gibt es nichts zu beschönigen: Himmel und Erde werden vergehen. Das ist eine Bestandsaufnahme, eine Tatsache, an der wir nicht vorbei können. Spätestens wenn wir sterben, wird unsere persönliche Welt, unsere Beziehungen, unser sinnliches Erleben, unser Leib verschwunden sein. Doch wenn Jesus davon spricht, dass seine Worte nicht vergehen, so meint das nicht eine Spruchsammlung, die feuerfest in einem Safe den Untergang der Welt übersteht. Wenn Jesus von seinen Worten redet, dann ist das der Hinweis auf Gott. Jesus bürgt mit seinen Worten, seinen Taten, seinem Leben und Auferstehen dafür, dass dieser Gott bleiben wird. Wir vergehen, die Schöpfung mag vergehen, doch nicht der Schöpfer selbst. Wir kommen und gehen, doch einer bleibt, der vor uns war, der mit uns ging und der auch nach uns sein wird. Die nüchterne Feststellung des Endes verweist uns auf einen größeren Horizont, der unser Vorstellen übersteigt. Der Himmel, der jetzt ist, ist nicht der Himmel der kommen wird. Die Erde, die jetzt ist, ist nicht die Erde, die kommen wird. Kann das ein Trost sein, etwas, dass sich unserer Vorstellung entzieht? Das ist die Herausforderung an den Glauben. Gegen allen Schmerz, gegen alle Angst, gegen alle Erfahrungen und Analysen zu glauben, dass Gott allem seinen Sinn geben wird, dass alle und alles geborgen ist in dem einen großen Geheimnis der Welt. Dass nichts und niemand verloren geht, sondern in Gottes Hand bleibt. Glauben als Strategie gegen erdrückende Erfahrungen. Doch wenn die Welt vergeht, ist dann nicht alles umsonst, was wir auch tun? Wir können es sowieso nicht aufhalten! Was nützt es, dass ich weniger Auto fahre, die Klimakatastrophe kann ich allein damit nicht aufhalten! Was nützt es, keine Waffe in die Hand zu nehmen, wenn es immer noch genügend andere gibt, die sich gegenseitig töten, sei es im Krieg oder in der Nachbarschaft. Was nützt es, Medikamente gegen Seuchen zu produzieren, wenn die, die es bräuchten, kein Geld dafür haben es zu kaufen? Heißt das Hände in den Schoß legen – der Untergang kommt sowieso? Jesus sagt, genau das Gegenteil ist richtig. Wachsam sollen wir sein! Aufmerksam durch unser Leben gehen! Jesus malt es uns vor Augen mit einem Bild eines Hausherrn, der weggeht und die Arbeit verteilt. Niemand weiß, wann er wieder kommt. Doch was wäre, wenn er käme und die Arbeit wäre liegen geblieben? Sicher würden die Knechte in hohem Bogen vor die Tür gesetzt. Wachsam sollen wir also sein, die Dinge, die uns aufgetragen sind, erledigen. Wir sollen so leben, als wäre jetzt schon Gottes Herrlichkeit vor unserer Tür, so, als könne jeden Moment die neue Welt hereinbrechen. Von Martin Luther ist ja ein Wort überliefert, das diesen christlichen Lebensauftrag ganz plastisch beschriebt: „Wenn morgen die Welt unterginge, so würde ich noch heute einen Apfelbaum pflanzen!“ Glaube widersetzt sich den düsteren Erfahrungen. Der Glaube lässt sich nicht einschüchtern oder herabziehen in den Strudel der Hoffnungs- und Sinnlosigkeit. Denn der Glaube sieht den größeren Horizont, der sich auftut über uns – die Ewigkeit. Auch das Pflanzen eines Apfelbaums macht in dieser Sicht der Welt einen Sinn, selbst wenn er morgen nicht mehr stünde. Auch das Bemühen, Gutes zu tun, ist nie umsonst. Denn Gott gibt allem den Sinn. Was aber, wenn Gott uns schlafend findet, wenn seine neue Welt anbricht? Unfähig etwas zu tun, verkümmert in unserer Hoffnung, nicht mehr auf ihn wartend? Wachsam sein, aktiv gegen das Zerstörerische und Bedrohliche stehen, arbeiten, leben und lieben, wachen – das ist Leben im Licht der Ewigkeit.

Wachsamkeit hat für mich noch eine andere Bedeutung. Seien wir wachsam für Gott. Wir werden seine Spuren in unserem Leben entdecken, wenn wir wachsam sind, Augen und Ohren und besonders unsere Herzen öffnen für Gottes Wandeln und Wirken. Gott begegnet uns. Doch sind wir wachsam genug für ihn? Gott kommt uns entgegen in anderen Menschen, die es gut mit uns meinen, er kommt zu mir nach seinem Zeitplan, nicht nach meinem. So kann ich den Trost nach einer Trauerzeit als ein Zumirkommen Gottes erfahren. Oder die netten Worte, die mir ein Fremder sagt. Gott kommt mir in seinem Sohn Jesus entgegen, der für mich gestorben ist und auferstanden ist, der mit seinen Worten und mit seiner Liebe die Welt ein für allemal verändert hat. Der Gott, der in Jesus das Tor zum größeren Horizont aufgetan hat. Ewigkeit ist nicht einfach eine unendliche Zeit, sondern die Nahtstellen der Ewigkeit zeigen sich in unser aller Leben. Und vielleicht sind es manchmal die Zeiten der Bedrängnis, der Angst und des Zweifels, in denen uns Gott näher ist, als in unseren glücklichen Momenten. Ich wünsche uns solche Wachsamkeit für Gott. Ich wünsche uns den hoffnungsvollen Blick auf diese Welt, das Wissen, dass wir der Vollendung entgegengehen, der neuen Welt, in der wir uns einmal alle wieder sehen werden – die Lebenden und die Toten. Nichts und niemand wird vergessen sein bei Gott. Himmel und Erde mögen vergehen, doch Gott bleibt und hält die Zukunft für uns offen! Das stärke und bewahre uns auf unseren Wegen! Amen.

Predigt zum Buß- und Bettag am 21.11.2007 in Fröttstädt - Lk 13, 22-30

Liebe Gemeinde,
warum brauchen wir einen Buß- und Bettag? Als wir eben in der Stille, jeder für sich überlegt haben, was möglicherweise nicht ganz glücklich in unserem täglichen Tun und Lassen ist, da ist manchem vielleicht gar nicht recht bewusst, was er vor Gott bringen soll. Sind wir denn so böse, dass wir stets und ständig um Gnade und Vergebung bitten müssen? Darauf gibt es zwei Antworten, eigentlich drei. Nein, denn wir tun unser Bestes und bemühen uns nach Gottes Spielregeln zu leben. Ja, denn niemand ist gut als Gott allein. All unser Mühen wird immer wieder auch an unseren eigenen Grenzen und Bedürfnissen scheitern. Es gibt keine Vollkommenheit in dieser Welt. Und die dritte Antwort ist eigentlich keine, denn sie sieht nicht die Notwendigkeit, sich in seinem Tun zu rechtfertigen. Das ist leider die Antwort vieler Menschen in unserer Zeit. Darum hat es die Buße und die Erkenntnis der Sünde so schwer in unseren Tagen, Gehör und Verständnis zu bekommen.

Buße – ist ein altertümliches Wort und manche unserer Zeitgenossen verbinden damit etwas, was längst abgetan scheint. Und in der Tat ist viele Jahrhunderte hindurch das Bußwesen missbraucht worden, um die Menschen klein und niedrig zu halten. Es ist gebraucht worden, um Ängste zu schüren vor dem Zorn Gottes, vor der Strafe und dem Ausschluss aus dem Heil, das Gott der Welt und den Menschen seiner Gnade verheißen hat. Luther hat sich gegen diesen Missbrauch gewandt, der absonderliche Blüten trieb. Buße als Bezahlung in barer Münze. Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt. In seinen berühmten 95 Thesen hatte Luther nur dieses eine Thema: die Buße. Aber nicht die Buße selbst war ein Problem für ihn, im Gegenteil. Seine erste These lautete: Das ganze Leben eines Christenmenschen sei Buße. Damit hob Luther das wider auf den Schild, was auch das wichtigste Anliegen Jesu war. Jesu erste Botschaft, die wir in den Evangelien hören ist: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Vielleicht hilft es uns, die Buße wieder für uns lebendig zu machen, wenn wir Buße mit einem anderen Wort übersetzen, nämlich so wie es der griechische Wortlaut eigentlich sagt: metanoia – Umkehr. Unser ganzes Leben sei eine Umkehr, ein ständiger Prozess, eine Bewegung, kein Darniederliegen im Staub, sondern eine Bewegung des Lebens und Fühlens zurück zu unserem Ursprung zu Gott. Jeder Tag hält die Möglichkeit der Umkehr bereit, jeder Tag also kann ein Bußtag sein.

Die Notwendigkeit zur Umkehr, die Wachsamkeit für das Kommen des ewigen Reiches ist auch Thema des heutigen Predigttextes aus dem Lukasevangelium:
„Und Jesus ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden es nicht können.
Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf! Dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht, wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unseren Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“

Wort des lebendigen Gottes. Das ist ein hartes Wort, das Jesus dem Fragenden zurückgibt. Bei allem Versuch diese Worte zu glätten: Es gibt ein zu spät für die Vergebung Gottes! Es werden viele ausgeschlossen sein, die vor den Türen stehen bleiben müssen, wenn das himmlische Festmahl stattfindet. Ist das der liebende Gott, der uns Vergebung zusagt? Ist das nicht eher der Gott, mit dem die Menschen klein gehalten wurden? Er ist es und ist es nicht! Was Umkehr bedeutet, hören wir, als Jesus sagt: Dann werdet ihr sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unseren Straßen hast du gelehrt. Mit anderen Worten: Du bist doch ganz nah bei uns gewesen, hast uns essen und trinken gesehen, wir haben gehört, was du uns sagst. Wenn Jesus dann antworten wird: Ich kenne euch nicht, so wird deutlich: Was nutzt es, dass ihr mit mir gegessen und getrunken habt, dass ihr mit mir reden konntet, dass ihr mit euren Ohren gehört habt, was ich euch zu sagen hatte. Was nutzt das alles, wenn sich nichts für euch ändert? Denn ich spreche nicht zu euren Ohren, sondern euer Herz will ich erreichen! Dort ist aber kein Platz für mich und Gottes Wort, denn ihr esst und trinkt, als wäre nichts geschehen. In der Frage derer, die an Gottes Tür klopfen, ist nichts von Einsicht oder Umkehr zu hören, darum kennt Gott sie nicht und lässt sie nicht zu sich.

Es reicht also nicht aus, Jesu Worte zu hören, sondern sie wollen zu unseren Herzen sprechen, und dort etwas verändern. Sie rufen uns auf, abzulegen, was uns daran hindert, Gerechtigkeit zu üben, barmherzig zu sein, Gott und den Nächsten zu lieben. Wenn in unserem Text von der engen Pforte geredet wird, so heißt das nicht, dass wir zehn Kilo abnehmen müssen, um ins Reich Gottes zu kommen. Sondern wir sollen so zu Gott kommen wie wir sind, nicht so wie wir uns gerne hätten oder die Gesellschaft. Sondern ganz und gar entschlackt von allem, dass macht, dass wir um uns selbst kreisen. Mein Auto, mein Haus, mein Pferd, das alles macht uns nicht besser oder anders vor Gott. Unser Herz muss in der Lage sein, innerlich davon unabhängig zu sein – ganz und gar verbunden mit dem, der uns so gewollt hat, wie wir sind. Diese Verbindung ist nicht einfach da. Es ist ein Kampf, ein Prozess, wie eben Luther sagte: Das ganze Leben soll Buße also Umkehr sein. Und Jesus sagt es auch in unserem Bibelwort für heute: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht, was auch übersetzt werden kann mit: Kämpft darum!

Dieses Jesuswort ist auch eine Mahnung gegen die Selbstsicherheit. Gott will uns verwandeln, nicht erst in einer unbestimmten Zukunft, in einer Ewigkeit, von der wir uns nur bruchstückhaft eine Vorstellung machen können. Er will uns hier und jetzt verwandeln. Wo Gottes Wort zu Herzen geht, da verändert sich etwas. Da werden Dinge möglich, die sonst unmöglich scheinen, da werden kleine und große Wunder wahr. In der Hingabe des Herzens zu Gott liegt die Umkehr, die Veränderung, die stets und ständig nötig ist.

Wo Jesu Wort auf fruchtbaren Boden fiel, da standen Lahme auf und gingen, da wurden Blinden die Augen geöffnet, da ließen Fischer ihre Netze liegen und folgten ihm. Das klingt manchmal ein bisschen wie ein Märchen und es ist eben dieses Bild einer Umkehr, einer sich verändernden Welt, die so gar nicht in unsere Zeit zu passen scheint. Doch schon zu Jesu Zeiten war es so, dass es wenig up to date war, etwas zu ändern, wenn es auf den ersten Blick nicht geboten scheint. Da wurde weiter gemacht nach altbewährter Weise. Und Jesu Wort verhallte und kam nicht ans innerste der Menschen.

Sich ganz ausrichten auf Gott, umkehren, sich berühren und anrühren lassen von Jesu heilenden Worten, das heißt auch, dem Herzen eine Gestalt nach außen zu geben, das heißt handeln und tun in Gottes Sinne, sich ganz als Geschöpf zu sehen, das angewiesen ist auf Gott, ablegen, was uns Angst macht, zu erkennen, wo Bedarf ist, etwas besser zu machen, aus Fehlern zu lernen, neue Wege zu gehen. Das ist echte Umkehr und Buße. Das hat nichts mit kleinmachen zu tun, sondern ruft uns erst zu der Freiheit, zu der wahren Freiheit, zu der Gott uns bestimmt hat. Wenn wir jetzt Abendmahl feiern ist es eine Vorwegnahme des himmlischen Festmahles, zu dem wir geladen sind. Mögen wir unsere Herzen öffnen für diese Möglichkeit neu anzufangen. Mit geöffneten Herzen ist dann auch der zornige und strafende Gott der, der begnadigt und heilt, wer sich ihm anvertraut. In Jesus offenbart sich Gott als der Liebende, wir müssen nur mit den Herzen und nicht nur mit den Ohren hören. Amen.

Predigt zum Volkstrauertag am 18.11.2007 in Hörselgau - Mt 16, 1-4

Liebe Gemeinde,
ein Sprichwort sagt: Irren ist menschlich. Wenn wir uns das Leben als einen Weg vorstellen durch ein Gebiet, dass uns manchmal bekannt ist aber zumeist unbekannt, so wird schnell deutlich, dass wir oft vor der Wahl stehen, in welche Richtung es weiter gehen soll. Da kann es schon mal vorkommen, dass wir vom eigentlichen weg abkommen, uns verzetteln oder verlaufen im tiefen Wald des Unbekannten. Irren ist menschlich, doch ist es wichtig, einen Irrtum auch einzugestehen. Wer irrt, kann umkehren zurück zur Wahrheit, zurück auf den richtigen Weg treten, da wo wir festen Boden unter den Füßen haben und den Weg wieder vor uns sehen.

Wenn es heißt, irren ist menschlich, heißt das auch: wir machen alle einmal Fehler, ich genauso wie mein Nachbar, die Freunde, wir alle. Manchmal kann ein Fehler uns weiter bringen, nämlich dann, wenn wir aus ihm lernen und wieder neu anfangen. Wer hat nicht schon einmal eine Versicherung abgeschlossen und wurde dann enttäuscht, wenn es an den Ausgleich ging. Er wird das nächste Mal genauer auf das Kleingedruckte achten oder die richtigen Fragen stellen. Wer bereut es nicht ab und an, wenn er mit seiner schlechten Laune morgens aufsteht und der Hausfrieden schief hängt oder die Arbeitskollegen einem aus dem Weg gehen, weil man ungenießbar ist. Wer bereut nicht den Streit, den er wegen einer Lapalie mit seinem besten Freund angefangen hat und danach nichts mehr so ist, wie es vorher einmal war? Wir Menschen machen Fehler, irren uns, manche verrennen sich gar und bleiben in Sackgassen stecken. Wie gut ist es da, wenn wir wieder zurück können. Manchmal geht das nicht mehr – das Zurück gehen. Wenn man die Zeit zurück drehen möchte.

Gott kennt unsere Fehler und Schwächen, unsere Ängste und Sorgen, die wir meist heimlich mit uns herumschleppen. Was wir nicht wieder hinkriegen, dürfen wir in seine Hand legen. Dazu aber ist es nötig, dass wir Vergebung und Neuanfang wirklich wollen.

Der Prophet Jeremia sah sich zu seiner Zeit seinem eigenen Volk gegenüber gestellt, ein Volk, das völlig in die Irre gegangen war, ein Volk, dass sich von Gottes guten Wegen verabschiedet hatte, dass einer großen Katastrophe entgegen ging und nicht begriff, dass sein Weg ins Verderben führt. Im 8. Kapitel soll der Prophet dem Volk von Gott folgendes an den Kopf werfen:

„So spricht der HERR: Wo ist jemand, der, wenn er fällt, nicht gern wieder aufstehen würde? Wo ist jemand, der, wenn er in die Irre geht, nicht gern wieder auf den richtigen Weg käme? Warum will dieses Volk zu Jerusalem irregehen immer und immer wieder? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen. Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemanden, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Taube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.“

Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, diese Worte, vor 2600 Jahren geschrieben, sie hätten auch von gestern stammen können. Ein Volk, ein ganzes Land geht in die Irre. Das ist schon eine ziemlich schwere Ansage. Doch spricht Gott hier auch in unsere Zeit hinein. Wenn wir uns umsehen, so haben viele Menschen in unserer Region gar kein Verhältnis mehr zu ihrer Lebensgrundlage, zu Gott. Viele Menschen gehen in die Irre und meinen ihr Seelenheil am verkaufsoffenen Sonntag im Laden oder zweimal die Woche bei ALDI am Schnäppchentag zu erreichen. Wir lassen uns von selbsternannten Sterndeutern sagen, was wir hören wollen. Wir glauben das, was uns das Fernsehen vorgaukelt. Unser Drang nach Geld und Glück kennt kein Maß, wir gehen mit ausgefahrenen Ellenbogen durch die Welt und werden unglücklich, wenn wir es aus eigener Kraft nicht erreichen, weil die Arbeit nicht sicher ist, weil die Familie zerbricht, weil nicht klar, wohin die Reise eigentlich gehen soll.

Ich habe mit Absicht „Wir“ gesagt, weil ich den erhobenen Zeigefinger nicht mag. Auch ich mache Fehler und gehe in die Irre, wie wir alle, doch weiß ich, wo und wie ich zurückkomme auf die gerade Bahn und das ist Gott selbst, dem ich mich anvertrauen kann. Es ist Gottes Wort, dass mir die Orientierung vorgibt, wenn ich es ernst nehme. Was passiert, wenn ganze Landstriche gottlos werden, liegt doch auf der Hand: Es ist nicht mehr klar, was gut und was böse ist, wenn keiner mehr die zehn Gebote kennt, geschweige denn sie für das eigene Leben anwendet. Da legen junge Mütter ihre toten Babys in den Müll, anstatt sie zur Adoption freizugeben. Da wissen die Lehrer nicht mehr, wie sie den Kindern noch begegnen sollen, weil schon seit Generationen keine Werte und Hoffnungen mit auf den Weg gegeben werden. Da wird einer dem anderen zum Konkurrenten, bei der Suche nach Arbeit, bei der Verteilung der Sozialleistungen, des Geldes und Waren. Da beklagen wir den Abbau des Sozialstaates und haben selbst die Solidarität mit unserem Nächsten verlernt. Da ist es möglich, dass wir wegen der Spritpreise jammern und nicht mehr sehen, wie täglich eine Stadt so groß wie Gotha am Hunger verreckt.

Auch ich stöhne unter den Spritpreisen, doch wenn ich die Welt aus Gottes Blickwinkel sehen lerne, verstehe ich, wie gut es mir eigentlich geht. Ich erkenne, dass ich in die Irre gehe, wenn sich alles nur um mich und meinen Geldbeutel dreht. Gott sagt: Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was habe ich getan? Sie laufen alle ihren Lauf wie der Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Ein starkes Bild dieser Hengst, ein Tier, fremdbestimmt stürmt ohne Nachdenken in die Schlacht, in das Verderben. Gott bewahre uns, dass wir so gedankenlos in unser Unglück rennen und nicht nach links und rechts schauen! Ich denke, dass ist der Anspruch unseres Bibelwortes heute an uns. Das Bekennen der eigenen Fehler und der Mut zum Neuanfang, das möchte uns Gottes Wort auf den Weg geben. Nicht nur heute, sondern jeden Tag neu können wir neu anfangen. Besinnt euch auf den rechten Weg im Leben, da gibt es einen, der größer ist als wir, zu dem wir gehen können, an dessen Licht wir uns auf unseren Wegen ausrichten können, der alles zu einem guten Ziel und Ende führt. Wo wir Gott verlassen, da sind wir selbst verlassen. Denn was trägt mich denn, wenn mein Auto nicht mehr fährt, wenn mein Herz nicht mehr funktioniert, wenn ich meine Arbeit verliere, wenn mir das Hartz IV zum x-ten Male gekürzt wird, wenn meine Familie den Bach runtergeht, wenn ein lieber Mensch stirbt, wenn ich mich drehe und drehe und doch nicht vorankomme mit dem, was ich mir mal vorgestellt habe im Leben. Da helfen keine Schnäppchen, keine leeren Versprechungen, kein dickes Bankkonto, da hilft nur der, der all unser Vermögen übersteigt. Da hilft der, dessen Liebe uns erschaffen hat, der, der uns immer wieder sucht und findet, der, der unsere Herzen kennt und uns trotz aller Schuld immer wieder neu anfangen lässt. Das, liebe Gemeinde, ist der rechte Weg, der feste Boden unter den Füßen. Aus Fehlern lernen, zurückkehren, neu anfangen, aus der Sinnlosigkeit heraus das Ziel neu sehen lernen, das alles macht unser Leben heil und lässt es gelingen. Darum ist es gut, wenn wir heute unserer Gefallenen gedenken. Wir erinnern uns dabei nicht nur an das Leid der Familien sondern auch an die Schuld, die mit jedem Krieg auf den Menschen lastet. Das bringt uns dazu, nicht ziel- und gedankenlos durch unser Leben zu rennen, sondern inne zu halten und auch das, was nicht wieder gut zu machen ist, getrost in Gottes Hand zu geben. Denn es liegt nicht nur an uns, umzukehren, zugleich ist mit der Umkehr auch die Zusage verbunden, dass wer auf Gott vertraut, gerettet wird, dass Gott uns trägt und auch in Leid und Tod nicht aus seiner Hand gibt. Das gebe uns Kraft, Stärke und Hoffnung, die wir so dringend brauchen im Leben. Amen.

Montag, 29. Oktober 2007

Predigt am 28.10. 2007 in Hörselgau und Wahlwinkel - Joh 15, 9-17

Liebe Gemeinde,

dieser Sonntag ist etwas Besonderes im Leben unserer Gemeinde. Wir sind zusammen gekommen, weil heute gewählt wird. Wir treten als Gemeinde sichtbar auf – durch unsere Gemeinschaft im Gottesdienst, im Seniorenkreis, am Kindernachmittag, auf unseren Fahrten und Festen.

Die Gemeinde Gottes lebt davon, dass Menschen sich immer wieder rufen lassen in den Dienst Gottes, in die Gemeinschaft der Heiligen. Gerade in einer Zeit, in welcher der Glaube aus vielen Herzen verschwunden scheint. Einer Zeit, in der das Seelenheil im schnellen Geld oder in der Werbung gesucht wird. Einer Zeit, in der die Kirche an den Rand des Dorfes gedrängt wird, die wenigen Christen belächelt werden, die am Glauben der Vorväter und –mütter festhalten, in solcher Zeit ist es wie ein Wunder, ein Zeichen gegen die düstere Realität, wenn Menschen der Sinn- und Orientierungslosigkeit unserer unüberschaubaren Kultur, den frei machenden Glauben bekennen und mit ihrem Handeln Ausdruck verleihen. Da gibt´s nichts zu belächeln. Lächeln könnte man eher über den Halloween-Bären, den uns das Fernsehen aufgebunden hat. Gerade dies ein Zeichen dafür, wie orientierungslos die Menschen sind. Das wäre genauso, als wenn ich mir einen Turban aufsetzen würde und kein Schweinefleisch mehr esse, nur weil ProSieben oder Sat1 ein paar schöne Filme zum Islam ausgegraben hat.

Gerade in einer scheinbar gottlosen Epoche unseres Landes, ist das Christsein, ist gerade Engagement für die Kirchgemeinde vor Ort eine Herausforderung.

Dass sich Menschen zur Wahl stellen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen für die heilige Sache Gottes, das verdient Bewunderung und Respekt. Und es ist auch offensichtlich, dass unsere Wege als Gemeinde keine leichten sind.

Christsein bedeutet auch Kampf. Wer Verantwortung übernimmt, stößt auch an Grenzen, der geht vielleicht auch mal ein Risiko ein für die gute Sache. Für diesen Kampf für das Gute, für unser Engagement brauchen wir Kraft, jeder von uns, nicht nur die Kirchenältesten. Und Gott will uns diese Kraft geben, die wir brauchen.

Ich habe am Beginn des Gottesdienstes es schon gesagt. Unsere stärkste Waffe in diesem Kampf ist die Liebe. Doch ist gerade die Liebe nur dann möglich, wenn auch wir geliebt werden. Und Gott hat den Anfang gemacht. Seine Zuwendung ist der Anfang von allem, was ist – der Schöpfung, der Menschheit und in besonderer Weise der Gemeinden und Menschen, die ihm vertrauen und in seinem Namen leben, denken, und handeln. Von der Liebe spricht auch der Predigttext heute. Im Johannesevangelium im 15. Kapitel sagt Jesus zu seinen Jüngern in der Stunde seines Abschieds:

„Wie mich mein Vater geliebt hat, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er´s euch gebe. Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.“

Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, es sind zwei Gedanken, die ich aufgreifen möchte – zum einen die Liebe als Raum unserer Möglichkeiten, und zum anderen unsere Erwählung durch Gott, unser Stand als Freunde und Freundinnen Gottes.

Der Ausgangspunkt dieser Worte ist die Liebe, die Jesus von Gott empfängt. Die Liebe Gottes ist der Anfang. Sie verspürt Jesus mit ganzer Seele und Kraft und er gibt sie weiter, weil er gesandt ist, die Menschen damit anzustecken und frei zu machen. Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!

Ein großes Wort – in der Liebe bleiben. Vielleicht hilft es uns diese Liebe wie einen Raum vorzustellen. Ein Raum, in dem es sich gut leben lässt, wo wir uns geborgen fühlen und es warm ist. Ein Raum, in dem wir uns frei bewegen können und entfalten. Es ist mit Liebe mehr gemeint als die Schmetterlinge im Bauch beim ersten Kuss. Gottes Zuwendung ist der Anfang, auch sie ist mehr als ein Verliebtsein. Gott gibt sich ganz in diese Welt hinein durch Jesus, der unseren Tod starb um uns einen neuen Raum jenseits aller Tode zu eröffnen. Wir wollen in dieser Liebe bleiben, in diesem Schutzraum, der uns das Leben erst ermöglicht. Wo immer wir im Namen des Vaters und Sohnes und des Heiligen Geistes beginnen, sind wir eingeschlossen in dieses Kraftfeld der Liebe, im Gottesdienst, bei unseren Veranstaltungen, am Mittagstisch, in gefährlichen und bedrohlichen Situationen unseres Lebens, immer, wenn wir uns an Gott wenden, wie Jesus es vor uns tat. Bleibt in meiner Liebe!

Dieses Bleiben in der Liebe Gottes, die Leben erblühen lässt, führt mich zum zweiten Gedanken, zur Erwählung, unserer Erwählung als Freunde Gottes, im übrigen ganz passend zum Wahlsonntag, denn Erwählung kommt ja von Wahl. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, sagt Jesus. Er ist gekommen, um zu erwählen, die Menschen in das Kraftfeld der Liebe zu stellen. Er redet darüber, wer und wie Gott wirklich ist. In seinem Leben, seiner Zuwendung, seinen Worten redet er von Gottes Zuwendung. Gott bleibt zwar im Verborgenen, als das große Geheimnis der Welt, doch gibt er sich zu erkennen und zwar in Jesus.

Wir tappen nicht mehr im Dunkeln, müssen nicht schauerliche Opfer bringen, um dunkle Gottheiten zu besänftigen. Wir müssen keine böse Geister vertreiben oder wie bei Halloween nachäffen. Wir sind frei davon, weil Jesus uns den Vater im Himmel gezeigt hat, der uns liebt von Anfang an. Das ist ein Geschenk, liebe Gemeinde, diese Erwählung. Ein Geschenk, dass wir nicht ziellos umherirren müssen wie Suchende, dass wir uns nicht fürchten brauchen vor den Dingen, die uns in dieser Welt immer wieder auf die Füße fallen. Größer als der Helfer ist die Not ja nicht, heißt es in einem Lied.

Erwählung heißt auch, eingeweiht sein. Wir sind Freunde Gottes, nicht mehr Knechte dieser Welt. Wir sind eingeweiht in das Geheimnis, wenn gleich wir Gott nie zu fassen kriegen. Doch haben wir als Freunde Einblick in Gottes Wesen als vollkommene Liebe, durch Jesus, unseren Bruder und Freund.

Wer eingeweiht, wer erwählt ist, trägt aber auch Verantwortung. Es ist unsere Aufgabe, die Liebe, aus der wir leben, auch anderen zu geben. Wir bleiben in der Liebe, wenn wir uns untereinander lieben. Liebe ist nicht immer eitel Sonnenschein. Wer liebt, wird auch hin und wieder leiden an der Liebe. Das ist nicht nur in einer Partnerschaft so, das gilt auch für die Liebe zum Nächsten. Wer Menschen liebt, der wird leiden an den Ungerechtigkeiten dieser Zeit, der wird vielleicht Tränen vergießen, wenn seine Liebe, seine Mühen nicht erwidert werden. Und doch ist es immer erst die Liebe, die Leben überhaupt möglich macht. Wo wäre denn die Welt, wenn wir zur Liebe unfähig wären. Was würde aus unserer Dorfgemeinschaft, wenn jeder nur an sich denken, wenn es keine gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme gäbe? Da wäre nicht mehr viel los mit uns und unserem Ort.

Darum bleiben wir also in Gottes Liebe nur, wenn wir selbst uns untereinander lieben. Dann bringt unsere Erwählung Frucht. Dann wird Gott unsere Bitten erfüllen. Gott hat nie gesagt, dass es leicht wäre unser Leben, er kennt unsere Not und unseren Kampf, doch er verheißt, dass er bei uns ist, dass seine Liebe der Anfang ist, auf dem wir aufbauen, dass wir mit dieser Liebe alle Widrigkeit, alle Angst, alles Böse, ja selbst den Tod überwinden können. Liebe Gemeinde, bleibt in der Liebe, bleibt im heiligen Raum, jetzt und an allen Tagen, die Gott euch schenkt. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Predigt am 21.10.2007 in Wahlwinkel und Fröttstädt - Mk 2, 23-28

Liebe Gemeinde,

wer kennt das nicht schon aus früher Kindheit: „Das darf man nicht machen! Das ist streng verboten!“ Verbote und Regeln begegnen uns immer wieder. Da darf man mit dem Auto nicht über Feldwege fahren und muss hoffen, dass der Sheriff nicht hinter einem Busch auf einen wartet.

Im Pfarramt muss ich viele Vorschriften einhalten. Das lähmt manchmal ganz schön die Arbeit, weil ich ehe ich eine Wand streichen lasse, zwanzig Leute fragen muss und drei Anträge stellen. Das ist in vielen Branchen so. Und da gibt es die ungeschriebenen Gesetze. Mein Schuldirektor früher sagte immer: Ein Gymnasiast isst und küsst nicht in der Öffentlichkeit. Ich kann mich noch gut erinnern, wie entgegen das unseren Bedürfnissen war, wenn man unterwegs war, Hunger bekam und sich mit seinem Döner auf eine Bank setzte mit der Freundin womöglich, die man natürlich auch gerne küssen wollte, weil es sonst keinen Ort gab, wo man hätte hingehen können. Hat der Direktor uns gesehen, gab es eine ordentliche Ansprache am nächsten Schultag. Wir haben trotzdem immer wieder gegessen und geküsst, weil wir das Verbot als Widerspruch erfahren haben zu dem, was gut für uns ist. In ähnlicher Weise hat Jesus sich stets auch über Vorschriften und Gesetze hinweggesetzt, von denen manche das Leben eher hindern als schützen und befördern. Da gibt es eine Geschichte, die der heutige Predigttext ist, der so ähnlich ist wie der Döner auf der Parkbank und dies uns vor Augen führt. Im Markusevangelium im 2. Kapitel wird erzählt:

„Und es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm; Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: Er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.“ Wort des lebendigen Gottes.

Liebe Gemeinde, das war für die damalige Zeit schon ein starkes Stück. Da kommt jemand und setzt sich ganz unverschämt über Regeln hinweg. Nicht irgend ein Parkverbot, sondern Heilige Regeln, die nach alter Tradition von Gott dem Volk Israel gegeben waren. Die Pharisäer nun waren ganz eifrig in der Befolgung und Auslegung des göttlichen Gesetzes. Jede Handlung war geregelt, genau festgelegt, wann etwas getan werden darf und wann nicht. In ihrem Bedürfnis eine klare Richtung für ihr Leben dadurch zu bekommen, sind sie uns irgendwie nahe. Sie wollten ja niemandem schaden, sondern nur auf Nummer sicher gehen, dass Gottes Gebot auch eingehalten wird. Doch sind sie zu weit gegangen, denn sie haben den Menschen aus ihrem Blickfeld verloren.

Und gerade darum geht es Gott, wie wir durch Jesus gehört haben. Denn wenn wir genau hinschauen, so wendet sich Jesus nicht gegen das Gesetz selbst. Er sagt ja an anderer Stelle: Ich bin gekommen, um das Gesetz zu erfüllen. Doch damit meint er etwas, dass für die getreuen Gesetzeshüter gar nicht im Blick ist. Jesus stellt nämlich den Menschen in den Mittelpunkt des Lebens und des Gesetzes. Jesus weiß sehr wohl, dass es Gottes heiliger Wille, dass der Mensch nicht alles tun und lassen kann, was er denkt. Wo kämen wir da auch hin? Jeder wäre dem anderen ein Wolf und der Stärkere und Bösere setzt sich durch.

Wir brauchen Regeln und Gesetze, die unser Zusammenleben ordnen. Die Freiheit, die ich mir selbst wünsche, hat eine Grenze, nämlich genau da, wo die Freiheit eines anderen verletzt wird. Darum kann man die Zehn Gebote zum Beispiel als Regeln der Freiheit bezeichnen oder als Schätze für ein gelingendes Leben. Diese Regeln gelten ganz allgemein und wenn wir uns umschauen, dann sehen wir in fast allen Religionen und Kulturen der Menschheit ähnliche Regelsysteme.

Was ist aber das Besondere an Jesu Gesetzesbruch in unserer Geschichte? Der Mensch ist der Maßstab für das Gesetz und es gibt tatsächlich Gesetze, oft von Menschen gemacht, die gelingendes Leben unmöglich machen. Ein Gesetz ist kein Selbstzweck, sondern soll den Menschen dienen. Wo jemand hungern muss, weil ein Gesetz ihm verbietet zu essen, da ist eine Grenze erreicht. Wenn Jesus sich über solche Grenzen hinwegsetzt, offenbart er, was Gottes wirklicher Wille ist: Gott will nicht, dass wir hungern um fromme Regeln zu erfüllen. Er will, dass wir leben! Das Gesetz ist für den Menschen, nicht der Mensch für das Gesetz geschaffen.

In der Wirklichkeit sieht das meist anders aus und es ist in unserer Zeit, in der selbst für die Müllabfuhr ganze Bände mit Regeln voll geschrieben sind, ziemlich schwer noch durchzuschauen. Wo setzt man da den Hebel an und stellt den Menschen wieder in den Mittelpunkt?

Das Thema unseres Sonntages ist der rechte Weg, die Unterscheidung von Falsch und Richtig, von Gut und Böse. Dabei will uns Gottes Wort das Navigationssystem sein, damit wir niemandem schaden tun und wir selbst dabei keinen Schaden nehmen. Viele Menschen in unserem Land, besonders junge sehen es sicher als Bevormundung an, wenn man verlangt, sein Leben nach Gottes Gebot auszurichten. Und tatsächlich treibt eine neue Gesetzesfrömmigkeit seltsame Blüten auch unter Christen in unserem Land. Wenn z.B. der Geschlechtsverkehr vor der Ehe als schwere Sünde bezeichnet wird oder bestimmte Speisen und Getränke wieder verboten werden, letzteres eine Reglementierung des Lebens, die eigentlich im Christentum abgeschafft war. Solcher Gesetzlichkeit können wir unser heutiges Jesuswort entgegenstellen: alle Gebote und Verbote machen nur dann Sinn, wenn sie die menschliche Freiheit nicht in Frage stellen und zugleich in dieser Freiheit keine andere Freiheit verletzt wird.

Jesus war kein Gesetzesloser, wie ihn manche seiner Zeitgenossen, die strengen Fundamentalisten sahen. Die haben ihn ja auch in den Tod getrieben. Jesus ist die Vollendung der göttlichen Gesetzgebung, er ist das letzte und eine Wort Gottes, ganz anschaulich und plastisch, nicht im Wortlaut: „Du darfst nicht“ und „Du sollst!“ Die Begebenheiten, die wir von ihm lesen und hören, zeigen uns eine ganz liebevolle Art Leben zu gestalten. Eine Liebe, die über ein bloßes Gebot hinaus geht, eine Liebe, die Menschen gesund macht und sie wieder zu Gott führt, eine Liebe, die die toten Bindungen und Beziehungen unter den Menschen wiederherstellt. Ein Ehebruch fängt im Kopf und im Herzen an, nicht erst beim Ausrutscher! Das hat Jesus ganz klar gesagt und damit die ganze Oberflächlichkeit der Gesetzgebung entlarvt. Was zählt, ist Liebe aus ganzem Herzen. Denken, Fühlen und handeln aus einem Herzen, zu dem der Ewige Gott spricht, das ist der Weg, der zum Ziel führt. Das ist das Navigationssystem für unsere heutigen Straßen. Dann leben wir im Einklang mit Gott und der Welt. Dass dies ein hoher Anspruch ist und wir stets unsere Herzen prüfen müssen, sozusagen eine TÜV-Untersuchung machen, das ist klar. Dass auch in der Auslegung dessen, was für den Menschen denn nun das Beste sei, nicht immer Klarheit herrscht, ist auch deutlich. Darum auch ist eine stete Erkenntnis unserer Fehler nötig, ein Neuanfang, den Gott uns immer wieder möglich macht. Darum ist es auch nötig, immer wieder unsere Entscheidungen in ein neues Licht zu stellen, das Licht dessen, der den Menschen als Bild seiner Liebe schuf.

Möge Gott uns die rechten Wege zeigen, zu unseren Herzen sprechen durch den vollmundigen Blick auf Jesu Wort und Leben, auf Jesus, der uns zu Gott und zur Freiheit ruft. Amen.

Samstag, 13. Oktober 2007

Predigt zur Kirmes am 12. Oktober in Hörselgau

Liebe Gemeinde, liebe Kirmesgesellschaft,

es ist meine erste Kirmespredigt überhaupt und ich habe vernommen, dass die Kirmesburschen und – mädels schon aus den letzten Jahren gut informiert sind, was es mit der Kirmes als Kirchweihfest auf sich hat. Und wenn ich jemanden von meinen Freunden aus der Stadt fragen würde, was ihnen bei Kirmes spontan einfällt, da käme wohl nicht die Kirche an erster Stelle. Was würden sie wohl sagen? Ich denke, sie würden mir sagen: Bei Kirmes denke ich an BIER. Ein frisches, kühles Bier, mancher sagt auch Hopfenblütenkaltschale oder ähnliches. Weil heut Kirmes ist, habe ich mir einen Bierkrug in die Kirche mitgebracht, einen Eisenacher, den von dort stamme ich ja. Doch so ohne etwas sieht er ganz schön traurig aus der Bierkrug. Also fülle ich ihn mit einem kühlen Gerstensaft. (eingießen) Wem jetzt schon das Wasser im Munde zusammen läuft, der sei getröstet – in einer guten Stunde geht´s los mit der Feier.

Wofür steht das Bier am heutigen Tag, dem Kirchweihfest? Es steht dafür, dass es Gottes Wille ist, dass wir unseren Alltag zu bestimmten Zeiten mal Alltag sein lassen. Wir sollen die Mühe ablegen, die Sorgen auf Gott werfen, wie eine Jacke an der Garderobe abgeben. Das ist der tiefe Sinn, warum Gott seinem Volk den Feiertag geschenkt hat. Manche unter uns können den Feiertag nicht Feiertag lassen, weil ein Arbeitgeber am längeren Hebel sitzt oder wir mit der Ruhe und mit uns selbst gelangweilt sind. Wenn wir uns überlegen, wie mühevoll und zum Teil hoffnungslos das Leben unserer Vorfahren war hier in Hörselgau und anderswo, dann würden wir erkennen, was für ein Schatz die Zeit eigentlich ist, die wir zum feiern haben. Als die Hörselgauer anpackten und zumeist ohne Entgelt diese Kirche erbauten, da war ein kühles, frisches Bier, gezapft am Ende der Bauarbeiten zur Kirmes ein Zeichen der Hoffnung und eines Lebens, das gegen die graue Realität rebelliert – genau wie die Kirche selbst. So ist unsere Kirche ein steinernes und dieses Bier ein flüssiges Zeichen dafür, dass Gott mehr mit uns Menschen will, als wir in unserem tagtäglichen Trott für möglich halten. Feier und Spiel, Musik und Tanz gehören dazu, sie durchbrechen das Gewöhnliche und sind ein Hinweis darauf, dass wir Gottes Kinder sind, nach seinem erhabenen Bild geschaffen. Auch Gott weiß, wie man feiert, er ruhte am Ende der Schöpfung und ergötzte sich an der Vollkommenheit seines Werkes.

Der Prediger des Alten Testaments, ein weiser Mann mit viel Lebenserfahrung, schreibt: „Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Da merkte ich, dass es nichts besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ Wort der Heiligen Schrift.

Liebe Kirmesgemeinde, das ist doch mal ein Wort! Sei fröhlich, iss und trink und habe guten Mut! Das alles schenkt dir Gott. Das Essen und Trinken, den guten Mut, jeden Tag aufzustehen und dein Werk zu verrichten. Einen Gedanken aus diesem Text möchte ich aber besonders hervorheben. Gott hat die Ewigkeit in unsere Herzen gelegt. Das ist das, was ich am Anfang von der Kirche und vom Bier sagte: Es sind Zeichen dafür, dass wir Menschen mehr sind als Tiere. Uns liegt die Ewigkeit im Herzen, die Sehnsucht nach Größerem, nach einer Wirklichkeit, die den grauen Alltag, den Kreislauf der Natur, unseren Rhythmus von Aufstehen, Arbeiten, Schlafengehen durchbricht. Der Bau einer Kirche, die Feier eines großen Festes im Jahreskreis, das sind Dinge, die uns näher zu Gott bringen, näher zu unserer Bestimmung als Menschen. Denn uns ist die Ewigkeit ins Herz gelegt, ob wir es spüren oder nicht. Wir sind mehr als die Summe unserer Erfahrungen und Anlagen, wir sind geliebte Kinder Gottes. Darum feiern wir Kirmes.

Die Sorgen lasst für dieses Wochenende zuhause. Sie sind am Montag wieder auf dem Tisch. Doch verzagt nicht, wenn es wieder heißt: Morgen wird wie heute sein. Habt guten Mut bei allem, was ihr tut. Und wenn ihr unsere Kirche seht, dann wisst, bei Gott könnt ihr ablegen, was euch im Bauch drückt, was euch manchmal zur Verzweiflung treibt. Wenn ihr ganz bewusst das Besondere eines Gottesdienstes oder eines Festes von eurem Alltag unterscheidet, dann wird das heilsam sein für eure Seelen.

Das führt mich zur Schattenseite des Feierns. Viele heutzutage haben verlernt, was Mühe und Plage wirklich bedeuten. Gott will nicht, dass jeder Tag ein Fest sei. Wir sind zugleich gerufen in den Alltag der Welt, wir sind beauftragt, etwas zu bewegen in dieser Welt und sei es an einer scheinbar unbedeutenden Stelle. Alles Tun hat Sinn, sofern es aus reinem Herzen und mit gutem Mut geschieht. Damit meine ich zugleich eine Mentalität, die sich in Stammtischparolen ausdrückt nach dem Motto: „Da müsste man doch dies und das machen!“. Nicht „Da müsste man …“ soll es heißen, sondern „Ich werde …“ So wie unsere Vorfahren diese Kirche immer wieder – auch nach Zerstörungen – aus dem Boden stampften, sie sagten: Wir werden diese Kirche bauen. Das war ihr trotziges Signal nach einem furchtbaren Krieg, ihr Bollwerk gegen die Belanglosigkeit des täglichen Daseins, ihr Zeichen dafür, dass wir zu Gott gehören. Das ist die Einstellung, die Gott gut findet. Packt an und baut auf, dann sollt ihr auch feiern. Wenn das Fest zum Alltag wird, dann ist es kein Fest mehr. Wenn man sechs Biere auf einmal bestellt, sind selbst bei einem gutem Durst die letzten drei schal. Darum, liebe Kirmesgemeinde, sucht und genießt das Außergewöhnliche, das sich manchmal mitten in unserer Welt offenbart und vergesst dabei die Arbeit und Mühe nicht, die euch das Leben zugedacht hat. Guter Mut bei aller Mühe, das schenke der ewige Gott.

So ist ein großes Fest immer wieder ein Anlass dafür zu spüren, dass Gott uns trägt und zu sich ruft, denn die Ewigkeit ist in unsere Herzen gelegt. Etwas schönes ist das, diese Sehnsucht nach der Vollkommenheit, dem einen wirklich guten Augenblick. Und wenn wir manchmal spüren in diesen kleinen Momente, wenn wir die Welt umarmen könnten, da blitzt etwas auf von dieser Sehnsucht nach Gott, nach dem vollkommenen Leben. Das kann für manche ein Sonnenaufgang am Meer oder in den Bergen sein, ein gelungenes Fest, die Geburt eines Kindes, ein besonderer Moment in der Zweisamkeit mit dem Partner, ein guter Tag, ein gutes Gespräch. Wie Goethe am Schluss seinen Faust sagen lässt: Verweile doch, du bist so schön! Verweile doch, heißt ja wohl, dass eben diese Momente nur der Vorgeschmack sind, die unsere Sehnsucht reizen wollen, unsere Sehnsucht nach Gott. Diese besonderen Momente wünsche ich uns allen. Möge Gott in uns die Sehnsucht nach der größeren Wirklichkeit wach und lebendig halten, damit wir nicht abstumpfen im Geschäft des Alltags, damit wir ähnlich große Dinge vollbringen wie den Bau einer Kirche aus dem Nichts, allein aus unserer Kraft zur Ehre unseres Schöpfers. Zu ihm streben wir mit jeder Kirche, jedem Gottesdienst und jedem mit wirklicher Erfrischung und Besonnenheit getrunkenen Bier. Darauf ein Prost, auf deutsch: Möge es gelingen!

Amen.

Predigt zum Erntedankfest 30. September in Hörselgau / 7. Oktober in Wahlwinkel und Fröttstädt

Liebe Gemeinde,

wie oft sagen wir eigentlich „Danke“? Manche sehr oft aus Höflichkeit, weil es dazu gehört, weil es immer schon so war. Wiederum andere haben es scheinbar verlernt dieses kleine Wort „Danke“. Unsere Gesellschaft hat die Dankbarkeit im großen Stil verlernt. Alles wird selbstverständlich hingenommen. Wo früher noch Mangel herrschte, sind nun die Regale im Supermarkt voll. Da gibt es soviel Auswahl, dass manch einer vor dem Regal steht und nicht mehr weiß, was er in seinen Korb legen soll. Dankbarkeit ist eher selten im Supermarkt zu spüren. Nehme ich diesen Käse oder das Sonderangebot darunter, oder war das der aus der Werbung? Es ist gar nicht so lange her, da gab es ein Lied, in dem besungen wurde, wie schwer es einmal war an guten Käse zu kommen. „Käse gibt es im HO. Erst da musst du lange stehn, aber Käse, Käse kriegste keen`n!“ Im Wohlstand scheint das Danke verschwunden. Wofür danken, wenn alles zu haben ist? Wo aber ist das Danke hin verschwunden? Ein Gedicht möchte ich Ihnen dazu vorlesen:

Ein kleines Wort – du kennst es kaum –
Hat sich versteckt auf einem Baum.
Da wollt es lieber bleiben.
Als bei den Menschen leiden

Die Menschen groß
Und auch ganz klein,
Die fanden dieses Wort nicht fein.
Sie wollten es nicht haben
Und lieber es vergraben.

Das Wort war ihnen ein Verdruß.
Es war auch lästig, kein Genuß.
So wollten sie es töten.
Das Wort war sehr in Nöten.

Ganz heimlich, ohne viel Geschrei,
lief es schnell weg. Jetzt ist es frei.
Hier zwischen grünen Blättern
Da kann es fröhlich klettern.

Die Vögel wunderten sich sehr.
Ein kleines Wort – wo kommt das her?
Sie übten es zu singen.
Nun fing es an zu klingen.

Im Garten stand ein alter Mann
Und hörte sich die Vöglein an.
„Habt Dank“ rief laut der alte Mann,
„fangt mir das Lied von vorne an!“

Das kleine Wort, so gut versteckt,
es fühlte plötzlich sich entdeckt.
Nun muß es sich entscheiden:
Soll es im Baume bleiben?

Doch ohne „Danke“ in der Welt
Wär´s um den Menschen schlecht bestellt.
So sprang es vom Ast,
auf dem es grade saß,
hinunter zu dem alten Mann. –
Fängt nun alles von vorne an?

Liebe Gemeinde, das kleine Wörtchen „Danke“ hat sich also versteckt, weil es den Menschen unangenehm und überdrüssig wurde. Es wurde wieder entdeckt von einem alten Mann, der den Vögeln lauschte. Ein wichtiger Gedanke wird im Gedicht laut: „Ohne Danke in der Welt, wär´s um den Menschen schlecht bestellt.“

Heute ist Erntedankfest – der Tag im Jahr, an dem dieses kleine Wort „Danke“ uns wieder über den Weg läuft. Wofür bin ich dankbar? Wann habe ich mich das letzte Mal bedankt, und bei wem?

In dem kleinen Wort „Danke“ verbirgt sich eine ganze Haltung zum Leben, eine besondere Art, die Welt zu verstehen und in ihr zu leben. Was wir dankbar entgegen nehmen, das ist wertvoll für uns. Das werfen wir nicht einfach weg. Wenn jemand dankbar ist, so weiß er die Dinge zu schätzen. Denn nichts von dem, was uns umgibt, ist selbstverständlich.

Wie schnell die Existenz eines Menschen wie ein Kartenhaus zusammen fallen, sehen wir immer wieder in den Nachrichten, wenn Häuser und ganze Städte von Meeresfluten hinweg gespült werden. Da können wir sehen, wie Raketen den Tod bringen, Menschen ohne Arbeit sind und ohne Hoffnung. Für wie viele Familien hat das alles verändert?

Doch so weit müssen wir gar nicht ausholen, um das kleine Wörtchen „Danke“ für uns wieder zu entdecken. So ein kleines „Danke“ kann die Welt verändern. Da ist die Dankbarkeit unter uns Menschen. Wenn mir jemand die Tür aufhält, wenn mein Nachbar meine Blumen gießt, wenn ich im Urlaub bin, wenn wir uns kleine und große Gefallen tun. Ehrlich empfundene und ausgesprochene Dankbarkeit, die nichts selbstverständlich nimmt, macht vieles möglich.

Und da gibt es die Dankbarkeit gegenüber Gott, die gerade heute, zum Erntedankfest laut werden soll. Gottes gute Schöpfung ernährt uns, er läßt die Pflanzen wachsen, die uns als Nahrung dienen und die Tiere, die Milch und Fleisch liefern. Es geht durch unsere Hände, kommt aber her von Gott. Das alles steht uns vor Augen heute. Aber nicht nur die Lebensmittel sind wichtig, auch unsere Familien brauchen wir zum Leben, unsere Freunde, eine Aufgabe, die uns erfüllt, ein Ort, an dem wir uns zu Hause fühlen. Das alles ist ein Geschenk. Dafür können wir ruhig dankbar sein.

Noch eindrücklicher ist für mich der alte Mann aus unserem Gedicht, der im Singen der Vögel seine Dankbarkeit wieder entdeckt. Mich an den kleinen Dingen erfreuen, das vergesse ich all zu schnell im Überfluss von Waren, Information und scheinbaren Problemen.

Wer aufrichtig „Danke“ sagen kann, sieht auch die, die nicht so viel geschenkt bekommen: Die Armen in der Welt, in den Ländern, wo immer noch Hunger herrscht, die hungern müssen, damit unsere Supermärkte die Preise stabil halten können. Anstatt dass wir von den Massen an Lebensmitteln, die täglich in den Fleischtruhen und Regalen übrig bleiben, etwas abgeben.

Wo Dankbarkeit fehlt, fehlt auch das Mitgefühl, fehlt der klare Blick auf die Dinge. Wenn uns alles selbstverständlich ist, nach dem Motto: „Ich hab schließlich dafür gearbeitet!“, dann wird uns der Mensch neben uns aus dem Blick entschwinden. Dann ist uns alles egal. Dann leben wir ohne Rücksicht auf Verluste. Wie hieß es im Gedicht?: „Ohne „Danke“ in der Welt, wär´s um den Menschen schlecht bestellt!“

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass wir das Wörtchen „Danke“ wieder entdecken für uns, für unseren ganz alltäglichen Umgang miteinander und im Blick auf Gott. Dass wir uns freuen und dankbar werden über das Gute, das uns in den Schoß fällt, ohne dass wir etwas dazu tun. Mögen wir erkennen, dass wir immer mehr empfangen als wir selbst geben können. Das ist ein Wunder und dem Herrn sei Dank dafür. Amen.

Montag, 17. September 2007

Predigt zur Altarweihe am 15.9.2007 in Wahlwinkel

Liebe Wahlwinkler, liebe Gäste, liebe Festgemeinde,

wir sind Zeugen eines großen Moments geworden. Ein neuer Altar bildet die sichtbare Mitte unserer Kirche hier in Wahlwinkel. Schon seit Urzeiten haben Menschen Altäre gebaut, an Orten und in Zeiten, in denen ihnen Gott ganz nahe war. Einer der ersten Ältare, von dem wir in der Bibel lesen, ist der Altar, den Jakob auf der Flucht vor seinem Bruder baute. Nach einer Nacht, in der er über sich den Himmel offen sah. Eine Nacht voll Angst und Ziellosigkeit, eine Nacht, in der er plötzlich spürte, dass Gott ihn nicht verlassen würde, wohin er auch gehen wird.

Der Altar also ist ein Zeichen der erlebten und erfahrenen Verbindung zu Gott, zu dem, der uns einst geschaffen hat, zu dem, der uns sucht und findet, der unser Leben in seiner Hand hält, ob wir es wollen oder nicht. Der Altar – ein Zeichen der Gegenwart Gottes – ein Ort, der viele Zeiten überlebt, etwas Besonderes, Heiliges – von Menschen gemacht, der aber höher ist alle Gebäude, die wir schaffen. Nicht in seiner Größe, aber in seiner Bedeutung. Menschen kommen an diese Orte um zu beten, sie bitten um Verzeihung, sie kommen in ihrer Angst und Not, sie kommen, um Gemeinschaft zu haben mit anderen Kindern Gottes. Sie kommen, um zu heiraten, um für ihre Freude zu danken, um den Segen für ihr Leben zu empfangen. Der Altar ist wichtig.

In unruhigen Zeiten, die manchmal wie die Nächte Jakobs sind, die uns Angst machen oder orientierungslos, ist solch ein Altarbau ein Zeichen unseres Gottvertrauens, unserer Erfahrung, dass wir nicht allein sind, sondern dass da einer ist, der uns trägt, dem wir uns bedingungslos anvertrauen können, was auch kommen mag. Ein mutiges Signal, das vielleicht nicht von jedem als ein solches erkannt wird. Ich möchte unseren Wahlwinkler Altar als ein solches Signal verstehen, dass der Glaube die Zeiten durchwebt und miteinander verbindet. Ein Sandstein aus dem Mittelalter eingefasst in eine Errungenschaft der Moderne, den veredelten Stahl – eine Synthese aus Mittelalter und Moderne. Wir sind nicht nur sichtbar verbunden mit unseren Vorfahren, die im Glauben Begebenheiten der Heiligen Geschichte in Stein gehauen haben. Sondern wir sind auch mit Gott durch einen solchen Altar verbunden.

Werfen wir einen Blick auf die Heilige Geschichte, von der ich sprach. Unser Altar zeigt Jesus betend im Garten Gethsemane. Es ist diese eindrückliche Szene im Leben Jesu, in dem sich alles zuspitzt. Gründonnerstagabend, Jesus allein betend in dunkler Nacht im Garten. Jesu Jünger schlafen, sie sind müde und abgekämpft, ihre Kraft ist am Ende. Jesus wendet sich an seinen himmlischen Vater und ist voll Angst und Trauer, weil er weiß, dass ein schwerer Weg vor ihm liegt. In wenigen Minuten werden ihn die Häscher und Soldaten ergreifen und sein Tod ist nur noch einen halben Tag entfernt. „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Bitte, guter Gott! Ist es wirklich dein Wille?“

Einer seiner Vertrauten verrät ihn – hinterhältig und selbstsüchtig. Der Gottessohn könnte fliehen, doch nach dem dritten Anlauf seiner Zwiesprache mit dem ewigen Gott, wächst in ihm die Gewissheit: Es ist Gottes Wille, dass ich sterbe und in die Hände der Mächtigen und Boshaften übergeben werde. Das ist wohl einer der eindrücklichsten Zeugnisse von Gottvertrauen. Die Hinterlist der Machthaber, derjenigen, die sich bedroht fühlen vom Erfolg anderer, derer, für die Liebe ein Fremdwort ist, ihre Macht ist vier Tage später zerbrochen. Der Tod ist keine Grenze mehr, denn auch der Tod wie auch alle Mächtigen und Teufel dieser Welt können uns nicht trennen von Gott. Darin ist uns Jesus vorangegangen.

Die Soldaten kommen schon im Hintergrund, doch Jesu Lächeln auf unserem Altar sagt uns: Das einzige, was hier noch zählt, ist das Vertrauen auf Gott. Dein Wille geschehe, nicht meiner! Ist es Zufall, dass das Thema des morgigen Sonntags das Gottvertrauen ist, frage ich mich. Ich habe es nicht gewusst, als wir den Termin für unsere Altarweihe festgesetzt haben. Bei meinem Amtsantritt habe ich auf dem Boden des Pfarrhauses ein Bild gefunden, dass eben diese Szene im Garten Gethsemane zeigt – ein Ölbild vom Anfang des 20. Jahrhunderts vielleicht. Anders im Stil vielleicht – aber wenn ich heute mit Ihnen vor diesem Altar stehe, dann kommt es mir so vor, als wäre es kein Zufall, sondern dann erwacht in mir die Überzeugung, dass es Gottes heiliger Wille ist, dass dieser Altar nun steht und seiner eigentlichen Bestimmung übergeben wird.

Der Altar ein sprechendes Zeichen des Vertrauens auf Gott. Das Bild dieses Altars möge uns anrühren über die Größe menschlicher Hingabe an Gott. Es möge uns helfen zu vertrauen, gerade wenn das Leben es manchmal nicht so gut mit uns zu meinen scheint. „Sehet die Vögel im Himmel, sie säen nicht, sie ernten nicht und unser Vater im Himmel ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr als sie?“ hieß es im Evangelium. „Was sorgst du dich um das Morgen? Der morgige Tag wird für das seine sorgen!“ Doch es gibt kein blindes Vertrauen, das manche unserer Zeitgenossen vielleicht naiv und kindisch nennen. Vertrauen ist Anstrengung und Kraft. Wir müssen es anpacken – das Vertrauen auf den Höchsten. Das fällt nicht jedem in den Schoß. Unser Evangelium heute erzählt von dieser Anstrengung: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles zufallen!“ Essen, Trinken, Kleidung, alles, was wir brauchen.

Dieses Moment der Anstrengung und Kraft ist das eine, das andere aber ist die stets größzügige Zuneigung Gottes zu uns Menschen, seien wir nun gut oder böse. Denn Gott wartet auch auf den, den wir ungerecht nennen, den, der nicht nach ihm fragt! Er wartet auf jeden und will Gemeinschaft haben mit uns. Das Abendmahl ist die große Einladung: „Kommt, denn es ist alles bereitet. Seht und schmeckt, wie freundlich der Herr ist!“

Kraft und Anstrengung, den Willen Gottes tun, das führt mich dazu, zu danken für den heutigen Tag. Die Vielen, die sich eingesetzt haben, damit die Gegenwart Gottes unter uns Wahlwinklern steinerne Gestalt bekommen hat in diesem schönen Altar, der von Gottvertrauen und Verbindung erzählt. Da nenne ich zuerst Pastorin Maibaum, meine Vorgängerin hier in Wahlwinkel, die den Stein ins Rollen oder besser gesagt zur Restauration brachte. Lange haben Maibaums gekämpft um Gelder und Genehmigungen. Fünf lange Jahre, in der die Zukunft unseres wertvollen Reliefs, um den wir nun versammelt sind, in der Schwebe hing. Gott gab seinen Segen zu dieser Mühe und dem Engagement von Pastorin Maibaum. Denn heute nun ernten wir die Früchte ihrer Kraft. Dank gilt weiterhin Steinmetzmeister Matthias Albertoni und dem Metallgestalter Hans Reiche und ihren Mitarbeitern. Sie haben die Sache Gottes zu ihrer eigenen gemacht und dem Altar in dieser Form Gestalt werden lassen. Gestern früh erst haben beide sich noch freigeschaufelt, um den Altar aufzustellen – ohne dabei an den materiellen Lohn zu denken. Denn die Arbeiten sind durch Störfeuer gegangen und erst am Montag Nachmittag haben wir erst wieder grünes Licht bekommen. Dass wir heute beisammen sind, verdanken wir darum auch Frau Hildebrandt vom Kreiskirchenamt, die Unklarheiten schnell und stringent in Klarheit verwandelte. Zuletzt, aber an dieser Stelle ganz bewusst gesetzt, weil es haften bleiben soll in unseren Herzen, danke ich dem Gemeindekirchenrat unserer Gemeinde Wahlwinkel: Frau Brunhilde Klausnitzer und ihrem Mann Herbert Klausnitzer, Frau Paola Köllner und ihrem Mann Joachim, unserem geschätzten Bürgermeister, Frau Johanna Trott und Frau Angela Wirnitzer, die völlig selbstlos das Rückgrat nicht nur dieser Altarweihe, sondern auch das Rückgrat der Gemeinde Gottes hier im irdischen Wahlwinkel sind. Ich möchte auch alle in meinen Dank einschließen, die mit Gebet und guten Gedanken dieses Werk vollbracht haben. Ihnen allen gilt unser Dank, wenn wir uns heute um den Altar versammeln. Der Altar, der das Signal unseres Gottvertrauens ist und der Ort, an dem wir Gemeinschaft feiern mit dem Lebendigen, der uns durchhalten lässt in den Stürmen des Lebens. Möge dieser Altar zum Segen für diese unsere Gemeinde werden! Mögen sich die Wogen glätten, die sich hier und da auftürmten! Möge der Allmächtige spürbar werden mit seiner Kraft, wenn wir kommen und ihm vertrauen, bedingungslos wie Jesus es tat! Möge Gott Wahlwinkel segnen und beschützen an diesem Altar und in jedem Haus unseres Ortes! Amen.

Mittwoch, 5. September 2007

2. September - 13. Sonntag nach Trinitatis Mt 6, 1-4

Liebe Gemeinde,

Sie haben in den vergangenen Tagen sicher im Briefkasten den aktuellen Kirchgeldbrief gefunden. Manche holen dann ein geflügeltes Wort heraus und sagen: Die Kirche will immer nur unser Bestes – unser Geld! Nichtsdestotrotz zahlen die meisten Glieder unserer Gemeinde gerne ihr Kirchgeld, weil sie wissen, dass es gut aufgehoben ist für den Erhalt des Kirchgebäudes, die Arbeit mit den Kindern, Konfirmanden und Senioren und vieles mehr, dass nicht so schnell zu sehen ist.

Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun? Mit der Liebe zum Nächsten, die das Thema des heutigen Sonntages ist? Wenn wir etwas Gutes tun für jemand anderen, dann tun wir uns selbst etwas Gutes. Im Falle des Kirchgeldes bleibt das Geld ja hier vor Ort und kann auf Umwegen den Gebern selbst wieder ein Nutzen werden. Das meint es, wenn ich sage: Es ist gut angelegt. Blicken wir aber auf die große Elisabeth-Verehrung in diesem Jahr, so wird deutlich, dass Barmherzigkeit und Nächstenliebe das eigene aus dem Blick verliert.

Liebe ist zunächst in reiner Form und ganzer Macht selbstlos. Und doch sind wir immer auch erst fähig, einen anderen Menschen zu lieben, wenn wir uns selbst lieben gelernt haben. Denn es gibt ja diesen Zusatz „wie dich selbst“ im Gebot der Nächsten: „Du sollst Gott den HERRN und deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Die Selbstliebe ist also wichtig für die Fähigkeit, Liebe anderen Menschen zu schenken.

In unserer Zeit sehe ich zwei Extreme dieser Liebesfähigkeit. Zum einen diejenigen, die nicht in der Lage sind sich selbst zu lieben, die frustriert sind über ihr tägliches Los, die Suche nach Arbeit, die zerbrochene Beziehung, die in einer Gesellschaft leben, in welcher der Markt den Wert eines Menschen bestimmt. Hinzu kommt, dass die intakte Familie, früher gar in vier bis fünf Generationen in einem Haus, längst nicht mehr der Maßstab ist. Sicherlich ist die Familie nicht immer nur ein heilsamer Ort. Auch hier leben Menschen zusammen, die sich oft schwer tun sich selbst und vor allem andere zu lieben.

Das andere Extrem ist die Selbstliebe selbst, die bei sich bleibt. Das Motto: ich bin mir selbst der Nächste! oder: Ich glaube nur an mich und meinen Vorteil! Beides – die fehlende Selbstliebe, die unfähig zur Liebe wird, als auch die übersteigerte Selbstliebe sind Irrwege. Lieblosigkeit führt zu Babyleichen im Müllsack, zu verprügelten Menschen in Mügeln, zur Gewalt in der Familie, körperlich oder seelisch grausam. Übersteigerte Selbstliebe kann ähnliche Folgen haben, die wichtigste ist jedoch, dass mir mein Mitmensch egal wird, wenngleich ich theoretisch damit rechnen muss, dass auch er ebenso liebenswürdig ist, wie ich selbst und ähnliche Ziele verfolgt, wie ich selbst. Wir werden zum Konkurrenten des Nächsten. Einer ist dem anderen ein Wolf!

Wenn in unserer heutigen Zeit Gutes getan wird, sei es durch Spenden oder ganz praktische Hilfe an und für bedürftige Menschen, dann schwirrt vielen im Hinterkopf: Was bringt denen das? Und es ist ganz klar: für Sponsoring gibt es eine Gegenleistung. Einen Zeitungsartikel, der den Namen der Spender erwähnt mit Foto und Überschrift, eine Sponsorentafel, eine Werbungsanzeige im Vereinsblättchen, eine Einladung zu Festen, ein Ehrenplatz in den vorderen Bänken der Kirche bei Einweihungen. Zumindest ist es in unserer Gesellschaft noch der gemeinsame Nenner, das eine gute Tat eine gute Tat bleibt und entsprechend gewürdigt werden muss. Das ist ein wesentliches Element unserer christlich-abendländischen Kultur geblieben, das bislang – dem Herrn sei Dank – noch nicht dem Wandel der Werte oder anders gesagt dem Loslassen von allgemeinchristlichen Wertvorstellungen zum Opfer gefallen ist. Eine gute Tat bleibt eine gute Tat. Mit anderen Worten: „Tue Gutes und rede darüber!“

Beinahe unverständlich muss da das Wort Jesu uns vorkommen, das der heutige Predigttext ist. In der alle Grundfesten menschlicher Selbstliebe und Lieblosigkeit erschütternden Bergpredigt redet Jesus von der neuen Gerechtigkeit Gottes, die alles vorherige übertrifft. Bei Matthäus hören wir Jesus über das Almosengeben sagen (Mt 6, 1-4):

„Habt acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.

Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut,

damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten."

Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, auf den ersten Blick straft das alle lügen, die nicht im Verborgenen sondern in der Öffentlichkeit Gutes tun. Der Markt, der sich um Spenden bemüht ist dicht. Die Kirchen mit ihren zahlreichen Projekten, internationale Hilfsorganisationen, die Vereine vor Ort. Da braucht es Pressegespräche, große Werbeplakate und Flyer, die in jedem Haushalt landen. Alle wollen unser Bestes, unser Geld. Aber es ist gut und richtig, wenn wir sehen, vor Augen geführt bekommen, was mit unserem Geld geschieht. Daher die Aufklärung, die Öffentlichkeit und das ganze Theater. Als damals Jesus diese Mahnung seinen Zeitgenossen sagte, da war z.B. das Almosengeben für Bedürftige gang und gebe. Unser modernes Phänomen: „Ich bin mir selbst der nächste“ gab es nicht. Jeder, der etwas zu geben hatte, gab etwas von seinem ab. Das war selbstverständlich. Denn es ist Gottes heiliger Wille. Was Jesus hier anmahnt, ist nicht, dass die Menschen etwas geben sollen, sondern die Art und Weise, wie sie es tun, wenn sie etwas geben.

Die Selbstsucht und Selbstliebe sind es nämlich, die das Geben trüben können. Zur Zeit Jesu trieb die Selbstdarstellung reicher Geber seltsame Blüten. In den Synagogen wurde im Gottesdienst das Horn geblasen, um die Mildtätigkeit eines reichen Gebers vor Gott zu bringen, diesen zu empfehlen, auf ihn aufmerksam machen, nicht nur vor Gott sondern vor all den anderen, die sicher auch nicht wenig im Verhältnis dazu gegeben hatten. Dagegen wendet sich Jesus, wenn er sagt: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Die Anerkennung der Gesellschaft, das große Spektakel, die Genugtuung für sich selbst. Reine Selbstliebe also.

Gott will aber, dass unser Herz sich frei entschließt dazu, etwas, was wir uns selbst gönnen, davon auch anderen abzugeben, die weniger oder gar nichts haben. Weil es aus Liebe zu Gott und den Menschen geboten ist. Gott sieht das Verborgene, nichts bleibt im Dunkeln vor dem Lichte des Herrn. Es wird alles aufgedeckt werden. Ähnliches wie über das Almosen sagt Jesus wenig später über das Beten und Fasten, die anderen religiösen Übungen, die den Menschen rein und gerecht werden oder bleiben lassen. Die Öffentlichkeit ist eigentlich nicht notwendig. Denn es ist Herzenssache und kein Theater.

Für unsere Zeit heute hier in Hörselgau kann das nicht heißen, dass nur, wer im stillen Gutes tut, ein guter Geber ist. In unserer öffentlichen Welt ist es vielleicht sogar geboten, das Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, sondern das Gute leuchten zu lassen, das wir tun, damit es die Menschen sehen und die Barmherzigkeit Gottes preisen, die sich in den guten Taten und Gaben offenbart. Im übrigen – wie Sie wissen – ist auch dies ein Wort Jesu, das auch in der Bergpredigt zu hören und zu lesen ist. Ich denke, die Hauptsache ist das Herz, das in der Lage ist, Liebe zu schenken aus der Liebe zu sich selbst und vor allem aus der Liebe zu Gott heraus. Wir begegnen Gott selbst in unseren Mitmenschen. Jeder ist ein liebevoller Gedanke des Allmächtigen, Sie und ich und alle Menschen, die da draußen in der Welt leben. Gutes tun und darüber reden ist gut, solange der Anstoß zum Guten aus unserem Herzen entspringt und keinem Kalkül oder Eigeninteresse.

Zuletzt schwingt noch ein Gedanke nach – es ging sehr viel um Geld und materielle Dinge. Almosen geben ist zwar etwas materielles, aber wichtig sind auch die, die anpacken, die mit dem Geld, in Aktion treten und etwas von Gottes Wirklichkeit auf der Erde verwirklichen. Ich denke ganz besonders an die vielen Ehrenamtlichen in unserer Gemeinde, die manchmal wirklich im Verborgenen, ein frommes Werk tun, die die Glocken läuten, den Rasen mähen, Kaffee kochen und Kuchen backen, ihre Zeit verschenken für die Kinder und älteren Gemeindeglieder, die sich engagieren zum Wohle unserer Gemeinde und unseres Ortes. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie unser Zusammenleben nicht nur in der Kirchgemeinde, sondern generell aussähe, wenn es diese Menschen und ihre liebevollen Taten nicht gäbe.

Aus ganzem Herzen Gutes tun, das ist ein Abglanz Gottes, etwas wie eine kleine Offenbarung Gottes in unserer kleinen Welt. Ich möchte Ihnen allen das Wort zurufen, dass dieses Wirken auf fruchtbaren Boden fällt, dass unser himmlischer Vater alles sieht und nichts in Vergessenheit gerät, was wir in unserer Zeit an Gutem tun aus lauterem Herzen. Wer etwas zu geben hat, der gebe es mit lauterem Herzen, schreibt der Apostel Paulus. Dazu gebe uns Gott die Kraft, die wir brauchen und ein reines Herz, das auch den anderen lieben lernt. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.