Liebe Gemeinde,
auf einem Berg zu stehen ist schön. Zwar haben wir im Thüringer Wald nicht allzu hohe Berge, doch auch das Gefühl auf dem Inselberg zu stehen, kann überwältigend sein, vorausgesetzt das Wetter ist gut und die Sicht ins Land. Berge spielen in den Religionen der Menschheit stets eine wichtige Rolle. So war eben auch der Inselberg in vorchristlicher Zeit ein heiliger Ort, wie auch der Alteberg, auf dem der „Alte“, also Wotan, auf dem Berg vermutet wurde. Schauen wir auf unsere ureigene christlich-jüdische Tradition, so kommt uns mancher Berg in den Sinn. Der Berg Sinai zum Beispiel, auf dem Mose die Grundregeln der Freiheit erhielt. Auf eben diesem Berg offenbarte sich Gott auch seinem Propheten Elia. Nicht im Sturm oder im Feuerblitz war er, sondern in dem leisen Säuseln des Windes. Jesus hielt seine bedeutenste Predigt auf einem Berg, die Bergpredigt und wurde gefangen auf dem Ölberg bei Jerusalem, gekreuzigt auf dem Berg Golgatha.
Berge haben etwas besonderes, Anziehendes für uns Menschen. Der Blick ändert sich, wenn über einem der Himmel sich weitet und unten die Landschaften uns zu Füßen liegen. Manche Sorge vielleicht, die uns bedrückt, mag von da oben anders sich dartun. Vom Inselberg z.B. sieht man ja auch unsere Dörfer hier an der Hörsel. Wie klein und weit weg wird dann mancher Ärger und manche Not, die wir mit diesen Orten einmal haben, ebenso klein und eingebettet in ein größeres Ganzes, das wir Welt oder Schöpfung nennen.
Liebe Gemeinde, auch wir werden heute gedanklich auf einen Berg geführt. Im Evangelium haben wir die Geschichte von Jesu Verklärung gehört. Auch sie spielt auf einem Berg, auf einem Gipfel und dies nicht nur im wörtlichen Sinn, sondern diese sonderbare und zunächst geheimnisvolle Begebenheit ist etwas wie ein kleiner Gipfel im Leben Jesu, aber besonders im Leben der Jünger und damit aller, die Jesus als ihren Herrn bekennen.
Nur noch einmal kurz die Beschreibung der Situation. Jesus nimmt seine drei engsten Vertrauten, Petrus, Jakobus und Johannes mit auf einen Berg. Welcher Berg dies sei, erscheint dem Evangelisten Matthäus belanglos, auch wenn vieles darauf hinweist, dass es der Berg Tabor in Galiläa war. Doch die Kennzeichnung des Ortes als Berg weist uns darauf hin, dass es eben ein besonderer Ort war – abgeschieden von der geschäftigen Welt. (Es gibt wohl kaum Verkehrswege die über Berggipfel führen.) An eben diesem Ort geschieht etwas Sonderbares. Jesus wird verklärt. Das gibt der Phantasie viel Raum zur Ausschmückung. Seine Kleider wurden hell wie das Licht, und sein Antlitz strahlte wie die Sonne. Mose und Elia, die beiden größten Gestalten der jüdischen Religion treten herzu, erscheinen.
Im griechischen Original heißt der Begriff, den Luther mit Verklärung übersetzte, Metamorphose. Dieses Wort kennen wir alle aus der Biologie z.B. Eine Raupe hängt an einem Blatt, kroch zuvor im Dreck, bildet eine seltsame Puppe, der Kokon, wie ein Sarg, um schließlich neu zu erstehen in völlig anderer Gestalt. Ein Schmetterling, farbig und leicht, fliegt und wiegt sich im Wind. Nicht umsonst ist dieses eindrucksvolle Schauspiel der Natur zu einem Symbol für die Auferstehung geworden. Jesus erfährt vor den Augen der Jünger eine Metamorphose, was wir deutsch eher als Verwandlung übersetzen würden. Wer weiß, ob es für andere sichtbar war oder nur für die glaubenden Herzen der Jünger. Jedoch hat es einen Stellenwert für die erste Christengemeinde in der Art gehabt, dass sie es weiter erzählten und aufschrieben, so wie Jesus es ihnen geboten hatte, erst davon jemandem zu sagen, wenn er durch seinen Sühnetod hindurch zum ewigen Vater zurück gekehrt sei.
Die drei überwältigten Jünger sehen den Lichtglanz – mit anderen Worten: ihr Herr und Meister stellt sich ihnen neu dar, er erscheint in anderem Licht, wie eben so manches gerade auf einem Berg in anderem Licht erscheinen kann. Es ist ein spiritueller Durchbruch könnte man sagen oder eine Vision. Ein Moment des Gipfels, ein Moment der Klarheit und Fülle, wie es sie selten in unserem Leben gibt. Doch kennen wir sie alle, wenn wir nur genau hinschauen – die seltenen Momente der klaren Erkenntnis, der Verwandlung. Nach einer schweren Krankheit wieder vollständig zu genesen, nach einem zähen und sinnlosen Streit die befreiende Versöhnung, nach schweren Tagen des Kummers und der Trauer, dann der erste Tag, an dem wir die Welt wieder mit klaren Blicken anschauen können, wie neu geboren; oder wenn wir etwas nach langer Suche finden, die Lösung zu einem Problem. Solche Momente tragen Verwandlung in sich, lassen uns wie verwandelt sein. Solche Momente sind wichtig für uns und geben uns Kraft, Gewissheit und Lebenssinn. Ganz ähnlich ist es mit religiösen Erfahrungen und Erlebnissen. Wenn Gott zu unseren Herzen spricht und wir ihn hören mit unserem Gefühl. Das passiert nicht jeden Sonntag, sondern vielleicht in Situationen, wenn wir gar nicht damit rechnen.
Ganz elementar und überwältigend war die Verklärung oder Verwandlung Jesu für die Jünger. Es war so, dass sie den Anblick nicht ertragen konnten, ihre Gesichter verdeckten und erst wieder aus ihrer Furcht entkamen, als Jesus sich ihnen zuwendete und sie berührte mit dem Satz auf den Lippen: Fürchtet euch nicht. Dies, liebe Gemeinde, ist – wie ich finde – wohl einer der eindrücklichsten Sätze der Bibel und wir hören und lesen ihn an vielen Stellen: Fürchtet euch nicht! Fürchte dich nicht!
Und es ist dieser Jesus, der auch uns berührt, der auf Menschen ohne Vorbehalte zugeht, der heilt, was krank und ausgestoßen ist, der Gemeinschaft stiftet, der mitlebt und mitleidet und darin uns Gottes Liebe vor Augen malt.
Und damit kommen wir zum eigentlichen Kern dessen, was uns diese Verklärungs- bzw. Verwandlungsgeschichte mitgeben will. Es ist dies – und hier müssen wir uns auf die Seite der Jünger schlagen, um den Lernprozess nach zu fühlen. Wir können die Momente des Gipfels, die hohen Momente nicht festhalten. Jesus reagiert gar nicht auf das Ansinnen des Petrus. Herr, hier ist ein guter Ort, Lass uns hier drei Hütten bauen. Das heißt doch: Wir können uns in den großen Momenten des Lebens nicht einrichten, wie in einem Haus. Sie sind wichtig und möglicherweise gar lebensnotwendig, sie erst lassen uns das Heilige erst erahnen. Doch unser Alltag sieht anders aus. Und gerade in diese Tiefen steigt Gott hinab. Auch dort ist er mit uns. Und was noch entscheidender ist – im Alltag wird der Glaube, wird das einmalige Erleben des Geheimnisses Gottes auf die Probe gestellt.
Jesus steigt vom Berg der Verklärung hinab, geht wieder in das alltägliche Geschäft hinein, begegnet der Welt und ihren Menschen, stößt mit seiner Liebe auf Widerstand und zerbricht an den Sünden dieser Welt, unseren Sünden. Er leidet und stirbt um neu zu erstehen. Und so ist die Verklärung Jesu, ein kurzer Augenblick nur, ein Vorgeschmack auf Ostern, vielleicht gar auch ein Weg, Ostern zu verstehen – der Augenblick der Vollendung, den wir festhalten wollen, der doch aber erst in Gottes Ewigkeit tatsächlich bestehen bleibt.
Das Entscheidende ist also der Gegensatz, dass der Verklärte und Erhöhte zunächst seinen Weg in die Niedrigkeit gehen muss, dass Gott selbst sich hineingibt in menschliches Erleben, in unsere Nöte und Sorgen, in unseren Schmerz, letztlich gar in unseren Tod hinein. Denn erst dort wird Gottes Liebe ganz und gar verstehbar, dort erst erreicht Jesu Weg sein Ziel. Vielleicht auch darum, damit wir alle diesen Moment vor Augen haben können, besser als der geheimnisvolle Lichtglanz ist das Kreuz. Das Kreuz, die Stunde seines, unseres Erlösers, Todes. Das ist ein Bild, das bleibt, weil wir es kennen. Weil wir wissen, was Tod bedeutet.
Ein Bild der Verklärung – wenngleich viele Maler es versucht haben, nachzuempfinden, wird immer nur eine Annäherung sein an etwas, das wir weder mit Worten noch mit Farben ausdrücken können, denn diese Momente bleiben ein Geheimnis, Gott selbst bleibt ein Geheimnis. Das ist ja allen Epiphanien, Gottesbegegnungen, von denen Menschen berichten, von denen wir in der Bibel lesen, gemeinsam. Gott selbst ist niemals sichtbar – nur in Zeichen, Hinweisen und Medien – im brennenden Dornenbusch, im säuselnden Wind, in Engeln und am handgreiflichsten in dem Menschen Jesus. Selig, wer die Zeichen zu deuten weiß.
Jesus steigt herab aus der Verklärung, er kommt vom Berg hinab. Die königliche Epiphaniaszeit geht zu Ende und die Vorfastenzeit beginnt, Jesu Weg in die Passion. Hier liegt die eigentliche Botschaft der Verklärung. Freilich wünschen wir uns den strahlenden Siegesgott, der unsere Anbetung ganz automatisch erzwingt. Freilich wünschen wir uns Gewissheit. Doch begegnen wir Gott viel konkreter in unserem Alltag, begegnen ihm in Jesus, der in vielem uns so nahe, so ganz und gar menschlich ist. Denn dort im Alltag ist er auch, der unsere Schmerzen und Ängste kennt, der uns berühren und trösten will, der auch unsere Freude und unser Glück teilt und trägt. Gott wohnt nicht nur auf einem heiligen Berg, er ist mitten unter uns durch Jesus, sein lebendiges Wort.
Liebe Gemeinde, ich wünsche uns Erfahrungen der besonderen Art, die dem Verklärungserlebnis gleich kommen. Doch können wir sie weder erzwingen, noch festhalten. Das Entscheidende ist die Zuwendung Gottes zu uns, sein Herabkommen in unsere kleine Welt. Dies nicht nur zu wissen, sondern es auch zu spüren, das gebe Gott jedem von uns. Denn das macht uns tatsächlich frei und lebendig, wenn wir es zulassen. Amen.
Samstag, 31. Januar 2009
Predigt 3.Sonntag nach Epiphanias / 25. Januar 2009 - Mt 8, 5-13
Liebe Gemeinde,
ich möchte heute eine Frage in den Raum stellen, die es in sich hat: Was trauen wir Gott eigentlich noch zu? Trauen wir uns noch, ihn um etwas zu bitten oder ist es uns peinlich zu beten, weil wir insgeheim daran zweifeln erhört zu werden? Wem trauen wir überhaupt noch etwas zu? Autoritäten haben es schwer in dieser Zeit. Das sehen wir am Vertrauensverlust auf der ganzen Linie – wir misstrauen den Parteien und Politikern, den Wirtschaftsbossen, den Lehrern und Ärzten, ja letztlich gar den Pfarrern. Vertrauensverlust auf der ganzen Linie. Wem trauen wir noch etwas zu? Wem geben wir unser Vertrauen?
Eben haben wir das Evangelium vom Hauptmann aus Kapernaum gehört. Der hat Vertrauen, ein Vertrauen, bei dem uns, bei dem sogar Jesus ganz schwindlig geworden ist. Dieser römische Offizier kommt zu Jesus und bittet ihn für seinen kranken Knecht. Es ist eine höchst merkwürdige Begebenheit – der Besatzer, der Heide, der Profi von Befehl und Gehorsam, der Spezialist in Sachen Krieg kommt zum jüdischen Zimmermann und Prediger mit einer Bitte. Er setzt sein Vertrauen in diesen Mann, von dem er wohl schon viel gehört hat. Er traut ihm zu, dass er ihm helfe.
Jesus reagiert verunsichert. Seine Antwort ist eher eine Frage: Und ich soll kommen und deinen Knecht gesund machen? Der Offizier entgegnet: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund! Und diese Ehrerbietung, diese Demut des mächtigen Mannes, wundert Jesus – so steht es geschrieben. Es wundert ihn. Und so wird der Glaube dieses Mannes, seine Unterwerfung, seine Demut, das eigentliche Wunder dieser Geschichte. Die Heilung ist Nebensache – sie wird nur beiläufig erwähnt: Zur selben Stunde wurde sein Knecht gesund. Der Hauptmann wird wohl erst zuhause erfahren haben, ob Jesu Wort Wirklichkeit wurde. Er verzichtet auf einen Beweis. Er glaubt, obwohl er nicht sieht. So sagt es Jesus mit Blick auf alle kommenden Generationen, als der ungläubige Thomas in seine – des Auferstandenen – Wunden fasst: Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.
So wird, liebe Gemeinde, dieser Soldat ein Vorbild des Glaubens. Glauben und Vertrauen ist eine schwere Sache. Es liegt für mich einiges aktuelles in dieser Geschichte. Bedenken wir, welch große Hürde für diesen Hauptmann der Weg zu Jesus und seine Bitte war. Er vertraut sich an, dem fremden Prediger. Er vertraut sich der Macht eines Gottes an, den er nicht kennt. Wieviel Hürden und Grenzen musste er wohl überwinden, um zu Jesus zu kommen, den Schritt auf ihn zu zu wagen? Seine Herkunft aus einer anderen Kultur, seine Standesdünkel als Besatzer und Befehlshaber der Juden, seine eigene Religion vielleicht, sein System von Befehl und Gehorsam, seine Scham. Was hier so leicht klingt, da kam einer und bat Jesus, das ist alles andere als leicht.
Und so sind wir wieder bei der eigentlichen Frage an uns alle: Was und wem trauen wir eigentlich? Ist es für uns selbstverständlich, zu Jesus zu gehen und ihn um etwas zu bitten – im Bewusstsein, dass nur er uns helfen kann? Wir tun uns schwer mit dem Vertrauen. Vielleicht auch deshalb, weil Vertrauen oft enttäuscht wurde. Todsichere Aktienpakete, die am Ende nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie stehen. Autoritäten und Staatsmänner, die das Volk in den Endsieg oder die klassenlose Gesellschaft führen wollten. Politiker, die vor der Wahl versprechen und hinterher sagen: Was interessiert mich mein Gerede von gestern?
Hier ist es verständlich, dass wir gelernt haben, misstrauisch zu sein. Dass wir hoffentlich nicht mehr so leicht verführbar sind und jeder Verheißung zu folgen. Und dennoch brauchen wir Vertrauen – zu denen, die uns nah sind, wir brauchen Menschen, auf deren Wort wir zählen können und wir brauchen vor allen Dingen Vertrauen auf Gott. Ein solches Vertrauen, wie der römische Militär Jesus entgegen bringt. Solches Vertrauen, solche bedingungslose Hingabe, gibt es nur dem gegenüber, der selbst ohne Bedingung ist, dem ewigen Gott, der höchsten denkbaren Autorität. Doch ist dies keine Macht, die uns enttäuscht. Es ist auch keine Autorität, die ihre Macht missbraucht oder uns tyrannisiert. Denn sie ist uns zugewandt und heilsam, wenn wir ihr vertrauen. Es ist die umfassende Liebe.
Der römische Hauptmann – ein Vorbild des Glaubens. Und doch müssen wir eine Einschränkung machen. Es heißt nicht, wenn wir Gott um etwas bitten, und es nicht geschieht, dass dann unser Glaube zu klein, zu ängstlich oder zu schwach ist. Es wäre fatal, wenn dies die Botschaft ist, die wir mitnehmen aus dieser Geschichte. Jeder Glaube ist ein Wunder. Das Kreuz des Glaubens ist es aber, dass nicht unser Wille geschehe, sondern dass Gottes Wille geschehe. Mit dem Vertrauen auf Gott können wir nicht jede Krankheit heilen, doch aber lernen, mit der Krankheit besser zu leben. Wir können nicht die geliebten Menschen erwecken, die der Tod uns nahm. Doch können wir Hoffnung erfahren, dass wir uns wieder sehen und können den Tod annehmen und mit ihm leben. Jesus sagt nicht zum Hauptmann: Dir geschehe, wie du willst! Sondern: Dir geschehe, wie du geglaubt hast! Du hast bedingungslos vertraut, dass Gott dir helfen wird, dass ich es bin, der dir und deinem Knecht helfen kann, so soll es geschehen.
Es lehrt uns also auch noch ein zweites, dieses Glaubensvorbild des Hauptmanns. Jeder kann zu Gott, kann zu Jesus finden. Er braucht keine Vorbildung, kein Wissen aus der Bibel, er braucht nur den Glauben, er braucht Vertrauen in den, der mächtiger ist als die größte Armee der Welt, den König der Könige, in dem allein das Heil liegt. So wird Jesu Begegnung mit dem Römer zugleich zur Verheißung für die vielen vielen Völker, die später von Jesus hören werden und ihn im Glauben als den Herrn erkennen und bekennen – die aus dem Osten und aus dem Westen kommen, um in Gottes Reich am Tisch zu sitzen. Der Hauptmann ist der erste Heide, der Jesus vertraut. Und dies eben ganz ohne Vorbehalt. Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund! Martin Luther hat diesen Mann einen Theologen genannt, einen, der von Gott redet. Dafür brauchte er nicht jahrelanges Studieren, sondern sein Vertrauen in Gott ist die eine große Wahrheit, die Gott uns abverlangt und sucht. Der Hauptmann redet von Gott und wir können uns fragen lassen, ob wir ebenso von Gott und mit Gott reden: Herr, ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sprich nur ein Wort, so wird mein Leben heil. Darin, liebe Gemeinde, liegt die ganze Theologie. Gott ist Herr. Ich bin voller Schuld. Doch ich vertraue Gott. So macht er mich heil.
Und so schließt sich der Bogen und wirft ein Blick auf das Heilige Mahl, dass uns sichtbar und unsichtbar zugleich mit Jesus verbindet. Zu ihm können wir gehen, ihm können wir vertrauen. Ich weiß, das ist schwer – jemandem vertrauen, vielleicht jemandem, dem wir nichts zutrauen, weil wir enttäuscht sind. Doch wünsche ich uns, dass wir in unserem Herzen zu ihm manchmal sagen lernen: Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele heil, so wird mein Leben gelingen. Denn dein ewiger Wille geschehe. Und nur du, Herr Jesus, kannst mir helfen. Trauen wir dem Wort, das Gott zu uns spricht, dem lebendigen Wort, welches Jesus genannt wird. Amen.
ich möchte heute eine Frage in den Raum stellen, die es in sich hat: Was trauen wir Gott eigentlich noch zu? Trauen wir uns noch, ihn um etwas zu bitten oder ist es uns peinlich zu beten, weil wir insgeheim daran zweifeln erhört zu werden? Wem trauen wir überhaupt noch etwas zu? Autoritäten haben es schwer in dieser Zeit. Das sehen wir am Vertrauensverlust auf der ganzen Linie – wir misstrauen den Parteien und Politikern, den Wirtschaftsbossen, den Lehrern und Ärzten, ja letztlich gar den Pfarrern. Vertrauensverlust auf der ganzen Linie. Wem trauen wir noch etwas zu? Wem geben wir unser Vertrauen?
Eben haben wir das Evangelium vom Hauptmann aus Kapernaum gehört. Der hat Vertrauen, ein Vertrauen, bei dem uns, bei dem sogar Jesus ganz schwindlig geworden ist. Dieser römische Offizier kommt zu Jesus und bittet ihn für seinen kranken Knecht. Es ist eine höchst merkwürdige Begebenheit – der Besatzer, der Heide, der Profi von Befehl und Gehorsam, der Spezialist in Sachen Krieg kommt zum jüdischen Zimmermann und Prediger mit einer Bitte. Er setzt sein Vertrauen in diesen Mann, von dem er wohl schon viel gehört hat. Er traut ihm zu, dass er ihm helfe.
Jesus reagiert verunsichert. Seine Antwort ist eher eine Frage: Und ich soll kommen und deinen Knecht gesund machen? Der Offizier entgegnet: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund! Und diese Ehrerbietung, diese Demut des mächtigen Mannes, wundert Jesus – so steht es geschrieben. Es wundert ihn. Und so wird der Glaube dieses Mannes, seine Unterwerfung, seine Demut, das eigentliche Wunder dieser Geschichte. Die Heilung ist Nebensache – sie wird nur beiläufig erwähnt: Zur selben Stunde wurde sein Knecht gesund. Der Hauptmann wird wohl erst zuhause erfahren haben, ob Jesu Wort Wirklichkeit wurde. Er verzichtet auf einen Beweis. Er glaubt, obwohl er nicht sieht. So sagt es Jesus mit Blick auf alle kommenden Generationen, als der ungläubige Thomas in seine – des Auferstandenen – Wunden fasst: Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.
So wird, liebe Gemeinde, dieser Soldat ein Vorbild des Glaubens. Glauben und Vertrauen ist eine schwere Sache. Es liegt für mich einiges aktuelles in dieser Geschichte. Bedenken wir, welch große Hürde für diesen Hauptmann der Weg zu Jesus und seine Bitte war. Er vertraut sich an, dem fremden Prediger. Er vertraut sich der Macht eines Gottes an, den er nicht kennt. Wieviel Hürden und Grenzen musste er wohl überwinden, um zu Jesus zu kommen, den Schritt auf ihn zu zu wagen? Seine Herkunft aus einer anderen Kultur, seine Standesdünkel als Besatzer und Befehlshaber der Juden, seine eigene Religion vielleicht, sein System von Befehl und Gehorsam, seine Scham. Was hier so leicht klingt, da kam einer und bat Jesus, das ist alles andere als leicht.
Und so sind wir wieder bei der eigentlichen Frage an uns alle: Was und wem trauen wir eigentlich? Ist es für uns selbstverständlich, zu Jesus zu gehen und ihn um etwas zu bitten – im Bewusstsein, dass nur er uns helfen kann? Wir tun uns schwer mit dem Vertrauen. Vielleicht auch deshalb, weil Vertrauen oft enttäuscht wurde. Todsichere Aktienpakete, die am Ende nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie stehen. Autoritäten und Staatsmänner, die das Volk in den Endsieg oder die klassenlose Gesellschaft führen wollten. Politiker, die vor der Wahl versprechen und hinterher sagen: Was interessiert mich mein Gerede von gestern?
Hier ist es verständlich, dass wir gelernt haben, misstrauisch zu sein. Dass wir hoffentlich nicht mehr so leicht verführbar sind und jeder Verheißung zu folgen. Und dennoch brauchen wir Vertrauen – zu denen, die uns nah sind, wir brauchen Menschen, auf deren Wort wir zählen können und wir brauchen vor allen Dingen Vertrauen auf Gott. Ein solches Vertrauen, wie der römische Militär Jesus entgegen bringt. Solches Vertrauen, solche bedingungslose Hingabe, gibt es nur dem gegenüber, der selbst ohne Bedingung ist, dem ewigen Gott, der höchsten denkbaren Autorität. Doch ist dies keine Macht, die uns enttäuscht. Es ist auch keine Autorität, die ihre Macht missbraucht oder uns tyrannisiert. Denn sie ist uns zugewandt und heilsam, wenn wir ihr vertrauen. Es ist die umfassende Liebe.
Der römische Hauptmann – ein Vorbild des Glaubens. Und doch müssen wir eine Einschränkung machen. Es heißt nicht, wenn wir Gott um etwas bitten, und es nicht geschieht, dass dann unser Glaube zu klein, zu ängstlich oder zu schwach ist. Es wäre fatal, wenn dies die Botschaft ist, die wir mitnehmen aus dieser Geschichte. Jeder Glaube ist ein Wunder. Das Kreuz des Glaubens ist es aber, dass nicht unser Wille geschehe, sondern dass Gottes Wille geschehe. Mit dem Vertrauen auf Gott können wir nicht jede Krankheit heilen, doch aber lernen, mit der Krankheit besser zu leben. Wir können nicht die geliebten Menschen erwecken, die der Tod uns nahm. Doch können wir Hoffnung erfahren, dass wir uns wieder sehen und können den Tod annehmen und mit ihm leben. Jesus sagt nicht zum Hauptmann: Dir geschehe, wie du willst! Sondern: Dir geschehe, wie du geglaubt hast! Du hast bedingungslos vertraut, dass Gott dir helfen wird, dass ich es bin, der dir und deinem Knecht helfen kann, so soll es geschehen.
Es lehrt uns also auch noch ein zweites, dieses Glaubensvorbild des Hauptmanns. Jeder kann zu Gott, kann zu Jesus finden. Er braucht keine Vorbildung, kein Wissen aus der Bibel, er braucht nur den Glauben, er braucht Vertrauen in den, der mächtiger ist als die größte Armee der Welt, den König der Könige, in dem allein das Heil liegt. So wird Jesu Begegnung mit dem Römer zugleich zur Verheißung für die vielen vielen Völker, die später von Jesus hören werden und ihn im Glauben als den Herrn erkennen und bekennen – die aus dem Osten und aus dem Westen kommen, um in Gottes Reich am Tisch zu sitzen. Der Hauptmann ist der erste Heide, der Jesus vertraut. Und dies eben ganz ohne Vorbehalt. Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund! Martin Luther hat diesen Mann einen Theologen genannt, einen, der von Gott redet. Dafür brauchte er nicht jahrelanges Studieren, sondern sein Vertrauen in Gott ist die eine große Wahrheit, die Gott uns abverlangt und sucht. Der Hauptmann redet von Gott und wir können uns fragen lassen, ob wir ebenso von Gott und mit Gott reden: Herr, ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sprich nur ein Wort, so wird mein Leben heil. Darin, liebe Gemeinde, liegt die ganze Theologie. Gott ist Herr. Ich bin voller Schuld. Doch ich vertraue Gott. So macht er mich heil.
Und so schließt sich der Bogen und wirft ein Blick auf das Heilige Mahl, dass uns sichtbar und unsichtbar zugleich mit Jesus verbindet. Zu ihm können wir gehen, ihm können wir vertrauen. Ich weiß, das ist schwer – jemandem vertrauen, vielleicht jemandem, dem wir nichts zutrauen, weil wir enttäuscht sind. Doch wünsche ich uns, dass wir in unserem Herzen zu ihm manchmal sagen lernen: Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele heil, so wird mein Leben gelingen. Denn dein ewiger Wille geschehe. Und nur du, Herr Jesus, kannst mir helfen. Trauen wir dem Wort, das Gott zu uns spricht, dem lebendigen Wort, welches Jesus genannt wird. Amen.
Predigt Epiphanias (6. Januar) 2009 - Mt 2, 1-12
Liebe Gemeinde!
In einem Märchen steckt meist mehr Wahrheit, als in jedem Zeitungsartikel, den wir lesen. Eine tiefere Wahrheit, die uns in unserem innersten Wesen trifft. Eine Wahrheit, die oft so einfach und ursprünglich daherkommt, dass wir sie nicht sehen wollen. Eine dieser Wahrheiten ist die Hoffnung, die in Märchen geweckt wird. Die Hoffnung, dass alles “gut” wird, dass alles im Leben seinen Sinn und seine Zeit hat, dass jeder am Ende seinen gerechten Lohn empfängt. Bei einem Märchen liegt die Wahrheit also nicht darin, dass die Geschichte so oder ähnlich stattgefunden hat. Ein Märchen spricht für sich.
Auch wir haben in der heutigen Lesung des Evangeliums in gewisser Weise ein Märchen gehört: die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Sie kamen um das neugeborene Jesuskind zu besuchen, anzubeten und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe zu schenken. Die meisten von Ihnen kennen die Geschichte, zumeist in ausgeschmückter Form. Da sind es die drei heiligen Könige Kaspar, Melchior und Balthasar. Das erinnert an die drei Königssöhne oder die drei Brüder, die in so vielen Märchen ihr Vaterhaus verlassen, um Aufgaben zu erfüllen, damit schließlich einer von ihnen die Königstochter und ein halbes Königreich gewinnt. Die Phantasie der christlichen Völker wußte noch mehr von den drei heiligen Königen in unserer Geschichte zu berichten. Den ersten von ihnen stellten sie sich bärtig vor, den anderen eher jugendlich, der letzte schließlich war von dunkler Gestalt. Auch der Stern, dem die Könige folgten, wird weiter getragen in der Tradition der Adventssterne. In der Vorweihnachtszeit erstrahlen sie in vielen Fenstern und Zimmern. Sie symbolisieren die freudige Erwartung des bevorstehenden Festes. Sie bringen Licht ins Dunkel unserer Winterabende.
Die Geschichte ist also bekannt und doch eigentlich nicht. Denn bei dem Evangelisten Matthäus, der als erster diese Geschichte aufschrieb, gibt es keine drei Könige, es gibt nur eine unbestimmte Menge von weisen Männern, die aus einem Nirgendwo im Osten kamen und in ein Nirgendwo wieder verschwinden. Aber solche Unterschiede müssen uns nicht interessieren. Wenn Matthäus das wichtig gewesen wäre, hätte er sich mehr bemüht, uns, den Lesern und Hörern, Namen, Herkunft, Aussehen der Weisen näher zu bringen. Ich sagte, In einem Märchen steckt meist mehr Wahrheit als in jedem Zeitungsartikel. Fragen wir also nach der Wahrheit, nach dem tieferen Sinn dieser Geschichte. Halten wir inne und versuchen der tieferen Wahrheit, die uns betrifft, nachzufühlen. Die Geschichte von den Weisen, die zu Jesus aus dem Nirgendwo kommen, ist unsere Geschichte.
Sehnsucht steht am Anfang jeder religiösen, jeder inneren Geschichte. Eine Geschichte erzählt von Veränderungen. Am Anfang ist immer alles dunkel und kompliziert. Da herrscht meist eine Situation, die hoffnungslos erscheint, aus der das Märchen herausführen will. Eine Situation, die nach Erlösung schreit. Hänsel und Gretel werden allein im Wald zurückgelassen. Goldmarie wird trotz ihres Fleißes von ihrer Schwiegermutter geplagt usw. Welche Sehnsucht steht nun am Anfang der Wanderung der weisen Männer aus dem Morgenland? Es ist doch wohl die Sehnsucht nach Erlösung, die Erwartung, dass das, wovon der Stern ihnen zeugt, entscheidende Bedeutung für ihr Leben und das Leben aller Menschen gewinnen wird. Warum rede ich von Sehnsucht, warum von Veränderung? Vielleicht hilft ein Gedanke, den der Bühnenautor Ionesco einmal äußerte: “Im Kreise gehen die Menschen, im Käfig ihres Planeten, weil sie vergessen haben, dass man zum Himmel aufblicken kann.”
Dieser Gedanke kann uns vielleicht aufschließen, worum es bei den Weisen aus dem Morgenland geht: Erlösung, inneres Freiwerden, der Beginn eines Neuen. Die Weisen aus dem Morgenland waren auf der Suche nach Erlösung. Es ist eine Sehnsucht nach etwas, das man verloren hat, nach etwas, das das Leben trägt, das nicht zerbricht an den Ecken und Kanten unseres Lebens. Eine Sehnsucht nach etwas, das uns über unsere enge und oft finstere Welt hinausweist auf eine Bestimmung, die alles in neuem Licht erstrahlen lässt. Nicht von Ungefähr lässt Matthäus hier weise Männer, Magier, aus fernen Ländern auftreten. Er will damit deutlich machen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit und an jedem Ort der Erlösung bedarf und auf der Suche nach ihr ist. Gottes neue Wirklichkeit, die sich Geltung verschaffen will in der Welt, gilt allen. Es bedarf keiner besonderen Begabung, keiner speziellen Herkunft, keines Vorwissens. Selbst am äußersten Ende der Welt sind die Menschen auf der Suche. Sie laufen im Kreis, im “Käfig ihres Planeten, denn sie haben vergessen, dass man zum Himmel aufblicken kann”.
Die weisen Männer haben zum Himmel hinaufgesehen. Sicher taten sie es nicht zum ersten Mal. Aber was sie dort sahen, war anders, anders als die Sterne, die sie vorher sahen. Etwas hatte sich verändert. Alles erstrahlt in einem anderen Licht. “Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.” sagen die Weisen, als sie in Jerusalem eintreffen. Der Stern steht für das, was in den Herzen der weisen Männer selbst angefangen hat. Der Stern ist bereits vor ihrem Aufbruch in das unbekannte Land da. Er gehört bereits zum Weg. Er ist das innere Licht, das unbestimmte Gefühl, die träumerische Ahnung, dass die Antwort auf all ihr Fragen dort auf sie wartet, wo dieses innere Licht sie hinführen wird. Es wird sich etwas verändern in ihnen, mit ihnen. Die Weisen hörten auf ihre innere Stimme. Sie folgten dem Licht, das in ihnen angefangen hatte, zu scheinen. Sie folgen ihrem Stern.
Doch ihr Weg führte zunächst scheinbar in die Irre, an einen Ort, wo der Stern, ihr Wegzeichen unsichtbar wurde, unsichtbar selbst für sie. Die weisen Männer kommen nach Jerusalem. Sie kamen dorthin, wo die Zentralen von Macht, Bildung, Reichtum und Einfluss sind. Es ist der Ort, wo die Weisen vermuten, dass dort sich große Veränderungen, neue Perspektiven zuerst Bahn brechen werden. Sie werden enttäuscht. Statt einer neuen heiligen Wirklichkeit treffen sie auf einen verängstigten König. Sie treffen auf religiöse Gelehrte, denen der Blick für das Wesentliche abhanden gekommen ist, in denen kein Stern mehr erstrahlt. Sie treffen eine in sich selbst ruhende Wirklichkeit, die sich über das Machbare, über Leistung definiert. Die Weisen sind scheinbar wieder in dem “Käfig ihres Planeten” angekommen, aus dem sie durch den “Blick zum Himmel” herausgeführt wurden. Doch diese erneute Konfrontation mit der nüchternen, vermeintlich einzig wirklichen Wirklichkeit ist notwendig. In Jerusalem erfahren die Suchenden mehr über ihr Ziel. Sie erfahren noch einmal mehr: Was sie suchen, ist in dem vergänglichen Glanz von Macht und Kalkül nicht zu finden. Was sie suchen, ist anders, es ist “nicht von dieser Welt”. Auch Herodes spürt plötzlich, dass seine Macht vergänglich ist. Hatte er sich vergeblich bemüht? Über wie viele Leichen ist er gegangen und wird noch gehen, um König zu sein? Herodes sieht es in den glühenden Blicken der Gottessucher: Das, was diese Menschen suchen, fragt nicht nach seiner Macht. Was diese Menschen suchen, stellt alles in Frage.
Der Stern, den Gott in den weisen Männern entzündet hat, führt auf geradem Wege hinaus aus dem Käfig der großen Stadt, hin in den kleinen, unbedeutenden Ort am Rande der großen Geschäftigkeit. Der Weg war nicht umsonst. In einem Kind erkennen die Weisen die neue Wirklichkeit, die Gott für alle Menschen will. Sie blicken auf zum Himmel. Ich habe mich oft gefragt, was es mit der Anbetung eines frisch geborenen Kindes auf sich hat. Ob die Weisen nicht vielleicht enttäuscht sind, ob nicht ihre Erwartungen etwas anders waren? Offenbar sind sie nicht enttäuscht. Matthäus berichtet in diesem Moment von keinem Reden, Diskutieren. Als sie das Haus betreten und das Kind sehen mit seiner Mutter, spricht niemand mehr. Sie knien nieder und beten in aller Stille das Kind an. Das Kind symbolisiert nicht nur das Neue, das Formbare, das nach unseren menschlichen Maßstäben Unfertige. Es offenbart sich den Weisen zunächst in dem Kind die Möglichkeit des eigenen Neuanfangs. Kinder werden geliebt, ja angebetet, obwohl sie nichts geleistet haben. Kinder müssen sich ihre Liebe nicht verdienen, sie fließt ihnen unverdient zu. So wird ihnen das Kind zum Zeichen für Gottes bedingungslose Liebe.
Es ist klar, niemand der Anwesenden kennt den Jesus, so wie wir ihn kennen: den Jesus der Bergpredigt oder der Gleichnisse, den Heilenden, letztlich den Jesus von Kreuz und Auferstehung. Den Vollkommenen, der die Unvollkommenheiten der Menschen auf sich lud und unschuldig an den Gitterstäben unseres Käfigs zerbrach und den Käfig gerade dadurch überwand. Das alles steht noch aus, in diesem Moment, den wir uns gerade vor Augen führen. Wir Christen feiern zu Weihnachten die Erscheinung einer neuen Wirklichkeit, die Erscheinung Gottes, dem Ursprung und der Tiefe allen Lebens in einem kleinen Menschenkind.
Das Ereignis bleibt für die Weisen nicht ohne Folgen. Entgegen der Abmachung, die sie mit Herodes trafen, kehren sie nicht wieder in die große Stadt zurück. Ihr Leben, ihr Weg hat eine Veränderung erfahren. Die Weisen haben nun endgültig verstanden, dass die Welt des Herodes nun keine Macht mehr hat. Sie ist vergänglich. Wer vor dem Kind gekniet hat, wem das Heilige in der schlichten Reinheit eines neugeborenen Lebens erschienen ist, ist frei, frei von den Zwängen und Vergänglichkeiten dieser Welt. Er hat sich selbst, sein Leben, sein Menschsein vor Gott wieder gefunden. Er hat aus seinem Käfig herauf zum Himmel geblickt.
Zu Beginn meinte ich, die Geschichte der sternkundigen Weisen ist unsere Geschichte. Sie geschieht jeden Tag, an jedem Ort unseres Planeten. Sie geschieht jeden Tag neu und anders. Durch Jesus den Erlöser kann uns aufleuchten, dass das, was ist, nicht alles ist. Behalten wir diese weihnachtlichen Bilder noch ein wenig in unseren Herzen. Gott will sich finden lassen. Und Gott lässt sich finden, er führt uns selbst zu sich hin. Oft auf Umwegen.
Aber es liegt auch an uns, wir müssen uns selbst auf den Weg machen. Ein jeder folge seinem Stern, den Gott uns eingepflanzt hat. Lassen Sie uns den Blick für seine Zeichen, das Hören auf unsere innere Stimme, auf unsere Träume nicht verlieren. Vielleicht sind wir der Gewissheit, dem Licht oft näher, als wir glauben. In das neue Jahr mit seinen Aufgaben, Anstrengungen und Veränderungen hinein kann uns die Geschichte begleiten. Mögen auch wir versuchen, neue Wege zu gehen. Wir, die wir wie die Weisen an Weihnachten das Kind in der Krippe angebetet haben. Für die sich der Himmel öffnete im Schein der Kerzen, im Kreise unserer Lieben. Im Spruch dieser Woche heißt es: “Die Finsternis vergeht, das wahre Licht scheint jetzt.” Vergessen wir nicht, öfter mal zum Himmel zu blicken, damit wir nicht wieder nur im “Kreis gehen, im Käfig unseres Planeten”. Möge der Stern von Bethlehem, das Licht der Erlösung in unseren Herzen das ganze Jahr leuchten und uns den Weg zu einem gelingenden Leben weisen. Amen.
In einem Märchen steckt meist mehr Wahrheit, als in jedem Zeitungsartikel, den wir lesen. Eine tiefere Wahrheit, die uns in unserem innersten Wesen trifft. Eine Wahrheit, die oft so einfach und ursprünglich daherkommt, dass wir sie nicht sehen wollen. Eine dieser Wahrheiten ist die Hoffnung, die in Märchen geweckt wird. Die Hoffnung, dass alles “gut” wird, dass alles im Leben seinen Sinn und seine Zeit hat, dass jeder am Ende seinen gerechten Lohn empfängt. Bei einem Märchen liegt die Wahrheit also nicht darin, dass die Geschichte so oder ähnlich stattgefunden hat. Ein Märchen spricht für sich.
Auch wir haben in der heutigen Lesung des Evangeliums in gewisser Weise ein Märchen gehört: die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Sie kamen um das neugeborene Jesuskind zu besuchen, anzubeten und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe zu schenken. Die meisten von Ihnen kennen die Geschichte, zumeist in ausgeschmückter Form. Da sind es die drei heiligen Könige Kaspar, Melchior und Balthasar. Das erinnert an die drei Königssöhne oder die drei Brüder, die in so vielen Märchen ihr Vaterhaus verlassen, um Aufgaben zu erfüllen, damit schließlich einer von ihnen die Königstochter und ein halbes Königreich gewinnt. Die Phantasie der christlichen Völker wußte noch mehr von den drei heiligen Königen in unserer Geschichte zu berichten. Den ersten von ihnen stellten sie sich bärtig vor, den anderen eher jugendlich, der letzte schließlich war von dunkler Gestalt. Auch der Stern, dem die Könige folgten, wird weiter getragen in der Tradition der Adventssterne. In der Vorweihnachtszeit erstrahlen sie in vielen Fenstern und Zimmern. Sie symbolisieren die freudige Erwartung des bevorstehenden Festes. Sie bringen Licht ins Dunkel unserer Winterabende.
Die Geschichte ist also bekannt und doch eigentlich nicht. Denn bei dem Evangelisten Matthäus, der als erster diese Geschichte aufschrieb, gibt es keine drei Könige, es gibt nur eine unbestimmte Menge von weisen Männern, die aus einem Nirgendwo im Osten kamen und in ein Nirgendwo wieder verschwinden. Aber solche Unterschiede müssen uns nicht interessieren. Wenn Matthäus das wichtig gewesen wäre, hätte er sich mehr bemüht, uns, den Lesern und Hörern, Namen, Herkunft, Aussehen der Weisen näher zu bringen. Ich sagte, In einem Märchen steckt meist mehr Wahrheit als in jedem Zeitungsartikel. Fragen wir also nach der Wahrheit, nach dem tieferen Sinn dieser Geschichte. Halten wir inne und versuchen der tieferen Wahrheit, die uns betrifft, nachzufühlen. Die Geschichte von den Weisen, die zu Jesus aus dem Nirgendwo kommen, ist unsere Geschichte.
Sehnsucht steht am Anfang jeder religiösen, jeder inneren Geschichte. Eine Geschichte erzählt von Veränderungen. Am Anfang ist immer alles dunkel und kompliziert. Da herrscht meist eine Situation, die hoffnungslos erscheint, aus der das Märchen herausführen will. Eine Situation, die nach Erlösung schreit. Hänsel und Gretel werden allein im Wald zurückgelassen. Goldmarie wird trotz ihres Fleißes von ihrer Schwiegermutter geplagt usw. Welche Sehnsucht steht nun am Anfang der Wanderung der weisen Männer aus dem Morgenland? Es ist doch wohl die Sehnsucht nach Erlösung, die Erwartung, dass das, wovon der Stern ihnen zeugt, entscheidende Bedeutung für ihr Leben und das Leben aller Menschen gewinnen wird. Warum rede ich von Sehnsucht, warum von Veränderung? Vielleicht hilft ein Gedanke, den der Bühnenautor Ionesco einmal äußerte: “Im Kreise gehen die Menschen, im Käfig ihres Planeten, weil sie vergessen haben, dass man zum Himmel aufblicken kann.”
Dieser Gedanke kann uns vielleicht aufschließen, worum es bei den Weisen aus dem Morgenland geht: Erlösung, inneres Freiwerden, der Beginn eines Neuen. Die Weisen aus dem Morgenland waren auf der Suche nach Erlösung. Es ist eine Sehnsucht nach etwas, das man verloren hat, nach etwas, das das Leben trägt, das nicht zerbricht an den Ecken und Kanten unseres Lebens. Eine Sehnsucht nach etwas, das uns über unsere enge und oft finstere Welt hinausweist auf eine Bestimmung, die alles in neuem Licht erstrahlen lässt. Nicht von Ungefähr lässt Matthäus hier weise Männer, Magier, aus fernen Ländern auftreten. Er will damit deutlich machen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit und an jedem Ort der Erlösung bedarf und auf der Suche nach ihr ist. Gottes neue Wirklichkeit, die sich Geltung verschaffen will in der Welt, gilt allen. Es bedarf keiner besonderen Begabung, keiner speziellen Herkunft, keines Vorwissens. Selbst am äußersten Ende der Welt sind die Menschen auf der Suche. Sie laufen im Kreis, im “Käfig ihres Planeten, denn sie haben vergessen, dass man zum Himmel aufblicken kann”.
Die weisen Männer haben zum Himmel hinaufgesehen. Sicher taten sie es nicht zum ersten Mal. Aber was sie dort sahen, war anders, anders als die Sterne, die sie vorher sahen. Etwas hatte sich verändert. Alles erstrahlt in einem anderen Licht. “Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.” sagen die Weisen, als sie in Jerusalem eintreffen. Der Stern steht für das, was in den Herzen der weisen Männer selbst angefangen hat. Der Stern ist bereits vor ihrem Aufbruch in das unbekannte Land da. Er gehört bereits zum Weg. Er ist das innere Licht, das unbestimmte Gefühl, die träumerische Ahnung, dass die Antwort auf all ihr Fragen dort auf sie wartet, wo dieses innere Licht sie hinführen wird. Es wird sich etwas verändern in ihnen, mit ihnen. Die Weisen hörten auf ihre innere Stimme. Sie folgten dem Licht, das in ihnen angefangen hatte, zu scheinen. Sie folgen ihrem Stern.
Doch ihr Weg führte zunächst scheinbar in die Irre, an einen Ort, wo der Stern, ihr Wegzeichen unsichtbar wurde, unsichtbar selbst für sie. Die weisen Männer kommen nach Jerusalem. Sie kamen dorthin, wo die Zentralen von Macht, Bildung, Reichtum und Einfluss sind. Es ist der Ort, wo die Weisen vermuten, dass dort sich große Veränderungen, neue Perspektiven zuerst Bahn brechen werden. Sie werden enttäuscht. Statt einer neuen heiligen Wirklichkeit treffen sie auf einen verängstigten König. Sie treffen auf religiöse Gelehrte, denen der Blick für das Wesentliche abhanden gekommen ist, in denen kein Stern mehr erstrahlt. Sie treffen eine in sich selbst ruhende Wirklichkeit, die sich über das Machbare, über Leistung definiert. Die Weisen sind scheinbar wieder in dem “Käfig ihres Planeten” angekommen, aus dem sie durch den “Blick zum Himmel” herausgeführt wurden. Doch diese erneute Konfrontation mit der nüchternen, vermeintlich einzig wirklichen Wirklichkeit ist notwendig. In Jerusalem erfahren die Suchenden mehr über ihr Ziel. Sie erfahren noch einmal mehr: Was sie suchen, ist in dem vergänglichen Glanz von Macht und Kalkül nicht zu finden. Was sie suchen, ist anders, es ist “nicht von dieser Welt”. Auch Herodes spürt plötzlich, dass seine Macht vergänglich ist. Hatte er sich vergeblich bemüht? Über wie viele Leichen ist er gegangen und wird noch gehen, um König zu sein? Herodes sieht es in den glühenden Blicken der Gottessucher: Das, was diese Menschen suchen, fragt nicht nach seiner Macht. Was diese Menschen suchen, stellt alles in Frage.
Der Stern, den Gott in den weisen Männern entzündet hat, führt auf geradem Wege hinaus aus dem Käfig der großen Stadt, hin in den kleinen, unbedeutenden Ort am Rande der großen Geschäftigkeit. Der Weg war nicht umsonst. In einem Kind erkennen die Weisen die neue Wirklichkeit, die Gott für alle Menschen will. Sie blicken auf zum Himmel. Ich habe mich oft gefragt, was es mit der Anbetung eines frisch geborenen Kindes auf sich hat. Ob die Weisen nicht vielleicht enttäuscht sind, ob nicht ihre Erwartungen etwas anders waren? Offenbar sind sie nicht enttäuscht. Matthäus berichtet in diesem Moment von keinem Reden, Diskutieren. Als sie das Haus betreten und das Kind sehen mit seiner Mutter, spricht niemand mehr. Sie knien nieder und beten in aller Stille das Kind an. Das Kind symbolisiert nicht nur das Neue, das Formbare, das nach unseren menschlichen Maßstäben Unfertige. Es offenbart sich den Weisen zunächst in dem Kind die Möglichkeit des eigenen Neuanfangs. Kinder werden geliebt, ja angebetet, obwohl sie nichts geleistet haben. Kinder müssen sich ihre Liebe nicht verdienen, sie fließt ihnen unverdient zu. So wird ihnen das Kind zum Zeichen für Gottes bedingungslose Liebe.
Es ist klar, niemand der Anwesenden kennt den Jesus, so wie wir ihn kennen: den Jesus der Bergpredigt oder der Gleichnisse, den Heilenden, letztlich den Jesus von Kreuz und Auferstehung. Den Vollkommenen, der die Unvollkommenheiten der Menschen auf sich lud und unschuldig an den Gitterstäben unseres Käfigs zerbrach und den Käfig gerade dadurch überwand. Das alles steht noch aus, in diesem Moment, den wir uns gerade vor Augen führen. Wir Christen feiern zu Weihnachten die Erscheinung einer neuen Wirklichkeit, die Erscheinung Gottes, dem Ursprung und der Tiefe allen Lebens in einem kleinen Menschenkind.
Das Ereignis bleibt für die Weisen nicht ohne Folgen. Entgegen der Abmachung, die sie mit Herodes trafen, kehren sie nicht wieder in die große Stadt zurück. Ihr Leben, ihr Weg hat eine Veränderung erfahren. Die Weisen haben nun endgültig verstanden, dass die Welt des Herodes nun keine Macht mehr hat. Sie ist vergänglich. Wer vor dem Kind gekniet hat, wem das Heilige in der schlichten Reinheit eines neugeborenen Lebens erschienen ist, ist frei, frei von den Zwängen und Vergänglichkeiten dieser Welt. Er hat sich selbst, sein Leben, sein Menschsein vor Gott wieder gefunden. Er hat aus seinem Käfig herauf zum Himmel geblickt.
Zu Beginn meinte ich, die Geschichte der sternkundigen Weisen ist unsere Geschichte. Sie geschieht jeden Tag, an jedem Ort unseres Planeten. Sie geschieht jeden Tag neu und anders. Durch Jesus den Erlöser kann uns aufleuchten, dass das, was ist, nicht alles ist. Behalten wir diese weihnachtlichen Bilder noch ein wenig in unseren Herzen. Gott will sich finden lassen. Und Gott lässt sich finden, er führt uns selbst zu sich hin. Oft auf Umwegen.
Aber es liegt auch an uns, wir müssen uns selbst auf den Weg machen. Ein jeder folge seinem Stern, den Gott uns eingepflanzt hat. Lassen Sie uns den Blick für seine Zeichen, das Hören auf unsere innere Stimme, auf unsere Träume nicht verlieren. Vielleicht sind wir der Gewissheit, dem Licht oft näher, als wir glauben. In das neue Jahr mit seinen Aufgaben, Anstrengungen und Veränderungen hinein kann uns die Geschichte begleiten. Mögen auch wir versuchen, neue Wege zu gehen. Wir, die wir wie die Weisen an Weihnachten das Kind in der Krippe angebetet haben. Für die sich der Himmel öffnete im Schein der Kerzen, im Kreise unserer Lieben. Im Spruch dieser Woche heißt es: “Die Finsternis vergeht, das wahre Licht scheint jetzt.” Vergessen wir nicht, öfter mal zum Himmel zu blicken, damit wir nicht wieder nur im “Kreis gehen, im Käfig unseres Planeten”. Möge der Stern von Bethlehem, das Licht der Erlösung in unseren Herzen das ganze Jahr leuchten und uns den Weg zu einem gelingenden Leben weisen. Amen.
Predigt Altjahresabend 2008 - Lk 12, 35-40
Liebe Gemeinde,
der letzte Abend des Jahres ist ein besonderer Moment. Für mich persönlich scheint die Zeit wie im Flug vergangen. Der Silvesterabend des letzten Jahres scheint gerade eine Woche her zu sein. Ich glaube, das geht vielen unter uns so: Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Der letzte Abend des Jahres dient auch dem Rückblick auf das, was war. Wir ziehen Bilanz, schließen unsere Kassen, machen schon neue Pläne und wollen vielleicht einen Moment lang einfach alles loslassen, ehe ein neues Jahr mit alten und neuen Aufgaben, mit alten und neuen Sorgen, aber sicher auch mit neuen, hoffentlich guten Erfahrungen beginnt.
Einfach mal loslassen – das wäre schön und vielleicht gelingt es uns hier und da. Das Evangelium scheint da anderes zu fordern an diesem Abend. Jesus erzählt seinen Jüngern eine Geschichte von Knechten und Mägden, die auf ihren Herrn warten, dass er nach Hause kommt. Er soll sie wachend finden – bereit für seine Ankunft, wachsam, damit Haus und Hof nichts Übles widerfährt.
Da scheint nichts zu sein mit ein paar Stunden mehr Schlaf am Neujahrstag. Das, liebe Gemeinde, mag auf den ersten Blick so sein. Wachen statt loslassen. Die müden Augen offen halten, statt zu schlummern. Ich denke, Jesus erzählt uns dies Gleichnis aus einem anderen Grund.
Wachsam sein für den Herrn ist ein Bild für etwas, was uns wohl selten gelingt. Und darum ist wohl ein solch besonderer Abend wie der heutige, ein guter Zeitpunkt, uns an die Wachsamkeit des Herzens zu erinnern.
Stille werden und hineinlauschen in das eigene Leben – der heutige Abend bietet einen Anlass dafür. Wo ist mir Gott begegnet im vergangenen Jahr? Solch ein innerer Jahresrückblick zeigt manche Wendungen im Leben, die erst in der Rückschau durchsichtig und ansichtig werden. Ein verbauter Weg, der neue Türen öffnete. Ein Schicksalsschlag, der neue Möglichkeiten bot. Eine Erfahrung, die mich weiter bringt, auch wenn sie schmerzt und weh tut. Geschenke des Alltags, kleine unbedeutende Dinge, für die wir aber dankbar sein können, doch im Augenblick blind dafür waren.
Das alles, liebe Gemeinde, ist Wachsamkeit, Lauschen auf die Schwingungen Gottes in unserem Leben. Hellhörig werden für die Geheimnisse des Lebens. Für solches Hören und Wachen brauchen wir immer wieder einen Perspektivwechsel, der es uns ermöglicht, uns selbst und unsere Welt mit anderen Augen und Ohren zu vernehmen. Die Gottesdienste laden hierzu ein, vielleicht auch die Zeit, die wir für uns selbst bereit halten, um zu hören, was da eigentlich ist, in uns und um uns herum.
Ich persönlich kann beim Radfahren ganz gut abschalten und etwas loslassen, um es mit anderen Augen sehen zu lernen. Auch dies ist vielleicht eine Art Gottesdienst, wenn ich meine Seele leer mache, aufräume, frischen Wind in den Kopf bekomme, um dann wieder wachsamer für das Leben und den kommenden Herrn zu sein. Denn in meinem Alltag entscheidet sich, ob der Herr vor verschlossenen Türen steht, weil ich seelisch schlafe oder einfach nur taub geworden bin für ihn, der zu mir kommen will.
Was haben wir ganz praktisch davon, wachsam zu sein? Auch diese Frage beantwortet Jesu Gleichnis. Die Geschichte der wachsamen Diener und Dienerinnen nimmt eine fast bizarre Wendung. Wenn der Herr sie wachend findet, dann wird er seinen Dienern dienen. Der Herr wird Diener und die Diener werden Herren. So ist es verheißen. So klingt es nach, wenn Jesus über sein Leben und Werk spricht: Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um selbst zu dienen. Der fröhliche Wechsel klingt auch in den Weihnachtsliedern nach, wenn es heißt: „Der Herr wird Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein. Er äußert sich all seiner G´walt und wird ein Kindlein klein.“
Für unsere praktische Alltagsbewältigung heißt das nichts anderes als: Wenn ich wachsam für Gott durch mein Leben gehe, dann werde ich reich beschenkt durch ihn. Dann wird er selbst mir Diener, wird er mir dienlich sein. Es ist wohl klar, liebe Gemeinde, dass wir Gott nie zwingen könnten, uns zu dienen. Er tut dies freiwillig, ohne unser Zutun – er tut es aus lauter unfasslicher Liebe. Doch liegt es an uns, wachsam zu sein. Mit anderen Worten – dass wir mit ihm rechnen in unserem Leben, dass er uns begegnen will. Das können Menschen sein, die uns über den Weg laufen, die uns herausfordern, klarer zu sein, in unseren Standpunkten, in unserer Liebe, in unserem täglichen Tun und Lassen. Gott ist für Überraschungen gut und er kriegt es hin, uns zu verändern, wenn wir ihm einen Platz im Herzen lassen. Wenn wir wachsam sind und auf die großen Atembewegungen der liebenden göttlichen Mächte lauschen.
Wachsam sein heißt auch, sich den Herausforderungen zu stellen, im Kleinen wie im Großen. Der Kirche im Großen steht das Amt der Wachsamkeit gut an, wenn es darum geht, wo unser Land und unsere Gesellschaft hinsteuern. Da sind Anfragen zu stellen: nach Stammzellforschung, nach Bildungsarmut, nach Sterbehilfe, nach sozialer Gerechtigkeit, nach Macht und Ohnmacht des Marktes. Um nur einige Nöte und Fragen unserer Zeit zu nennen. Es sind diese Entwicklungen kritisch, klar und wachsam zu prüfen, letztlich um die guten von den bösen Geistern zu scheiden, zu warnen, aufmerksam zu machen, damit der Herr uns nicht schlafend findet. Mit anderen Worten, damit wir nicht in die Irre gehen an einen Ort, an dem Gott nicht mehr zu finden ist.
Liebe Gemeinde, Hoffnung und Vertrauen machen uns reich. Wenn wir auf den kommenden Herrn vertrauen, werden wir beschenkt. Schon jetzt in unserem Leben, und in der Vollendung, die wir erwarten dürfen, wenn Gott alles in allem sein wird. Solche Wachsamkeit wünsche ich uns allen an diesem Abend, im Rückblick auf das Gute und das weniger Gute der Vergangenheit. Wer weiß, was daraus wird. Doch das Vertrauen auf Gott, das Raumgeben für seine Sicht der Dinge und sein Wirken an uns und in der Welt, kann uns tragen, kann uns verändern und uns helfen. Ja, Gott selbst wird uns dienlich sein, wenn wir auf ihn warten und er uns wachsam und aufmerksam findet.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, liebe Gemeinde, einen besinnlichen Jahreswechsel, der auch Raum lässt zur Freude und zum Dank für alles, was war, für alles, was Gott uns gegeben hat. Die Wachsamkeit aber bleibe für alle Tage des kommenden Jahres und wer weiß, was in der Zwischenzeit mit uns geschieht, was wir berichten können, wenn wir uns nächstes Jahr an dieser Stelle wieder sehen. Im Vertrauen auf Gott wird es gelingen, was immer auch kommt. Amen.
der letzte Abend des Jahres ist ein besonderer Moment. Für mich persönlich scheint die Zeit wie im Flug vergangen. Der Silvesterabend des letzten Jahres scheint gerade eine Woche her zu sein. Ich glaube, das geht vielen unter uns so: Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Der letzte Abend des Jahres dient auch dem Rückblick auf das, was war. Wir ziehen Bilanz, schließen unsere Kassen, machen schon neue Pläne und wollen vielleicht einen Moment lang einfach alles loslassen, ehe ein neues Jahr mit alten und neuen Aufgaben, mit alten und neuen Sorgen, aber sicher auch mit neuen, hoffentlich guten Erfahrungen beginnt.
Einfach mal loslassen – das wäre schön und vielleicht gelingt es uns hier und da. Das Evangelium scheint da anderes zu fordern an diesem Abend. Jesus erzählt seinen Jüngern eine Geschichte von Knechten und Mägden, die auf ihren Herrn warten, dass er nach Hause kommt. Er soll sie wachend finden – bereit für seine Ankunft, wachsam, damit Haus und Hof nichts Übles widerfährt.
Da scheint nichts zu sein mit ein paar Stunden mehr Schlaf am Neujahrstag. Das, liebe Gemeinde, mag auf den ersten Blick so sein. Wachen statt loslassen. Die müden Augen offen halten, statt zu schlummern. Ich denke, Jesus erzählt uns dies Gleichnis aus einem anderen Grund.
Wachsam sein für den Herrn ist ein Bild für etwas, was uns wohl selten gelingt. Und darum ist wohl ein solch besonderer Abend wie der heutige, ein guter Zeitpunkt, uns an die Wachsamkeit des Herzens zu erinnern.
Stille werden und hineinlauschen in das eigene Leben – der heutige Abend bietet einen Anlass dafür. Wo ist mir Gott begegnet im vergangenen Jahr? Solch ein innerer Jahresrückblick zeigt manche Wendungen im Leben, die erst in der Rückschau durchsichtig und ansichtig werden. Ein verbauter Weg, der neue Türen öffnete. Ein Schicksalsschlag, der neue Möglichkeiten bot. Eine Erfahrung, die mich weiter bringt, auch wenn sie schmerzt und weh tut. Geschenke des Alltags, kleine unbedeutende Dinge, für die wir aber dankbar sein können, doch im Augenblick blind dafür waren.
Das alles, liebe Gemeinde, ist Wachsamkeit, Lauschen auf die Schwingungen Gottes in unserem Leben. Hellhörig werden für die Geheimnisse des Lebens. Für solches Hören und Wachen brauchen wir immer wieder einen Perspektivwechsel, der es uns ermöglicht, uns selbst und unsere Welt mit anderen Augen und Ohren zu vernehmen. Die Gottesdienste laden hierzu ein, vielleicht auch die Zeit, die wir für uns selbst bereit halten, um zu hören, was da eigentlich ist, in uns und um uns herum.
Ich persönlich kann beim Radfahren ganz gut abschalten und etwas loslassen, um es mit anderen Augen sehen zu lernen. Auch dies ist vielleicht eine Art Gottesdienst, wenn ich meine Seele leer mache, aufräume, frischen Wind in den Kopf bekomme, um dann wieder wachsamer für das Leben und den kommenden Herrn zu sein. Denn in meinem Alltag entscheidet sich, ob der Herr vor verschlossenen Türen steht, weil ich seelisch schlafe oder einfach nur taub geworden bin für ihn, der zu mir kommen will.
Was haben wir ganz praktisch davon, wachsam zu sein? Auch diese Frage beantwortet Jesu Gleichnis. Die Geschichte der wachsamen Diener und Dienerinnen nimmt eine fast bizarre Wendung. Wenn der Herr sie wachend findet, dann wird er seinen Dienern dienen. Der Herr wird Diener und die Diener werden Herren. So ist es verheißen. So klingt es nach, wenn Jesus über sein Leben und Werk spricht: Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um selbst zu dienen. Der fröhliche Wechsel klingt auch in den Weihnachtsliedern nach, wenn es heißt: „Der Herr wird Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein. Er äußert sich all seiner G´walt und wird ein Kindlein klein.“
Für unsere praktische Alltagsbewältigung heißt das nichts anderes als: Wenn ich wachsam für Gott durch mein Leben gehe, dann werde ich reich beschenkt durch ihn. Dann wird er selbst mir Diener, wird er mir dienlich sein. Es ist wohl klar, liebe Gemeinde, dass wir Gott nie zwingen könnten, uns zu dienen. Er tut dies freiwillig, ohne unser Zutun – er tut es aus lauter unfasslicher Liebe. Doch liegt es an uns, wachsam zu sein. Mit anderen Worten – dass wir mit ihm rechnen in unserem Leben, dass er uns begegnen will. Das können Menschen sein, die uns über den Weg laufen, die uns herausfordern, klarer zu sein, in unseren Standpunkten, in unserer Liebe, in unserem täglichen Tun und Lassen. Gott ist für Überraschungen gut und er kriegt es hin, uns zu verändern, wenn wir ihm einen Platz im Herzen lassen. Wenn wir wachsam sind und auf die großen Atembewegungen der liebenden göttlichen Mächte lauschen.
Wachsam sein heißt auch, sich den Herausforderungen zu stellen, im Kleinen wie im Großen. Der Kirche im Großen steht das Amt der Wachsamkeit gut an, wenn es darum geht, wo unser Land und unsere Gesellschaft hinsteuern. Da sind Anfragen zu stellen: nach Stammzellforschung, nach Bildungsarmut, nach Sterbehilfe, nach sozialer Gerechtigkeit, nach Macht und Ohnmacht des Marktes. Um nur einige Nöte und Fragen unserer Zeit zu nennen. Es sind diese Entwicklungen kritisch, klar und wachsam zu prüfen, letztlich um die guten von den bösen Geistern zu scheiden, zu warnen, aufmerksam zu machen, damit der Herr uns nicht schlafend findet. Mit anderen Worten, damit wir nicht in die Irre gehen an einen Ort, an dem Gott nicht mehr zu finden ist.
Liebe Gemeinde, Hoffnung und Vertrauen machen uns reich. Wenn wir auf den kommenden Herrn vertrauen, werden wir beschenkt. Schon jetzt in unserem Leben, und in der Vollendung, die wir erwarten dürfen, wenn Gott alles in allem sein wird. Solche Wachsamkeit wünsche ich uns allen an diesem Abend, im Rückblick auf das Gute und das weniger Gute der Vergangenheit. Wer weiß, was daraus wird. Doch das Vertrauen auf Gott, das Raumgeben für seine Sicht der Dinge und sein Wirken an uns und in der Welt, kann uns tragen, kann uns verändern und uns helfen. Ja, Gott selbst wird uns dienlich sein, wenn wir auf ihn warten und er uns wachsam und aufmerksam findet.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, liebe Gemeinde, einen besinnlichen Jahreswechsel, der auch Raum lässt zur Freude und zum Dank für alles, was war, für alles, was Gott uns gegeben hat. Die Wachsamkeit aber bleibe für alle Tage des kommenden Jahres und wer weiß, was in der Zwischenzeit mit uns geschieht, was wir berichten können, wenn wir uns nächstes Jahr an dieser Stelle wieder sehen. Im Vertrauen auf Gott wird es gelingen, was immer auch kommt. Amen.
Predigt Heiliges Christfest - Joh 1, 1-14
Liebe Gemeinde,
im Zentrum der Predigt steht heute ein Text, der wohl zu den schönsten aber auch schwierigsten der Bibel gehört. Es ist der Vorspann zum Johannesevangelium, den wir eben gehört haben, mit seinen großen Worten: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Goethes Faust sagt hierzu: „Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort. Hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort. Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen!“ Und in der Tat handelt es sich wohl kaum um ein Wort, als einer Zusammensetzung einzelner Buchstaben, die einen Sinn ergeben. Das griechische Wort für Wort heißt Logos und hat viele Bedeutungen. Denken Sie an die Biologie, die Geologie, Soziologie oder eben auch die Theologie und die Logik. Das sind Wissenschaften, die mit den Regeln und Rahmenbedingungen der menschlichen Vernunft Bilder der Welt erschaffen wollen. Wir nähern uns der Welt, wir erfassen sie mit unserer Logik, dem Verstand und der Vernunft. Da gibt es weltweit gleiche Strukturen für das, was wir Vernunft nennen. So ist es möglich, dass in Japan genauso wie in Argentinien 2 plus 2 selbstverständlich 4 ergibt. Alles andere wäre unlogisch. Logos also, die Vernunft, dieses unsichtbare Ding, an dem der eine mehr oder weniger hat, war schon vor uns da. Und doch redet der Dichter des Johannesevangeliums nicht nur von einem unpersönlichen Prinzip. Sondern von einem Gott, bei dem das Wort, die Vernunft ist, und der selbst diese Vernunft ist. Er erzählt von einem Geheimnis auf eine geheimnisvolle Weise. Er erzählt die Schöpfungsgeschichte neu. Wenn wir an den Anfang der Bibel denken, da spricht Gott: Es werde, und es ward. Gott schafft durch sein Wort. Mit anderen Worten, Gott bringt Struktur in die Finsternis und das Chaos. Er bringt Licht und Klarheit in die Dinge, so dass 2 und 2 tatsächlich 4 ergeben können. Wo Licht ist, da ist der Weg vor Augen. Gott schafft durch sein Wort, und er ist selbst das schaffende Wort. Hierin steckt das Geheimnis, dass wir Gott nicht so einfach ausrechnen können, wie die Gleichung 2 plus 2, sondern nach seiner Selbstoffenbarung Ausschau halten. Wir ahnen Gott in der Welt, in dem, was sein Wort schuf, doch geht er darin nicht auf. Er ist das schöpferische Wort, der Gedanke, der hinter allem steckt und ist es doch nicht selbst, sondern er spricht es.
Liebe Gemeinde, denken wir an unsere eigenen Worte. Worte können eine ganze Welt in unseren Gedanken erschaffen. Mein Sohn liest zur Zeit die Trilogie von „Tintenherz“. In diesem modernen Märchen geht es darum, dass Worte das Gesprochene Wirklichkeit werden lassen. Die Geschichte, die vorgelesen wird, die Figuren daraus werden leibhaftig, gegenständlich. Es ist gut, dass es nur ein Märchen ist. Denn unsere Worte bringen nicht immer Gutes hervor. Und auch in besagtem Buch wird diese Fähigkeit nicht zur Gnade sondern zum Fluch. Wenn jedes böse Wort eine Gestalt annähme, wäre unsere Erde wohl ein finsterer und böser Fleck. Wenn ich sage, dass unsere Worte Welten erschaffen, so nehmen wir z.B. das Wort Zukunft. Wenn wir dieses Wort nicht hätten, bliebe in unseren Gedanken gar kein Platz für das, was kommen wird. Wenn wir das Wort Zukunft aussprechen, so hat jeder eine Vorstellung davon – eine verheißungsvolle hoffentlich, mancher vielleicht eine weniger helle. Doch werden in uns Bilder wach beim Gedanken an eine Zukunft. Dennoch bleibt es etwas jenseits von uns, etwas Ungegenständliches, das durchaus anders sein kann, als wir es uns vorstellen. So ist es auch mit Begriffen wie Leben, Tod oder dem Wort „Gott“. Dass es ein solches Wort wie Gott gibt, hat man lange als Hinweis darauf gesehen, dass es so etwas, was dieses Wort meint, auch tatsächlich gibt. Wir Menschen sind in der Lage über das, was uns vor Augen ist hinaus zu denken – unsere Zukunft, unsere Hoffnung, unser eigenes Sterbenmüssen, Gott. Es ist nicht verfügbar und doch ist es da. Das große Wunder nun ist aber, dass Gottes Wort, das schöpferische Prinzip der Welt, die lebendige Kraft, selbst sich offenbart hat. Und so heißt es: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Und wenig vorher heißt: Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn gemacht, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden. Liebe Gemeinde, wenn wir so wollen, ist die ganze Heilsgeschichte in diesen wenigen Worten präsent. Das macht das Großartige dieser Dichtung aus. Gott schuf mit seinem Wort die Welt. Und das Wort selbst wurde Welt in Jesus. Gott kam in sein Eigentum, doch die Finsternis hat das Licht nicht ergriffen. Diejenigen aber, die ihn Gott in Jesus Christus aufgenommen haben und ihn noch heute aufnehmen, diese sind Gottes Kinder, Kinder des Lichts. Ein weiter Bogen in wenigen Worten. Von der Schöpfung bis zu uns nach Hg/Ww/Fs. Die Fleischwerdung, das Kommen in die Niederungen dieser Welt ist die große Weihnachtsbotschaft. Und wir hören zwischen den Zeilen heraus, warum das Wort Fleisch wurde: damit es auf neue Weise die Finsternis erhelle. Wie Gott anfangs Licht und Dunkel trennte, die Strukturen ordnete, dem Leben eine Richtung gab, so sollte sein fleischgewordenes Wort, unter den Menschen sein, um diese zu erretten vor der Finsternis, in der sie gefangen sind, weil sie die Vernunft, den göttlichen Atem, das Licht noch nicht ergriffen hatten. Wer diesen Jesus erkennt und in ihm das Licht einer größeren Macht, der sieht seine Herrlichkeit. Wer erkennt, dass er mit seinem Leben, seiner Lehre und seinen Taten einen neuen Weg einschlug, ein neues Bild des Menschseins vorlebte, der wird in ihm größeres sehen lernen, als das Bild eines jüdischen Lehrers oder Propheten, der erkennt in ihm Gott selbst. Greifbarer und menschlicher hätte Gott nicht zu unseren Herzen und Seelen sprechen können als durch Jesus, sein lebendiges Wort.
Es ist eine höhere Vernunft, die in der Welt waltet als die, die uns sagt, dass 2 und 2 4 sind. Es ist das Geheimnis des Lebens, dass einer unfassbaren Liebe entspringt. Davon kündet Jesus als Erwachsener, davon singen die Weihnachtslieder, dass das Geheimnis und Wunder des Lebens schon in diesem Kind in der Krippe sichtbar ist. Es ist das wahre Licht, kein bloßer Schein, kein Blitzlicht, sondern das wahre Licht. Es ist zart und viele übersehen es, doch die es ergreift, führt es zu Gott selbst. Das, liebe Gemeinde, ist das Wunder der Weihnacht. Ich wünsche uns, dass das wahre Licht unsere Herzen erleuchtet, dass wir es aufnehmen und nicht gleich wieder zum Alltag übergehen. Denn das Wunder, dass Gott Mensch wurde, damit wir Kinder Gottes werden, ist ein Wunder für jeden Tag des Jahres, nicht nur zur Weihnachtszeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien geruhsame und besinnliche Tage, die uns spüren lassen, was wirklich wichtig ist, Gnade und Wahrheit, Frieden und Erlösung. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
im Zentrum der Predigt steht heute ein Text, der wohl zu den schönsten aber auch schwierigsten der Bibel gehört. Es ist der Vorspann zum Johannesevangelium, den wir eben gehört haben, mit seinen großen Worten: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Goethes Faust sagt hierzu: „Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort. Hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort. Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen!“ Und in der Tat handelt es sich wohl kaum um ein Wort, als einer Zusammensetzung einzelner Buchstaben, die einen Sinn ergeben. Das griechische Wort für Wort heißt Logos und hat viele Bedeutungen. Denken Sie an die Biologie, die Geologie, Soziologie oder eben auch die Theologie und die Logik. Das sind Wissenschaften, die mit den Regeln und Rahmenbedingungen der menschlichen Vernunft Bilder der Welt erschaffen wollen. Wir nähern uns der Welt, wir erfassen sie mit unserer Logik, dem Verstand und der Vernunft. Da gibt es weltweit gleiche Strukturen für das, was wir Vernunft nennen. So ist es möglich, dass in Japan genauso wie in Argentinien 2 plus 2 selbstverständlich 4 ergibt. Alles andere wäre unlogisch. Logos also, die Vernunft, dieses unsichtbare Ding, an dem der eine mehr oder weniger hat, war schon vor uns da. Und doch redet der Dichter des Johannesevangeliums nicht nur von einem unpersönlichen Prinzip. Sondern von einem Gott, bei dem das Wort, die Vernunft ist, und der selbst diese Vernunft ist. Er erzählt von einem Geheimnis auf eine geheimnisvolle Weise. Er erzählt die Schöpfungsgeschichte neu. Wenn wir an den Anfang der Bibel denken, da spricht Gott: Es werde, und es ward. Gott schafft durch sein Wort. Mit anderen Worten, Gott bringt Struktur in die Finsternis und das Chaos. Er bringt Licht und Klarheit in die Dinge, so dass 2 und 2 tatsächlich 4 ergeben können. Wo Licht ist, da ist der Weg vor Augen. Gott schafft durch sein Wort, und er ist selbst das schaffende Wort. Hierin steckt das Geheimnis, dass wir Gott nicht so einfach ausrechnen können, wie die Gleichung 2 plus 2, sondern nach seiner Selbstoffenbarung Ausschau halten. Wir ahnen Gott in der Welt, in dem, was sein Wort schuf, doch geht er darin nicht auf. Er ist das schöpferische Wort, der Gedanke, der hinter allem steckt und ist es doch nicht selbst, sondern er spricht es.
Liebe Gemeinde, denken wir an unsere eigenen Worte. Worte können eine ganze Welt in unseren Gedanken erschaffen. Mein Sohn liest zur Zeit die Trilogie von „Tintenherz“. In diesem modernen Märchen geht es darum, dass Worte das Gesprochene Wirklichkeit werden lassen. Die Geschichte, die vorgelesen wird, die Figuren daraus werden leibhaftig, gegenständlich. Es ist gut, dass es nur ein Märchen ist. Denn unsere Worte bringen nicht immer Gutes hervor. Und auch in besagtem Buch wird diese Fähigkeit nicht zur Gnade sondern zum Fluch. Wenn jedes böse Wort eine Gestalt annähme, wäre unsere Erde wohl ein finsterer und böser Fleck. Wenn ich sage, dass unsere Worte Welten erschaffen, so nehmen wir z.B. das Wort Zukunft. Wenn wir dieses Wort nicht hätten, bliebe in unseren Gedanken gar kein Platz für das, was kommen wird. Wenn wir das Wort Zukunft aussprechen, so hat jeder eine Vorstellung davon – eine verheißungsvolle hoffentlich, mancher vielleicht eine weniger helle. Doch werden in uns Bilder wach beim Gedanken an eine Zukunft. Dennoch bleibt es etwas jenseits von uns, etwas Ungegenständliches, das durchaus anders sein kann, als wir es uns vorstellen. So ist es auch mit Begriffen wie Leben, Tod oder dem Wort „Gott“. Dass es ein solches Wort wie Gott gibt, hat man lange als Hinweis darauf gesehen, dass es so etwas, was dieses Wort meint, auch tatsächlich gibt. Wir Menschen sind in der Lage über das, was uns vor Augen ist hinaus zu denken – unsere Zukunft, unsere Hoffnung, unser eigenes Sterbenmüssen, Gott. Es ist nicht verfügbar und doch ist es da. Das große Wunder nun ist aber, dass Gottes Wort, das schöpferische Prinzip der Welt, die lebendige Kraft, selbst sich offenbart hat. Und so heißt es: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Und wenig vorher heißt: Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn gemacht, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden. Liebe Gemeinde, wenn wir so wollen, ist die ganze Heilsgeschichte in diesen wenigen Worten präsent. Das macht das Großartige dieser Dichtung aus. Gott schuf mit seinem Wort die Welt. Und das Wort selbst wurde Welt in Jesus. Gott kam in sein Eigentum, doch die Finsternis hat das Licht nicht ergriffen. Diejenigen aber, die ihn Gott in Jesus Christus aufgenommen haben und ihn noch heute aufnehmen, diese sind Gottes Kinder, Kinder des Lichts. Ein weiter Bogen in wenigen Worten. Von der Schöpfung bis zu uns nach Hg/Ww/Fs. Die Fleischwerdung, das Kommen in die Niederungen dieser Welt ist die große Weihnachtsbotschaft. Und wir hören zwischen den Zeilen heraus, warum das Wort Fleisch wurde: damit es auf neue Weise die Finsternis erhelle. Wie Gott anfangs Licht und Dunkel trennte, die Strukturen ordnete, dem Leben eine Richtung gab, so sollte sein fleischgewordenes Wort, unter den Menschen sein, um diese zu erretten vor der Finsternis, in der sie gefangen sind, weil sie die Vernunft, den göttlichen Atem, das Licht noch nicht ergriffen hatten. Wer diesen Jesus erkennt und in ihm das Licht einer größeren Macht, der sieht seine Herrlichkeit. Wer erkennt, dass er mit seinem Leben, seiner Lehre und seinen Taten einen neuen Weg einschlug, ein neues Bild des Menschseins vorlebte, der wird in ihm größeres sehen lernen, als das Bild eines jüdischen Lehrers oder Propheten, der erkennt in ihm Gott selbst. Greifbarer und menschlicher hätte Gott nicht zu unseren Herzen und Seelen sprechen können als durch Jesus, sein lebendiges Wort.
Es ist eine höhere Vernunft, die in der Welt waltet als die, die uns sagt, dass 2 und 2 4 sind. Es ist das Geheimnis des Lebens, dass einer unfassbaren Liebe entspringt. Davon kündet Jesus als Erwachsener, davon singen die Weihnachtslieder, dass das Geheimnis und Wunder des Lebens schon in diesem Kind in der Krippe sichtbar ist. Es ist das wahre Licht, kein bloßer Schein, kein Blitzlicht, sondern das wahre Licht. Es ist zart und viele übersehen es, doch die es ergreift, führt es zu Gott selbst. Das, liebe Gemeinde, ist das Wunder der Weihnacht. Ich wünsche uns, dass das wahre Licht unsere Herzen erleuchtet, dass wir es aufnehmen und nicht gleich wieder zum Alltag übergehen. Denn das Wunder, dass Gott Mensch wurde, damit wir Kinder Gottes werden, ist ein Wunder für jeden Tag des Jahres, nicht nur zur Weihnachtszeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien geruhsame und besinnliche Tage, die uns spüren lassen, was wirklich wichtig ist, Gnade und Wahrheit, Frieden und Erlösung. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Predigt zum 1. Advent 2008 - Mt 21, 1-9
Liebe Gemeinde,
eben haben wir das Evangelium gehört. Das heute beginnende Kirchenjahr beginnt auch mit einer neuen Reihe von Predigttexten. Wir werden im kommenden Jahr die Evangelien der Sonntage wieder zu predigen haben. Frohe Botschaften also für das ganze Jahr. Unser Herr und Bruder Jesus tritt wieder ganz nah an uns heran, wenn wir bedenken, was seine Worte, sein Leben, sein Wandel unter uns Menschen zu bedeuten haben und wie er uns dadurch Wege weist zur Erlösung und zum Glauben. Der heutige Predigttext also handelt von Jesu Einzug in Jerusalem. Unsere Frage wird also sein: Was ist das Spektakuläre daran, dass jemand auf einem Esel reitet, dem niedrigsten aller Lasttiere? Warum wird diese Geschichte überhaupt erzählt? Und was hat das eigentlich mit Advent, Lebkuchen und Stollen zu tun?
Es gibt auf den ersten Blick nichts Aufregendes an dieser Geschichte des Einzugs. Luther sagte: Jesus kam nicht für die Augen daher, sondern für Herz und Ohren. Vergleichen wir mal das Auftreten großer Persönlichkeiten mit der Geschichte hier. Das wäre so, als wenn ein Staatsmann nicht in der Staatskarosse in feinem Zwirn und Nadelstreif vorfährt, sondern da kommt einer mit dem billigsten aller Fahrzeuge, einem alten Klapprad vielleicht, das nicht einmal ihm gehört. Wer würde schon Notiz davon nehmen? Ähnlich erging es den Bewohnern von Jerusalem die das Geschrei der Leute hörten, die mit Jesus in die Stadt einzogen: Hosianna dem Sohn Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ War nicht David auch immer auf einem kräftigen, streitbaren Hengst unterwegs, begleitet von hunderten Soldaten. Was ist das für ein König, der sich sogar den jämmerlichen Esel ausleihen muss, auf dem er daher kommt, weil er nichts hat, als das, was er auf dem Leibe trägt?
Sogleich wird erinnert an die Verheißungen des Propheten Sacharja im Alten Testament: Freue dich, Tochter Zion, siehe dein König kommt zu dir. Sanftmütig und auf einem Esel reitend und einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers. Es wird deutlich. Jesus muss nicht mit Zeichen der Macht und Kraft, die wir Menschen brauchen, einziehen. Was wäre das auch für ein Wettkampf gewesen. Spätestens die Aufmärsche der großen Diktatoren im vergangenen Jahrhundert hätten Jesu Machtdemonstration in den Schatten stellen müssen. Jesu ärmliches und sanftmütiges Erscheinungsbild macht uns klar: Gottes Reich wird anders sein und ist es bereits, als alle unsere Vorstellungen von Macht. Denn was haben die Mächtigen dieser Welt denn noch zu bieten außer Glanz und Gloria. Die amerikanischen Manager, die in Firmenjets nach Washington für 20.000 Dollar je Flug und dann die Regierung um Geld anbetteln, weil sie ihre Macht missbraucht und in ihrer Gier die ganze Kohle in den Sand gesetzt haben. Wir merken schnell, da stimmt das Bild nicht. Unsere Augen trügen uns oft. Der äußere Schein ist eben nur ein Schein und keine Wahrheit. Die Fürsten und Großen dieser Welt kommen und gehen. Und was bleibt ist die spektakuläre Fassade. Doch Jesus kommt, um Gottes Reich anzufangen – ein unsichtbares Reich und was er bringt, kann niemand sonst bringen: Er will unsere Last tragen, wie der Esel, auf dem er sitzt. Das gebeutelte und belastete Volk will er tragen mit Sanftmut und einer unaussprechlichen Liebe, die die Welt verändert. Was braucht es da der Machterweise, dem großen Pomp? Nicht für die Augen wird uns dieses Spektakel geboten, sondern für unser Herz, dass wir erkennen, wer da kommt: Unser Heiligmacher und Seelentröster, der Herzenskünder, der Friedensfürst, der uns erlösen will von Schuld, Tod und den negativen Mächten, die in uns schlummern, uns einzwängen und ängstigen. Jesus will unsere Herzen erreichen, nicht die Aufmerksamkeit der BILD-Zeitung oder brisant-Sendungen. Freue dich, Tochter Zion, siehe dein König kommt zu dir. Nach dem Evangeliumstext folgt noch ein Vers, der – wie ich finde – dazu gehört. Dort heißt es: Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? Matthäus benutzt hier das gleiche Wort für erregen wie erbeben. Wir finden es an anderen wichtigen Stellen: bei Jesu Kreuzigung erbebte die Erde, als die Frauen das leere Grab finden, erbebte die Erde. Was ist das für ein Beben? Vielleicht meint es eine innere Erschütterung dieser Welt, ebenso innerlich und damit auf den ersten Blick so wenig machtvoll wie Jesu Reiten auf dem Esel. Und doch ist nichts mehr wie es war. Wie ein leises Wehen so begegnete Elia einst dem HERRN am Gottesberg, nicht im Sturm und Donner, sondern in dem sanften Wehen, fast unmerklich und zart. So ist das, wenn Gott in diese Welt hinein kommt, wenn er sein Reich baut, klein, sanft und unmerklich. Es ist eben nichts äußerliches, sondern ein geistliches und inneres Geschehen. Darum, liebe Gemeinde, hören wir jeden 1. Advent von diesem seltsamen Kommen eines sanften Königs, der keine Macht über Armeen und Finanzmärkte hat, doch aber über Tod, Krankheit und Angst, der uns mit seiner Liebe anstecken will, damit Gott in uns Wohnung nimmt und uns und unsere Welt verändert. Ganz leise und unbemerkt. Wir mögen diesen unscheinbaren und sanftmütigen König aufnehmen und willkommen heißen. Dafür brauchen wir nicht mit unseren Augen Ausschau halten. Denn unseren oberflächlichen Blickwinkel ist Jesus nicht sichtbar, nur für unser Herz ist er sichtbar. Ein Herz und Ohr, das die leisen Töne zu hören vermag. Ein Herz, das bereit ist, sich von der Liebe anstecken zu lassen, die auf leisen Sohlen daher kommt und in manchem Herz schon schlummert und wie ein Dornröschen geweckt werden will um zu neuem Leben zu erblühen. Der Herr des Gottesreichs kommt nicht wie ein weltlicher Fürst, weil sein Reich nicht von dieser Welt ist. Das ist verstörend und lässt die Gemüter innerlich erbeben. Was maßt sich dieser dahergelaufene Prophet an? Daran ist Jesu Leben selbst so tragisch geendet am Kreuz. Seine Liebe, die diese Welt nicht begreifen und ertragen konnte, war sein Stolperstein. Doch war auch dies ein Zeichen seiner Liebe, sein Sterben für uns alle, zu unserer Erlösung. Advent, liebe Gemeinde, ist also eine besinnliche Zeit. Weniger der Glanz der Schaufenster ist wichtig, sondern ein Herz, das sich bereit macht, den König der Könige, unseren Heilsbringer, den ewigen Gott in der ärmlichen Gestalt der Liebe aufzunehmen. Dem adventlichen Glanz unserer Einkaufshäuser und Weihnachtsmärkte hätte der Friedefürst mit seinem Esel wenig entgegen zu setzen. Nichts für das Auge, doch aber für unser Herz und unsere Seele. Dafür sollten wir uns Zeit nehmen in dieser Adventszeit. Neben dem Einkaufs- und Vorbereitungsstress für Weihnachten nicht den Grund unserer Vorfreude vergessen, den Gott, der unsere Herzen erstürmen und erobern will, der uns frei machen will von Schuld, Angst und Tod, der uns mit seiner Liebe umfängt, ganz sanft und unscheinbar und doch so tief und existenziell. Er ist der Kommende an jedem Tag im Jahr, der wenn wir wollen in uns lebt und uns verändert zur Ewigkeit hin. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine besinnliche Adventszeit, in der wir Wartende und Lauschende sind. Wer längere Zeit auf jemanden wartet, der wird aufmerksamer. Er versucht in jedem, den er von weitem sieht, etwas von dem zu sehen, den er erwartet. Aufmerksam werden für Gott, für sein Wort, für Jesus, für die Liebe, die wir so dringend brauchen. Dafür gibt es Advent, die Zeit der Vorbereitung und des Hörens des Herzens. Möge Gott die Tore unserer Herzen weit und offen machen, damit er mit seiner Liebe und unserem Heiland einziehen kann. Mehr braucht es nicht als dies. „Komm, mein Heiland, Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. …
Und der Friede Gottes, der höher ist alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
eben haben wir das Evangelium gehört. Das heute beginnende Kirchenjahr beginnt auch mit einer neuen Reihe von Predigttexten. Wir werden im kommenden Jahr die Evangelien der Sonntage wieder zu predigen haben. Frohe Botschaften also für das ganze Jahr. Unser Herr und Bruder Jesus tritt wieder ganz nah an uns heran, wenn wir bedenken, was seine Worte, sein Leben, sein Wandel unter uns Menschen zu bedeuten haben und wie er uns dadurch Wege weist zur Erlösung und zum Glauben. Der heutige Predigttext also handelt von Jesu Einzug in Jerusalem. Unsere Frage wird also sein: Was ist das Spektakuläre daran, dass jemand auf einem Esel reitet, dem niedrigsten aller Lasttiere? Warum wird diese Geschichte überhaupt erzählt? Und was hat das eigentlich mit Advent, Lebkuchen und Stollen zu tun?
Es gibt auf den ersten Blick nichts Aufregendes an dieser Geschichte des Einzugs. Luther sagte: Jesus kam nicht für die Augen daher, sondern für Herz und Ohren. Vergleichen wir mal das Auftreten großer Persönlichkeiten mit der Geschichte hier. Das wäre so, als wenn ein Staatsmann nicht in der Staatskarosse in feinem Zwirn und Nadelstreif vorfährt, sondern da kommt einer mit dem billigsten aller Fahrzeuge, einem alten Klapprad vielleicht, das nicht einmal ihm gehört. Wer würde schon Notiz davon nehmen? Ähnlich erging es den Bewohnern von Jerusalem die das Geschrei der Leute hörten, die mit Jesus in die Stadt einzogen: Hosianna dem Sohn Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ War nicht David auch immer auf einem kräftigen, streitbaren Hengst unterwegs, begleitet von hunderten Soldaten. Was ist das für ein König, der sich sogar den jämmerlichen Esel ausleihen muss, auf dem er daher kommt, weil er nichts hat, als das, was er auf dem Leibe trägt?
Sogleich wird erinnert an die Verheißungen des Propheten Sacharja im Alten Testament: Freue dich, Tochter Zion, siehe dein König kommt zu dir. Sanftmütig und auf einem Esel reitend und einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers. Es wird deutlich. Jesus muss nicht mit Zeichen der Macht und Kraft, die wir Menschen brauchen, einziehen. Was wäre das auch für ein Wettkampf gewesen. Spätestens die Aufmärsche der großen Diktatoren im vergangenen Jahrhundert hätten Jesu Machtdemonstration in den Schatten stellen müssen. Jesu ärmliches und sanftmütiges Erscheinungsbild macht uns klar: Gottes Reich wird anders sein und ist es bereits, als alle unsere Vorstellungen von Macht. Denn was haben die Mächtigen dieser Welt denn noch zu bieten außer Glanz und Gloria. Die amerikanischen Manager, die in Firmenjets nach Washington für 20.000 Dollar je Flug und dann die Regierung um Geld anbetteln, weil sie ihre Macht missbraucht und in ihrer Gier die ganze Kohle in den Sand gesetzt haben. Wir merken schnell, da stimmt das Bild nicht. Unsere Augen trügen uns oft. Der äußere Schein ist eben nur ein Schein und keine Wahrheit. Die Fürsten und Großen dieser Welt kommen und gehen. Und was bleibt ist die spektakuläre Fassade. Doch Jesus kommt, um Gottes Reich anzufangen – ein unsichtbares Reich und was er bringt, kann niemand sonst bringen: Er will unsere Last tragen, wie der Esel, auf dem er sitzt. Das gebeutelte und belastete Volk will er tragen mit Sanftmut und einer unaussprechlichen Liebe, die die Welt verändert. Was braucht es da der Machterweise, dem großen Pomp? Nicht für die Augen wird uns dieses Spektakel geboten, sondern für unser Herz, dass wir erkennen, wer da kommt: Unser Heiligmacher und Seelentröster, der Herzenskünder, der Friedensfürst, der uns erlösen will von Schuld, Tod und den negativen Mächten, die in uns schlummern, uns einzwängen und ängstigen. Jesus will unsere Herzen erreichen, nicht die Aufmerksamkeit der BILD-Zeitung oder brisant-Sendungen. Freue dich, Tochter Zion, siehe dein König kommt zu dir. Nach dem Evangeliumstext folgt noch ein Vers, der – wie ich finde – dazu gehört. Dort heißt es: Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? Matthäus benutzt hier das gleiche Wort für erregen wie erbeben. Wir finden es an anderen wichtigen Stellen: bei Jesu Kreuzigung erbebte die Erde, als die Frauen das leere Grab finden, erbebte die Erde. Was ist das für ein Beben? Vielleicht meint es eine innere Erschütterung dieser Welt, ebenso innerlich und damit auf den ersten Blick so wenig machtvoll wie Jesu Reiten auf dem Esel. Und doch ist nichts mehr wie es war. Wie ein leises Wehen so begegnete Elia einst dem HERRN am Gottesberg, nicht im Sturm und Donner, sondern in dem sanften Wehen, fast unmerklich und zart. So ist das, wenn Gott in diese Welt hinein kommt, wenn er sein Reich baut, klein, sanft und unmerklich. Es ist eben nichts äußerliches, sondern ein geistliches und inneres Geschehen. Darum, liebe Gemeinde, hören wir jeden 1. Advent von diesem seltsamen Kommen eines sanften Königs, der keine Macht über Armeen und Finanzmärkte hat, doch aber über Tod, Krankheit und Angst, der uns mit seiner Liebe anstecken will, damit Gott in uns Wohnung nimmt und uns und unsere Welt verändert. Ganz leise und unbemerkt. Wir mögen diesen unscheinbaren und sanftmütigen König aufnehmen und willkommen heißen. Dafür brauchen wir nicht mit unseren Augen Ausschau halten. Denn unseren oberflächlichen Blickwinkel ist Jesus nicht sichtbar, nur für unser Herz ist er sichtbar. Ein Herz und Ohr, das die leisen Töne zu hören vermag. Ein Herz, das bereit ist, sich von der Liebe anstecken zu lassen, die auf leisen Sohlen daher kommt und in manchem Herz schon schlummert und wie ein Dornröschen geweckt werden will um zu neuem Leben zu erblühen. Der Herr des Gottesreichs kommt nicht wie ein weltlicher Fürst, weil sein Reich nicht von dieser Welt ist. Das ist verstörend und lässt die Gemüter innerlich erbeben. Was maßt sich dieser dahergelaufene Prophet an? Daran ist Jesu Leben selbst so tragisch geendet am Kreuz. Seine Liebe, die diese Welt nicht begreifen und ertragen konnte, war sein Stolperstein. Doch war auch dies ein Zeichen seiner Liebe, sein Sterben für uns alle, zu unserer Erlösung. Advent, liebe Gemeinde, ist also eine besinnliche Zeit. Weniger der Glanz der Schaufenster ist wichtig, sondern ein Herz, das sich bereit macht, den König der Könige, unseren Heilsbringer, den ewigen Gott in der ärmlichen Gestalt der Liebe aufzunehmen. Dem adventlichen Glanz unserer Einkaufshäuser und Weihnachtsmärkte hätte der Friedefürst mit seinem Esel wenig entgegen zu setzen. Nichts für das Auge, doch aber für unser Herz und unsere Seele. Dafür sollten wir uns Zeit nehmen in dieser Adventszeit. Neben dem Einkaufs- und Vorbereitungsstress für Weihnachten nicht den Grund unserer Vorfreude vergessen, den Gott, der unsere Herzen erstürmen und erobern will, der uns frei machen will von Schuld, Angst und Tod, der uns mit seiner Liebe umfängt, ganz sanft und unscheinbar und doch so tief und existenziell. Er ist der Kommende an jedem Tag im Jahr, der wenn wir wollen in uns lebt und uns verändert zur Ewigkeit hin. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine besinnliche Adventszeit, in der wir Wartende und Lauschende sind. Wer längere Zeit auf jemanden wartet, der wird aufmerksamer. Er versucht in jedem, den er von weitem sieht, etwas von dem zu sehen, den er erwartet. Aufmerksam werden für Gott, für sein Wort, für Jesus, für die Liebe, die wir so dringend brauchen. Dafür gibt es Advent, die Zeit der Vorbereitung und des Hörens des Herzens. Möge Gott die Tore unserer Herzen weit und offen machen, damit er mit seiner Liebe und unserem Heiland einziehen kann. Mehr braucht es nicht als dies. „Komm, mein Heiland, Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. …
Und der Friede Gottes, der höher ist alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
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