Liebe Gemeinde,
warum brauchen wir einen Buß- und Bettag? Als wir eben in der Stille, jeder für sich überlegt haben, was möglicherweise nicht ganz glücklich in unserem täglichen Tun und Lassen ist, da ist manchem vielleicht gar nicht recht bewusst, was er vor Gott bringen soll. Sind wir denn so böse, dass wir stets und ständig um Gnade und Vergebung bitten müssen? Darauf gibt es zwei Antworten, eigentlich drei. Nein, denn wir tun unser Bestes und bemühen uns nach Gottes Spielregeln zu leben. Ja, denn niemand ist gut als Gott allein. All unser Mühen wird immer wieder auch an unseren eigenen Grenzen und Bedürfnissen scheitern. Es gibt keine Vollkommenheit in dieser Welt. Und die dritte Antwort ist eigentlich keine, denn sie sieht nicht die Notwendigkeit, sich in seinem Tun zu rechtfertigen. Das ist leider die Antwort vieler Menschen in unserer Zeit. Darum hat es die Buße und die Erkenntnis der Sünde so schwer in unseren Tagen, Gehör und Verständnis zu bekommen.
Buße – ist ein altertümliches Wort und manche unserer Zeitgenossen verbinden damit etwas, was längst abgetan scheint. Und in der Tat ist viele Jahrhunderte hindurch das Bußwesen missbraucht worden, um die Menschen klein und niedrig zu halten. Es ist gebraucht worden, um Ängste zu schüren vor dem Zorn Gottes, vor der Strafe und dem Ausschluss aus dem Heil, das Gott der Welt und den Menschen seiner Gnade verheißen hat. Luther hat sich gegen diesen Missbrauch gewandt, der absonderliche Blüten trieb. Buße als Bezahlung in barer Münze. Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt. In seinen berühmten 95 Thesen hatte Luther nur dieses eine Thema: die Buße. Aber nicht die Buße selbst war ein Problem für ihn, im Gegenteil. Seine erste These lautete: Das ganze Leben eines Christenmenschen sei Buße. Damit hob Luther das wider auf den Schild, was auch das wichtigste Anliegen Jesu war. Jesu erste Botschaft, die wir in den Evangelien hören ist: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
Vielleicht hilft es uns, die Buße wieder für uns lebendig zu machen, wenn wir Buße mit einem anderen Wort übersetzen, nämlich so wie es der griechische Wortlaut eigentlich sagt: metanoia – Umkehr. Unser ganzes Leben sei eine Umkehr, ein ständiger Prozess, eine Bewegung, kein Darniederliegen im Staub, sondern eine Bewegung des Lebens und Fühlens zurück zu unserem Ursprung zu Gott. Jeder Tag hält die Möglichkeit der Umkehr bereit, jeder Tag also kann ein Bußtag sein.
Die Notwendigkeit zur Umkehr, die Wachsamkeit für das Kommen des ewigen Reiches ist auch Thema des heutigen Predigttextes aus dem Lukasevangelium:
„Und Jesus ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden es nicht können.
Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf! Dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht, wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unseren Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“
Wort des lebendigen Gottes. Das ist ein hartes Wort, das Jesus dem Fragenden zurückgibt. Bei allem Versuch diese Worte zu glätten: Es gibt ein zu spät für die Vergebung Gottes! Es werden viele ausgeschlossen sein, die vor den Türen stehen bleiben müssen, wenn das himmlische Festmahl stattfindet. Ist das der liebende Gott, der uns Vergebung zusagt? Ist das nicht eher der Gott, mit dem die Menschen klein gehalten wurden? Er ist es und ist es nicht! Was Umkehr bedeutet, hören wir, als Jesus sagt: Dann werdet ihr sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unseren Straßen hast du gelehrt. Mit anderen Worten: Du bist doch ganz nah bei uns gewesen, hast uns essen und trinken gesehen, wir haben gehört, was du uns sagst. Wenn Jesus dann antworten wird: Ich kenne euch nicht, so wird deutlich: Was nutzt es, dass ihr mit mir gegessen und getrunken habt, dass ihr mit mir reden konntet, dass ihr mit euren Ohren gehört habt, was ich euch zu sagen hatte. Was nutzt das alles, wenn sich nichts für euch ändert? Denn ich spreche nicht zu euren Ohren, sondern euer Herz will ich erreichen! Dort ist aber kein Platz für mich und Gottes Wort, denn ihr esst und trinkt, als wäre nichts geschehen. In der Frage derer, die an Gottes Tür klopfen, ist nichts von Einsicht oder Umkehr zu hören, darum kennt Gott sie nicht und lässt sie nicht zu sich.
Es reicht also nicht aus, Jesu Worte zu hören, sondern sie wollen zu unseren Herzen sprechen, und dort etwas verändern. Sie rufen uns auf, abzulegen, was uns daran hindert, Gerechtigkeit zu üben, barmherzig zu sein, Gott und den Nächsten zu lieben. Wenn in unserem Text von der engen Pforte geredet wird, so heißt das nicht, dass wir zehn Kilo abnehmen müssen, um ins Reich Gottes zu kommen. Sondern wir sollen so zu Gott kommen wie wir sind, nicht so wie wir uns gerne hätten oder die Gesellschaft. Sondern ganz und gar entschlackt von allem, dass macht, dass wir um uns selbst kreisen. Mein Auto, mein Haus, mein Pferd, das alles macht uns nicht besser oder anders vor Gott. Unser Herz muss in der Lage sein, innerlich davon unabhängig zu sein – ganz und gar verbunden mit dem, der uns so gewollt hat, wie wir sind. Diese Verbindung ist nicht einfach da. Es ist ein Kampf, ein Prozess, wie eben Luther sagte: Das ganze Leben soll Buße also Umkehr sein. Und Jesus sagt es auch in unserem Bibelwort für heute: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht, was auch übersetzt werden kann mit: Kämpft darum!
Dieses Jesuswort ist auch eine Mahnung gegen die Selbstsicherheit. Gott will uns verwandeln, nicht erst in einer unbestimmten Zukunft, in einer Ewigkeit, von der wir uns nur bruchstückhaft eine Vorstellung machen können. Er will uns hier und jetzt verwandeln. Wo Gottes Wort zu Herzen geht, da verändert sich etwas. Da werden Dinge möglich, die sonst unmöglich scheinen, da werden kleine und große Wunder wahr. In der Hingabe des Herzens zu Gott liegt die Umkehr, die Veränderung, die stets und ständig nötig ist.
Wo Jesu Wort auf fruchtbaren Boden fiel, da standen Lahme auf und gingen, da wurden Blinden die Augen geöffnet, da ließen Fischer ihre Netze liegen und folgten ihm. Das klingt manchmal ein bisschen wie ein Märchen und es ist eben dieses Bild einer Umkehr, einer sich verändernden Welt, die so gar nicht in unsere Zeit zu passen scheint. Doch schon zu Jesu Zeiten war es so, dass es wenig up to date war, etwas zu ändern, wenn es auf den ersten Blick nicht geboten scheint. Da wurde weiter gemacht nach altbewährter Weise. Und Jesu Wort verhallte und kam nicht ans innerste der Menschen.
Sich ganz ausrichten auf Gott, umkehren, sich berühren und anrühren lassen von Jesu heilenden Worten, das heißt auch, dem Herzen eine Gestalt nach außen zu geben, das heißt handeln und tun in Gottes Sinne, sich ganz als Geschöpf zu sehen, das angewiesen ist auf Gott, ablegen, was uns Angst macht, zu erkennen, wo Bedarf ist, etwas besser zu machen, aus Fehlern zu lernen, neue Wege zu gehen. Das ist echte Umkehr und Buße. Das hat nichts mit kleinmachen zu tun, sondern ruft uns erst zu der Freiheit, zu der wahren Freiheit, zu der Gott uns bestimmt hat. Wenn wir jetzt Abendmahl feiern ist es eine Vorwegnahme des himmlischen Festmahles, zu dem wir geladen sind. Mögen wir unsere Herzen öffnen für diese Möglichkeit neu anzufangen. Mit geöffneten Herzen ist dann auch der zornige und strafende Gott der, der begnadigt und heilt, wer sich ihm anvertraut. In Jesus offenbart sich Gott als der Liebende, wir müssen nur mit den Herzen und nicht nur mit den Ohren hören. Amen.