Liebe Kirmesmädels und –burschen, liebe Festgemeinde,
ich freue mich jedes Jahr, dass in Hörselgau die Kirmes, ganz wie es sich gehört, in der Kirche ihren Anfang nimmt. Kirmes, die Kirchweih, das Erinnern daran, dass wir Gott einen sichtbaren Platz in unserer Mitte gegeben haben, unsere Vorfahren, und wir heute, die wir angehalten sind, das Ererbte zu pflegen und zu bewahren. Aus Freude darüber und im Gedächtnis an die Hörselgauer, die im Schweiße ihres Angesichts dieses Bauwerk errichteten, trinke ich wie in jedem Jahr einen guten Schluck aus der Hopfenblütenkaltschale … Prost. Es möge gelingen!
Liebe Gemeinde, für heute Abend habe ich eine Geschichte mitgebracht aus dem Alten Testament, dem ersten Teil unserer Bibel. Eine sehr alte und mystische Geschichte. Jakob ist auf der Flucht. Er flieht vor dem Zorn seines älteren Bruders, den er um den Segen seines Vaters betrogen hat. Er flieht und ist allein. Die Nacht kommt. Keine Hütte, kein Haus in Sicht. Er kommt an einen Hügel, legt sich die Steine zurecht, damit er Platz findet und legt sich schlafen. Im Traum sieht Jakob den Himmel offen. Eine Leiter verbindet diese Welt mit der anderen Welt Gottes. Auf dieser Leiter steigen Engel auf und ab. Gott selbst spricht zu Jakob im Traum und verheißt ihm: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“ Jakob erwacht und weiß, das war etwas Besonderes. Das geschieht mir nicht alle Tage, hier ist ein heiliger Ort. Er sagt: „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“ Er nimmt Steine und errichtet ein Mal, um diesen Ort zu kennzeichnen. Und Jakob gab dem Ort den Namen Bet-El, auf deutsch Haus Gottes.
Liebe Kirmesgemeinde, dies ist eine Geschichte, die uns erzählt, warum manche Orte heiliger sind als andere. Heilig bedeutet nichts anderes als herausgehoben, besonders, getrennt vom Alltäglichen. Menschen sind auf dem Weg. So wie Jakob auf dem Weg war. Einer, der auszog, um sein Glück, sein Leben zu suchen. Manchmal sind wir wie Jakob auf der Flucht. Unser Leben ist eine Suche, eine Flucht nach vorn. Wir suchen eine Arbeit, die uns satt machen kann, eine Familie, damit wir nicht alleine bleiben, Freunde, um Gemeinschaft zu haben, wir suchen letztlich auch nach uns selbst, wer wir sind und warum wir hier sind. Leben ist Bewegung, wir gehen einen Weg. Doch wie auf einer langen Wanderung brauchen wir Orte, um auszuruhen. Wir brauchen etwas, dass uns Halt gibt in der sich stets wandelnden Welt. Solch ein Ort ist Gott selbst, der, der immer der gleiche bleibt vom Anbeginn der Welt bis an das Ende der Zeit. Heilige Orte entstehen dort, wo Menschen Erfahrungen mit diesem ewigen Gott machen. So zeigt es uns Jakobs Geschichte. Er sieht den Himmel offen. Er sieht im Traum, dass es mehr gibt als seine Angst, als seine Flucht, sein Weg, von dem er nicht weiß, wohin die Reise gehen wird. Es gibt mehr als dich und das, was du sehen kannst. Und manchmal siehst du es im Traum, oder erahnst es in stillen Minuten. Gott ist da – das ist der Kern dieser Geschichte. Gott ist da, auch wenn du ihn nicht sehen kannst. Aber sein Himmel ist offen. Seine Engel sind seine liebenden Hände, die dafür sorgen, dass du behütet bleibst, dass wahr wird, was Gott dir verspricht. Er ist da und du brauchst keine Angst haben. Gehe deinen Weg, aber vergiss nicht, dass Gott mit dir geht, dass der Himmel über dir offen steht.
Diese Erfahrung macht den Ort der Erfahrung zu einem heiligen Ort. So oder ähnlich wird es an den vielen Orten gewesen, an denen in frühen Zeiten Kirchen gebaut wurden. Menschen machen Erfahrungen mit Gott. Sie fühlen sich bewahrt nach schweren Zeiten der Not und der Krise. Sie fühlen sich geliebt, weil ihnen Familie und eine Heimat geschenkt sind, sie machen in ihrer Mitte dem Platz, dem sie sich verdanken. Sie errichten ein Bet-El, ein Haus Gottes. Solch ein Ort ist unsere Bonifatiuskirche in Hörselgau auch, deren Kirchweih wir heute feiern, ein Haus Gottes. Gebaut nicht nur aus Steinen und Holz, sondern aus den Erfahrungen, die Menschen dieses Ortes mit Gott gemacht haben. Und dieser Bau ist noch lange nicht zu Ende. Auch unsere Erfahrungen mit Gott bauen weiter an dieser Kirche. Jedes Gebet, jeder Segen, der hier gesprochen wird, jedes Lied, jedes Fest füllt diesen Raum an mit unseren Erfahrungen vom Leben – unsere Klage und Sorgen genauso, wie unsere Freude und unser Dank. Dass es solch einen Ort gibt, wo wir in der langen Geschichte selbst eingereiht stehen, macht diesen Ort zu etwas Besonderem, etwas Heiligem.
Nun ist es ja so, dass Jakob seinen Bau nicht vollendet. Er zieht weiter. Doch bleibt der Ort seiner Begegnung mit Gott in seinem Herzen. Er hat sich vorgenommen, wieder zurück zu kehren, wenn er seinen Weg gegangen ist. Jakob sagt: „Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe, soll ein Gotteshaus werden.“ Viele Jahre später kehrt Jakob zurück. Er ist ein gemachter Mann, hat großen Besitz erwirtschaftet, eine große Familie, Vieh und Knechte. Er kehrt zurück und wiederum ist es eine Stätte der Begegnung mit dem Höchsten. Gott gibt Jakob einen neuen Namen. Israel soll er heißen, die Wurzel eines ganzen Volkes ist er geworden. Der Segen, das Mitgehen Gottes ist zu etwas Sichtbarem geworden. Keine Spur mehr von der Angst und dem Verlassensein auf der Flucht. Die Frage: Wie wird es weitergehen?, hat Gott selbst beantwortet mit all dem, was er Jakob an Gutem angedeihen ließ. Wer die Jakobsgeschichte kennt, der weiß, dass dies kein leichter Weg war, sondern steinig und schwer. Es fällt uns nichts in den Schoß, sondern wir müssen uns manchmal abstrampeln. Und doch verheißt Gott, dass wir Lohn empfangen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint. Dass er da ist, auch wenn wir in Zeiten von Trübsal und Sorge meinen, da wäre nichts. Im Gegenteil, gerade da ist Gott uns am nächsten, zeigt er uns den Himmel zu sich offen.
Wenn wir Kirchweih feiern an diesem Wochenende, dann feiern wir mit Dank nicht einfach ein Gebäude, sondern das Geheimnis, dass Gott gegenwärtig ist, für uns Hörselgauer an diesem Ort, aber auch auf allen unseren Wegen, die wir gehen. Denn auch hier an diesem Ort, wird die Verheißung Gottes laut und deutlich ausgesprochen: Siehe, ich bin bei dir und behüte dich, wohin deine Wege dich auch führen. Dafür können wir freudig und dankbar sein. Gott segne unsere Kirche, die Gemeinschaft der Christen im Ort und der Region, er lass uns spüren, dass er mit geht. Er lasse uns alle immer wieder zurück kehren an die Stätten, die ihm geheiligt heißen. Konkret an diesen Ort. Dahin, wo unser Erleben und Erleiden durch Gott gestärkt und aufgerichtet wird. Wo wir Kraft und Segen erfahren für alles, was vor uns liegt. Im Herzen dürfen wir spüren, dass Gott da ist, an jedem Ort. Amen.