Mittwoch, 28. November 2007

Predigt zum Volkstrauertag am 18.11.2007 in Hörselgau - Mt 16, 1-4

Liebe Gemeinde,
ein Sprichwort sagt: Irren ist menschlich. Wenn wir uns das Leben als einen Weg vorstellen durch ein Gebiet, dass uns manchmal bekannt ist aber zumeist unbekannt, so wird schnell deutlich, dass wir oft vor der Wahl stehen, in welche Richtung es weiter gehen soll. Da kann es schon mal vorkommen, dass wir vom eigentlichen weg abkommen, uns verzetteln oder verlaufen im tiefen Wald des Unbekannten. Irren ist menschlich, doch ist es wichtig, einen Irrtum auch einzugestehen. Wer irrt, kann umkehren zurück zur Wahrheit, zurück auf den richtigen Weg treten, da wo wir festen Boden unter den Füßen haben und den Weg wieder vor uns sehen.

Wenn es heißt, irren ist menschlich, heißt das auch: wir machen alle einmal Fehler, ich genauso wie mein Nachbar, die Freunde, wir alle. Manchmal kann ein Fehler uns weiter bringen, nämlich dann, wenn wir aus ihm lernen und wieder neu anfangen. Wer hat nicht schon einmal eine Versicherung abgeschlossen und wurde dann enttäuscht, wenn es an den Ausgleich ging. Er wird das nächste Mal genauer auf das Kleingedruckte achten oder die richtigen Fragen stellen. Wer bereut es nicht ab und an, wenn er mit seiner schlechten Laune morgens aufsteht und der Hausfrieden schief hängt oder die Arbeitskollegen einem aus dem Weg gehen, weil man ungenießbar ist. Wer bereut nicht den Streit, den er wegen einer Lapalie mit seinem besten Freund angefangen hat und danach nichts mehr so ist, wie es vorher einmal war? Wir Menschen machen Fehler, irren uns, manche verrennen sich gar und bleiben in Sackgassen stecken. Wie gut ist es da, wenn wir wieder zurück können. Manchmal geht das nicht mehr – das Zurück gehen. Wenn man die Zeit zurück drehen möchte.

Gott kennt unsere Fehler und Schwächen, unsere Ängste und Sorgen, die wir meist heimlich mit uns herumschleppen. Was wir nicht wieder hinkriegen, dürfen wir in seine Hand legen. Dazu aber ist es nötig, dass wir Vergebung und Neuanfang wirklich wollen.

Der Prophet Jeremia sah sich zu seiner Zeit seinem eigenen Volk gegenüber gestellt, ein Volk, das völlig in die Irre gegangen war, ein Volk, dass sich von Gottes guten Wegen verabschiedet hatte, dass einer großen Katastrophe entgegen ging und nicht begriff, dass sein Weg ins Verderben führt. Im 8. Kapitel soll der Prophet dem Volk von Gott folgendes an den Kopf werfen:

„So spricht der HERR: Wo ist jemand, der, wenn er fällt, nicht gern wieder aufstehen würde? Wo ist jemand, der, wenn er in die Irre geht, nicht gern wieder auf den richtigen Weg käme? Warum will dieses Volk zu Jerusalem irregehen immer und immer wieder? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen. Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemanden, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Taube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.“

Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, diese Worte, vor 2600 Jahren geschrieben, sie hätten auch von gestern stammen können. Ein Volk, ein ganzes Land geht in die Irre. Das ist schon eine ziemlich schwere Ansage. Doch spricht Gott hier auch in unsere Zeit hinein. Wenn wir uns umsehen, so haben viele Menschen in unserer Region gar kein Verhältnis mehr zu ihrer Lebensgrundlage, zu Gott. Viele Menschen gehen in die Irre und meinen ihr Seelenheil am verkaufsoffenen Sonntag im Laden oder zweimal die Woche bei ALDI am Schnäppchentag zu erreichen. Wir lassen uns von selbsternannten Sterndeutern sagen, was wir hören wollen. Wir glauben das, was uns das Fernsehen vorgaukelt. Unser Drang nach Geld und Glück kennt kein Maß, wir gehen mit ausgefahrenen Ellenbogen durch die Welt und werden unglücklich, wenn wir es aus eigener Kraft nicht erreichen, weil die Arbeit nicht sicher ist, weil die Familie zerbricht, weil nicht klar, wohin die Reise eigentlich gehen soll.

Ich habe mit Absicht „Wir“ gesagt, weil ich den erhobenen Zeigefinger nicht mag. Auch ich mache Fehler und gehe in die Irre, wie wir alle, doch weiß ich, wo und wie ich zurückkomme auf die gerade Bahn und das ist Gott selbst, dem ich mich anvertrauen kann. Es ist Gottes Wort, dass mir die Orientierung vorgibt, wenn ich es ernst nehme. Was passiert, wenn ganze Landstriche gottlos werden, liegt doch auf der Hand: Es ist nicht mehr klar, was gut und was böse ist, wenn keiner mehr die zehn Gebote kennt, geschweige denn sie für das eigene Leben anwendet. Da legen junge Mütter ihre toten Babys in den Müll, anstatt sie zur Adoption freizugeben. Da wissen die Lehrer nicht mehr, wie sie den Kindern noch begegnen sollen, weil schon seit Generationen keine Werte und Hoffnungen mit auf den Weg gegeben werden. Da wird einer dem anderen zum Konkurrenten, bei der Suche nach Arbeit, bei der Verteilung der Sozialleistungen, des Geldes und Waren. Da beklagen wir den Abbau des Sozialstaates und haben selbst die Solidarität mit unserem Nächsten verlernt. Da ist es möglich, dass wir wegen der Spritpreise jammern und nicht mehr sehen, wie täglich eine Stadt so groß wie Gotha am Hunger verreckt.

Auch ich stöhne unter den Spritpreisen, doch wenn ich die Welt aus Gottes Blickwinkel sehen lerne, verstehe ich, wie gut es mir eigentlich geht. Ich erkenne, dass ich in die Irre gehe, wenn sich alles nur um mich und meinen Geldbeutel dreht. Gott sagt: Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was habe ich getan? Sie laufen alle ihren Lauf wie der Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Ein starkes Bild dieser Hengst, ein Tier, fremdbestimmt stürmt ohne Nachdenken in die Schlacht, in das Verderben. Gott bewahre uns, dass wir so gedankenlos in unser Unglück rennen und nicht nach links und rechts schauen! Ich denke, dass ist der Anspruch unseres Bibelwortes heute an uns. Das Bekennen der eigenen Fehler und der Mut zum Neuanfang, das möchte uns Gottes Wort auf den Weg geben. Nicht nur heute, sondern jeden Tag neu können wir neu anfangen. Besinnt euch auf den rechten Weg im Leben, da gibt es einen, der größer ist als wir, zu dem wir gehen können, an dessen Licht wir uns auf unseren Wegen ausrichten können, der alles zu einem guten Ziel und Ende führt. Wo wir Gott verlassen, da sind wir selbst verlassen. Denn was trägt mich denn, wenn mein Auto nicht mehr fährt, wenn mein Herz nicht mehr funktioniert, wenn ich meine Arbeit verliere, wenn mir das Hartz IV zum x-ten Male gekürzt wird, wenn meine Familie den Bach runtergeht, wenn ein lieber Mensch stirbt, wenn ich mich drehe und drehe und doch nicht vorankomme mit dem, was ich mir mal vorgestellt habe im Leben. Da helfen keine Schnäppchen, keine leeren Versprechungen, kein dickes Bankkonto, da hilft nur der, der all unser Vermögen übersteigt. Da hilft der, dessen Liebe uns erschaffen hat, der, der uns immer wieder sucht und findet, der, der unsere Herzen kennt und uns trotz aller Schuld immer wieder neu anfangen lässt. Das, liebe Gemeinde, ist der rechte Weg, der feste Boden unter den Füßen. Aus Fehlern lernen, zurückkehren, neu anfangen, aus der Sinnlosigkeit heraus das Ziel neu sehen lernen, das alles macht unser Leben heil und lässt es gelingen. Darum ist es gut, wenn wir heute unserer Gefallenen gedenken. Wir erinnern uns dabei nicht nur an das Leid der Familien sondern auch an die Schuld, die mit jedem Krieg auf den Menschen lastet. Das bringt uns dazu, nicht ziel- und gedankenlos durch unser Leben zu rennen, sondern inne zu halten und auch das, was nicht wieder gut zu machen ist, getrost in Gottes Hand zu geben. Denn es liegt nicht nur an uns, umzukehren, zugleich ist mit der Umkehr auch die Zusage verbunden, dass wer auf Gott vertraut, gerettet wird, dass Gott uns trägt und auch in Leid und Tod nicht aus seiner Hand gibt. Das gebe uns Kraft, Stärke und Hoffnung, die wir so dringend brauchen im Leben. Amen.