Liebe Gemeinde,
Erntedank ist in unseren ländlich geprägten Gemeinden ein besonderer Höhepunkt im Jahr. Fast wie ein kleines Weihnachten, wo wir sagen möchten: Für heute ist alles gut. Und es gibt sicher tausend Gründe dankbar zu sein. Wir leben in einem reichen Land. Wir haben gutes Klima und fruchtbaren Boden, der unser Volk ernähren kann. Wir haben seit 65 Jahren Frieden in unserem Land und seit 20 Jahren wieder ein geeintes Vaterland. Wir leben in Wohlstand und Freiheit, wir können unsere Ideen verwirklichen, können reisen, wohin auch immer unser Fernweh uns treibt. Sicher gibt es manche Schattenseiten. Aber alles in allem, sind wir reich beschenkt. Denn alles, was ich eben nannte, ist nicht selbstverständlich. Eine Milliarde Menschen müssen noch immer hungern. Jeden Tag sterben 100000 Menschen an Hunger. Und Frieden und Freiheit sind weltweit eher die Ausnahme. Das ist Grund „Danke“ zu sagen, aus tiefstem Herzen.
Das „Danke“ für die Lebensgrundlage, die wir haben, dass jeder satt ist und in Frieden und Freiheit leben kann, das geht uns manchmal schwer über die Lippen. Man stelle sich vor, die Deutschen leben global gesehen wie die Maden im Speck und sind zugleich Weltmeister bei Ängsten und Sorgen, beim Jammern auf höchstem Niveau. Das haben Umfragen erst jüngst gezeigt. Ehrlich gesagt, ist das ein bisschen peinlich. Dagegen zeigen wir mit unserem Erntedankgottesdienst, dass wir durchaus wahrnehmen, dass nichts selbstverständlich ist, weder Brot noch sauberes Wasser, weder Arbeit noch Erfolg, weder Gesundheit noch Wohlstand, weder Frieden noch Freiheit. Wir erkennen, da meint es jemand gut mit uns – der Schöpfer, der uns in dieses reiche Leben, auf diese gute Erde gestellt hat. Ihm gilt es, Danke zu sagen. Und sein Wille ist, dass wir uns bemühen, das Beste aus diesem Leben, aus diesem Geschenk Erde heraus zu holen. Gottes Wille ist es auch, dass alle genug haben. Unsere Dankbarkeit für das Geschenkte möge uns dahin führen, dass wir von unserem Überfluss auch abgeben mit fröhlichem Herzen.
Traditionell ist der Dank für die Ernte immer auch verknüpft damit, an die zu denken, die weniger haben als wir. Es gehört zum Kern der Christenheit, das Wohl und Heil aller Menschen im Blick zu behalten, eben weil Gott alle Menschen liebt. Solidarität mit den Schwächsten folgt aus der Erkenntnis, dass auch wir nur Beschenkte sind. In der Bibel finden wir erste Beispiele für solche Mildtätigkeit. Paulus zum Beispiel startet eine groß angelegte Spendenaktion für die christliche Gemeinde in Jerusalem. Es ist vielleicht die allererste Spendenaktion der Christenheit. Wir haben eben einen Auszug aus seinem Spendenbrief im 2. Korintherbrief gehört. Wer da kärglich sät, wird kärglich ernten, hieß es da. Paulus weiß, seine Gemeinde in Korinth in Griechenland ist reich. Dort gibt es sicher auch arme Leute, so wie überall, damals wie heute. Doch können wir uns Korinth zur Zeit des Paulus vorstellen wie etwa Hamburg heute. Am Meer gelegen, mit einem guten Hafen. Der Handel boomt. Der Handel brachte Wohlstand und Reichtum, bis hinein in die kleine Glaubensgemeinschaft der ersten Christen, die wuchs und wuchs. Hungern musste niemand der Christen in Korinth. Denn wir hören an anderen Stellen, dass die Gemeinde sich um sozial Schwache in den eigenen Reihen kümmert.
Nun kommt Paulus mit einem neuen Projekt: eine Gemeinde weit weg in Jerusalem braucht dringend die Unterstützung der Korinther. Er schreibt: Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Nun mögen Spötter sagen, die Kirche wollte schon immer nur unser Bestes, unser Geld. Nehmen wir die viel gescholtene Kirchensteuer als Beispiel. Das fröhliche Geben mag manchem dabei schwer fallen. Zumindest ist es für viele der Grund aus der Kirche auszutreten! Für 30 Euro mehr im Portemonnaie im Monat. Doch wer an einem wichtigen Punkt spart, wird auch im Leben manchen Verlust hinnehmen müssen. Das ist es nämlich, was Paulus damit sagt: „Wer kärglich sät, wird kärglich ernten!“ Wer aus Geldgründen austritt, braucht bitte nicht aufschreien, wenn in zwei, drei Jahren Weihnachten in der Heimatkirche ausfällt. Am Heiligabend kommen ja bekanntlich viele Nichtchristen und Ausgetretene wie selbstverständlich. Man kann das – auch wenn das unfromm klingt – auch rein wirtschaftlich interpretieren: Wo ich nichts investiere, da wird auch nichts kommen! Wer kärglich sät, wird kärglich ernten. Wer reichlich sät, der wird reichlich ernten! Wer – so konkretisiert Paulus – mit Gottes Segen sät, der wird beschenkt. Der bekommt etwas zurück und sei es nur die Dankbarkeit des Beschenkten.
Und es stellt sich gerade angesichts der vergangenen Finanzkrise weltweit, die ja für die Spekulanten nur eine kurze Verschnaufpause war, und bald wieder auf uns zurollt, doch tatsächlich die Frage: Wo investiere ich eigentlich das, was ich habe? Welches Investment lohnt sich? Der Traum vom immer mehr, ist ausgeträumt für die breite Masse. Wir werden wieder lernen müssen, kleinere Brötchen zu backen, sonst fährt die Karre an die Wand! Ich denke, es lohnt sich, dort zu investieren, wo Not am Mann ist. In der Bildung, die Zukunft unserer Kinder und Enkel! In den Erhalt der Kirchen und Kirchgemeinden, als Orte, wo Menschen noch in Zukunft Werte und Worte des Lebens und der Hoffnung lernen können. Es lohnt sich zu investieren in die Hilfe für Arme und Bedürftige, weltweit oder nebenan in Waltershausen. Eine Studie hat letztens ergeben, dass wir in unseren ländlichen Regionen sehr kleinlaut über Armut reden. Ich möchte nicht wissen, wie viele aus unserem Ort eben die Lebensmittel bekommen werden, die wir heute hier vor dem Altar des Herrn gesammelt haben.
Gott gibt uns reichlich, und es liegt an uns, daraus etwas Vernünftiges zu machen. Wir sind die Angesprochenen heute, diejenigen, die Paulus heute anschreiben würde. Es geht uns gut, also tun wir, was recht ist und üben wir Gerechtigkeit. Warum jammern viele? Warum kaufen wir lieber Aktienpakete von zwielichtigen Firmen, anstatt einen Euro mehr im Monat für fairen Kaffee auszugeben, an dem kein Kinderblut klebt?
Gott wird das, was wir aus reinem Herzen geben für andere, nicht einfach zu den Akten legen. Bei Paulus ist es ganz offensichtlich so gemeint, je mehr wir investieren für das Projekt „Bessere Welt“, umso mehr wird diese Welt auch besser werden. Klar, höre ich da den Einwand: Was kann ich allein schon tun? Nur wo, fängt es denn an, liebe Gemeinde? Wenn jeder sagt, er kann nichts tun, dann tut sich auch nichts. Ein Beispiel: Würde jeder Deutsche, der in einem Laden eine Spendenbox neben der Kasse sieht, dort einen winzigen Cent hineintun, würden allein 50 Millionen Euro jedes Jahr mehr für einen guten Zweck Verwendung finden können – Kinderhilfswerk, Kinderhospiz, Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, usw.
Gott wird das, was wir freiwillig geben, aus reinem Herzen, in Segen wandeln, nicht, weil es der Pfarrer oder die Bibel sagt, sondern weil wir dankbar und freudig feststellen: Es ist mehr als genug und ich selbst habe es nur geschenkt bekommen. Gott hat einen fröhlichen Geber lieb. Und warum ist das so, liebe Gemeinde? Weil Gott selbst ein fröhlicher Geber ist! Er gibt uns aus lauter Liebe diese Welt, ja er gibt uns uns selbst. Denn wir sind seine liebevollen Gedanken! Alles kommt von ihm. Der Sinn der großen Spendenaktion des Paulus damals war nicht allein nur der unmittelbare Zweck, dass die Christen in Jerusalem weiter existieren können. Für Paulus ist der Zweck ein höherer, nämlich: Man wird Gott preisen über eure Güte und Freigiebigkeit! Und in eben diesem Geben und Nehmen geschieht die große Verherrlichung Gottes. Da realisiert sich etwas von der unbeschreiblichen Liebe, dass es möglich ist, dass alle Menschen satt werden, weil Gott alle liebt. Es mag auf den ersten Blick nur um Geld gehen, und ist doch ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt hin zu Gottes Reich.
Ich lade Sie ein, sich zu fragen: Wo investiere ich? Und das meint nicht nur Geld, das allein ja auch nicht glücklich macht. Sondern, es geht darum, wie ich das, was ich bin und habe, das, was eigentlich gar nicht mir gehört, sondern nur geschenkt, geliehen ist für die Zeit meines Lebens einsetzen kann und wofür? Für das eigene Mehr, wie der reiche Kornbauer, der die Frucht seiner Ernte gar nicht genießen kann? Oder investiere ich nachhaltig? Zum Beispiel in Menschen, die meine Hilfe brauchen, in die Kirchgemeinde, damit Hoffnung wächst und der Traum einer besseren Welt lebendig bleibt? Um zu investieren, braucht man kein Geld. Man kann sich selbst zur Verfügung stellen für eine gute Sache, seine Gaben und Fähigkeiten einbringen, in Vereinen, in der Politik (da fehlt es allzumal an Menschen mit positiven Visionen und Idealen!), in den Kirchgemeinden, in der Nachbarschaft. Überall sind gerade wir Christen gerufen, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Das Spendenwesen ist eine christliche Erfindung und es macht die Welt tatsächlich besser! Wer da kärglich sät, wird kärglich ernten! Wer hier und jetzt spart, spart an seiner Zukunft und der Zukunft derer, die nachfolgen werden. Lebt so, dass auch andere neben euch noch Platz haben zu leben! Solches Investment ist nachhaltig, das heißt, es geht nicht auf Kosten anderer. Investition in die Zukunft beginnt dort, wo wir die Not des Anderen sehen und mit freudigem Herzen mit unseren Möglichkeiten dazu beitragen, die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Die Erntegaben heute für die Schwachen unserer Region ist solch ein kleines Stück auf dem Weg. Die Frucht, die wir ernten, möge nicht nur unser Segen sein, sondern Segen für alle! Dazu helfe uns der ewige Gott. Amen.