Dienstag, 19. Oktober 2010

Kirmespredigt 2010

Liebe Kirmesmädels und –burschen, liebe Festgemeinde,

jedes Jahr freue ich mich auf den Kirmesgottesdienst. Denn es ist der einzige Gottesdienst im Jahr, an dem ich in den Kirchenmauern ein Bier trinken kann. Eine gepflegte Gerstenkaltschale. So trinke ich auf euch und unsere Kirche. Prost, es möge gelingen!

Wir haben die Geschichte vom verlorenen Sohn gehört. Jesus hat seinen Leuten diese Geschichte erzählt, um klar zu stellen: Ihr habt eine Heimat bei Gott. Selbst wenn ihr wegrennt, wenn ihr euch verrennt, dann könnt ihr zurück. Führen wir uns das noch einmal vor Augen. Ein junger Kerl geht seinen eigenen Weg. Er verzockt in kurzer Zeit den Anteil an seinem Erbe. Spielotheken, Kneipen, Parties, Mädels, dicke Schlitten und so weiter. Klar steht der Spaß erstmal im Vordergrund. Wir kennen den Spruch von der Truppe Elsterglanz, wenn Oma Sharif zu Rambo, dem besten Koch der Welt, sagt: Klar, steht für dich der Spaß erstmal im Vordergrund. Doch du musst doch och mal den Jehwech streuen! Es kommt, wie es so oft kommt, auch heute noch: Die Karre geht vor den Baum. Das pralle Leben ist ein kurzer Rausch und der Fall ist tief, ungeahnt tief. Wenn die Kohle alle ist, steht das Jammertal vor der Tür. In der Volxbibel wird der tiefe Fall des verlorenen Sohns auf unsere Zeit bezogen. Statt im Schweinestall im Mist, sitzt unser Held bei McDonalds und schrubbt das Klo. Hunger hat er und würde gern die restlichen Pommes aus dem Eimer holen, doch auch das geht nicht. Der Chef hat ein Auge drauf. Wie viel besser dann die Variante zur Familie zurück zu gehen. Wie wird wohl der Vater reagieren? Wie reagieren denn eure Eltern, wenn ihr mal daneben haut? Der junge Kerl jedenfalls legt sich seine Worte zurecht. Viel zu erwarten hat er eigentlich nicht. Und doch kommt es anders. Der Vater rennt seinem Sohn entgegen mit Tränen der Freude und Rührung in den Augen. Du warst tot und jetzt bist du wieder da! Wir feiern ein Fest, eine Big Party!

Was hat das mit der Kirmes, der Kirchweih zu tun, liebe Gemeinde? Zwei Dinge: 1. Es geht um unsere Heimat bei Gott. Sichtbar in der Kirche, die unsere Vorväter bauten, sichtbar in der Gemeinschaft der Heiligen hier in Hörselgau. 2. Es geht um die rechte Art des Feierns.

Zum ersten: Der Vater in der Geschichte ist Gott, der uns liebt, der sich nach uns sehnt. Wir stammen alle aus seinem Haus. Er hat uns gemacht. Viele Menschen heutzutage glauben, die Herren über das eigene Leben zu sein. Nach dem Motto: Ich weiß ganz genau, was für mich gut und richtig ist, anstatt sich zu fragen, was Gott davon hält, was eigentlich der Sinn meines Hierseins ist. Wir sehen es allerorten, solche menschliche Selbstüberschätzung ist zerstörerisch. Es geht auf Kosten anderer, es geht auf Kosten der Natur und letztlich zerstören wir uns selbst damit. Die ewige Gier nach Geld und Macht, nach Party und Rausch, endet in Finanzkrise, in Isolation und Gleichgültigkeit. Als unsere Vorväter diese Kirche bauten mit ihrem Herzblut, ihrem Schweiß, da wollten sie ein Denkmal setzen, ein Zeichen, dass es da Orientierung gibt für das Leben. Die Kirche ist ein Zeichen für Gottes Gegenwart. Sie erinnert uns an den Anfang, der für uns alle gesetzt ist, in Gott. Damals lebte man noch ganz klar im Bewusstsein, dass nichts im Leben selbstverständlich ist. Das wir Gott einen Platz in unserer Mitte geben müssen, weil er die eigentliche Lebensgrundlage ist. Damals konnte man noch nicht schnell in den REWE fahren mit der EC-Karte bewaffnet und sich die Chips und Cola ziehen. Damals musste man mit eigener Kraft der Erde abringen, was zum Überleben notwendig war. Niemand will diese Vorzeiten zurück, doch macht es deutlich, was wir immer wieder vergessen – wir stammen aus Gott, aus seiner Hand ist alles, was ist. Wenn wir das vergessen vergessen wir woher wir sind und wozu wir leben. Die Geschichte vom verlorenen Sohn lädt ein, zurück zu kehren zu diesem Anfang. Und diese Rückkehr oder Umkehr ist immer möglich, auch wenn wir glauben, wir habe uns schon so weit entfernt, dass mit Gnade nicht mehr zu rechnen ist. Gottes Tür steht offen, wir müssen uns nur auf den Weg machen.

Und so kommen wir zum zweiten: Die große Party. Feiern ist wichtig. Den Alltag mal hinter sich lassen ist wichtig. So wie an diesem Wochenende zur Kirmes. Nicht umsonst hat Gott den Menschen dringend ans Herz gelegt: Nimm dir einen Tag in der Woche frei, komm mal raus, fahr mal runter! Nimm dir Zeit für dich und für mich, deinen Schöpfer. Nimm dir Zeit für das, was wirklich wichtig ist. Liebe Gemeinde, Feier und Spiel, Musik und Tanz unterscheiden uns ganz elementar von den Tieren. Eine Kuh auf der Weide kennt keinen Sonntag. Soweit ich weiß, feiern Kühe auch keine Parties, höchstens in Trickfilmen. In Gottes Nähe zu sein, heißt sich freuen am Leben, es dankbar aus seiner Hand nehmen. Gottes Kind zu sein, heißt: Es gibt noch mehr in diesem Leben als Arbeit und Schlafen, Essen und Trinken. Denn die Ewigkeit, das, was über die Welt weit hinaus geht, ist in unser aller Herz gepflanzt. Feiern soll etwas besonderes sein und bleiben. Wäre jeder Tag eine Party, so verlockend das für manche klingen mag, so ist es nichts mehr besonderes. Denn wir sind zugleich auch in den Alltag gerufen. Wir sollen Verantwortung übernehmen, unser Feld bestellen, unser Leben in die Hand nehmen im Vertrauen auf Gott. Wenn ich mir sechs Bier auf einmal bestelle, dann wird selbst bei großem Durst das letzte spätestens schal sein. Der Kontrast zwischen rechtem und falschem Feiern ist deutlich in unserer Geschichte zu spüren. Es geht um das rechte Maß.

Macht diese Kirmes zu etwas Besonderem. Mit anderen Worten, erhebt euch aus eurem Alltag und feiert. Aber sauft dabei nicht so sinnlos, dass ihr am Ende genauso blöd seid wie die Kühe. Denn rechtes Feiern führt uns zum Ewigen, sinnloses Feiern lässt uns abstürzen. Und denkt immer daran, dass ihr eine Heimat bei Gott habt. Wenn es euch mal dreckig geht, oder ihr nicht wisst wohin. Seine Tür steht immer offen, auch wenn wir oft andere Wege gehen als zu ihm, auch wenn wir uns von ihm entfernen. Nichts anderes heißt Sünde – Entfernung von Gott, Entfernung von der Lebensgrundlage. Dass wir zu Gott gehören, dass er seine Tür offen hält, das ist Grund zur Freude an diesem Tag, Grund zum Feiern. Das es gelingt, walte der ewige Gott, der Vater, der Sohn und Heilige Geist. Amen und Prost!

Predigt Erntedank 2010

Liebe Gemeinde,

Erntedank ist in unseren ländlich geprägten Gemeinden ein besonderer Höhepunkt im Jahr. Fast wie ein kleines Weihnachten, wo wir sagen möchten: Für heute ist alles gut. Und es gibt sicher tausend Gründe dankbar zu sein. Wir leben in einem reichen Land. Wir haben gutes Klima und fruchtbaren Boden, der unser Volk ernähren kann. Wir haben seit 65 Jahren Frieden in unserem Land und seit 20 Jahren wieder ein geeintes Vaterland. Wir leben in Wohlstand und Freiheit, wir können unsere Ideen verwirklichen, können reisen, wohin auch immer unser Fernweh uns treibt. Sicher gibt es manche Schattenseiten. Aber alles in allem, sind wir reich beschenkt. Denn alles, was ich eben nannte, ist nicht selbstverständlich. Eine Milliarde Menschen müssen noch immer hungern. Jeden Tag sterben 100000 Menschen an Hunger. Und Frieden und Freiheit sind weltweit eher die Ausnahme. Das ist Grund „Danke“ zu sagen, aus tiefstem Herzen.

Das „Danke“ für die Lebensgrundlage, die wir haben, dass jeder satt ist und in Frieden und Freiheit leben kann, das geht uns manchmal schwer über die Lippen. Man stelle sich vor, die Deutschen leben global gesehen wie die Maden im Speck und sind zugleich Weltmeister bei Ängsten und Sorgen, beim Jammern auf höchstem Niveau. Das haben Umfragen erst jüngst gezeigt. Ehrlich gesagt, ist das ein bisschen peinlich. Dagegen zeigen wir mit unserem Erntedankgottesdienst, dass wir durchaus wahrnehmen, dass nichts selbstverständlich ist, weder Brot noch sauberes Wasser, weder Arbeit noch Erfolg, weder Gesundheit noch Wohlstand, weder Frieden noch Freiheit. Wir erkennen, da meint es jemand gut mit uns – der Schöpfer, der uns in dieses reiche Leben, auf diese gute Erde gestellt hat. Ihm gilt es, Danke zu sagen. Und sein Wille ist, dass wir uns bemühen, das Beste aus diesem Leben, aus diesem Geschenk Erde heraus zu holen. Gottes Wille ist es auch, dass alle genug haben. Unsere Dankbarkeit für das Geschenkte möge uns dahin führen, dass wir von unserem Überfluss auch abgeben mit fröhlichem Herzen.

Traditionell ist der Dank für die Ernte immer auch verknüpft damit, an die zu denken, die weniger haben als wir. Es gehört zum Kern der Christenheit, das Wohl und Heil aller Menschen im Blick zu behalten, eben weil Gott alle Menschen liebt. Solidarität mit den Schwächsten folgt aus der Erkenntnis, dass auch wir nur Beschenkte sind. In der Bibel finden wir erste Beispiele für solche Mildtätigkeit. Paulus zum Beispiel startet eine groß angelegte Spendenaktion für die christliche Gemeinde in Jerusalem. Es ist vielleicht die allererste Spendenaktion der Christenheit. Wir haben eben einen Auszug aus seinem Spendenbrief im 2. Korintherbrief gehört. Wer da kärglich sät, wird kärglich ernten, hieß es da. Paulus weiß, seine Gemeinde in Korinth in Griechenland ist reich. Dort gibt es sicher auch arme Leute, so wie überall, damals wie heute. Doch können wir uns Korinth zur Zeit des Paulus vorstellen wie etwa Hamburg heute. Am Meer gelegen, mit einem guten Hafen. Der Handel boomt. Der Handel brachte Wohlstand und Reichtum, bis hinein in die kleine Glaubensgemeinschaft der ersten Christen, die wuchs und wuchs. Hungern musste niemand der Christen in Korinth. Denn wir hören an anderen Stellen, dass die Gemeinde sich um sozial Schwache in den eigenen Reihen kümmert.

Nun kommt Paulus mit einem neuen Projekt: eine Gemeinde weit weg in Jerusalem braucht dringend die Unterstützung der Korinther. Er schreibt: Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Nun mögen Spötter sagen, die Kirche wollte schon immer nur unser Bestes, unser Geld. Nehmen wir die viel gescholtene Kirchensteuer als Beispiel. Das fröhliche Geben mag manchem dabei schwer fallen. Zumindest ist es für viele der Grund aus der Kirche auszutreten! Für 30 Euro mehr im Portemonnaie im Monat. Doch wer an einem wichtigen Punkt spart, wird auch im Leben manchen Verlust hinnehmen müssen. Das ist es nämlich, was Paulus damit sagt: „Wer kärglich sät, wird kärglich ernten!“ Wer aus Geldgründen austritt, braucht bitte nicht aufschreien, wenn in zwei, drei Jahren Weihnachten in der Heimatkirche ausfällt. Am Heiligabend kommen ja bekanntlich viele Nichtchristen und Ausgetretene wie selbstverständlich. Man kann das – auch wenn das unfromm klingt – auch rein wirtschaftlich interpretieren: Wo ich nichts investiere, da wird auch nichts kommen! Wer kärglich sät, wird kärglich ernten. Wer reichlich sät, der wird reichlich ernten! Wer – so konkretisiert Paulus – mit Gottes Segen sät, der wird beschenkt. Der bekommt etwas zurück und sei es nur die Dankbarkeit des Beschenkten.

Und es stellt sich gerade angesichts der vergangenen Finanzkrise weltweit, die ja für die Spekulanten nur eine kurze Verschnaufpause war, und bald wieder auf uns zurollt, doch tatsächlich die Frage: Wo investiere ich eigentlich das, was ich habe? Welches Investment lohnt sich? Der Traum vom immer mehr, ist ausgeträumt für die breite Masse. Wir werden wieder lernen müssen, kleinere Brötchen zu backen, sonst fährt die Karre an die Wand! Ich denke, es lohnt sich, dort zu investieren, wo Not am Mann ist. In der Bildung, die Zukunft unserer Kinder und Enkel! In den Erhalt der Kirchen und Kirchgemeinden, als Orte, wo Menschen noch in Zukunft Werte und Worte des Lebens und der Hoffnung lernen können. Es lohnt sich zu investieren in die Hilfe für Arme und Bedürftige, weltweit oder nebenan in Waltershausen. Eine Studie hat letztens ergeben, dass wir in unseren ländlichen Regionen sehr kleinlaut über Armut reden. Ich möchte nicht wissen, wie viele aus unserem Ort eben die Lebensmittel bekommen werden, die wir heute hier vor dem Altar des Herrn gesammelt haben.

Gott gibt uns reichlich, und es liegt an uns, daraus etwas Vernünftiges zu machen. Wir sind die Angesprochenen heute, diejenigen, die Paulus heute anschreiben würde. Es geht uns gut, also tun wir, was recht ist und üben wir Gerechtigkeit. Warum jammern viele? Warum kaufen wir lieber Aktienpakete von zwielichtigen Firmen, anstatt einen Euro mehr im Monat für fairen Kaffee auszugeben, an dem kein Kinderblut klebt?

Gott wird das, was wir aus reinem Herzen geben für andere, nicht einfach zu den Akten legen. Bei Paulus ist es ganz offensichtlich so gemeint, je mehr wir investieren für das Projekt „Bessere Welt“, umso mehr wird diese Welt auch besser werden. Klar, höre ich da den Einwand: Was kann ich allein schon tun? Nur wo, fängt es denn an, liebe Gemeinde? Wenn jeder sagt, er kann nichts tun, dann tut sich auch nichts. Ein Beispiel: Würde jeder Deutsche, der in einem Laden eine Spendenbox neben der Kasse sieht, dort einen winzigen Cent hineintun, würden allein 50 Millionen Euro jedes Jahr mehr für einen guten Zweck Verwendung finden können – Kinderhilfswerk, Kinderhospiz, Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, usw.

Gott wird das, was wir freiwillig geben, aus reinem Herzen, in Segen wandeln, nicht, weil es der Pfarrer oder die Bibel sagt, sondern weil wir dankbar und freudig feststellen: Es ist mehr als genug und ich selbst habe es nur geschenkt bekommen. Gott hat einen fröhlichen Geber lieb. Und warum ist das so, liebe Gemeinde? Weil Gott selbst ein fröhlicher Geber ist! Er gibt uns aus lauter Liebe diese Welt, ja er gibt uns uns selbst. Denn wir sind seine liebevollen Gedanken! Alles kommt von ihm. Der Sinn der großen Spendenaktion des Paulus damals war nicht allein nur der unmittelbare Zweck, dass die Christen in Jerusalem weiter existieren können. Für Paulus ist der Zweck ein höherer, nämlich: Man wird Gott preisen über eure Güte und Freigiebigkeit! Und in eben diesem Geben und Nehmen geschieht die große Verherrlichung Gottes. Da realisiert sich etwas von der unbeschreiblichen Liebe, dass es möglich ist, dass alle Menschen satt werden, weil Gott alle liebt. Es mag auf den ersten Blick nur um Geld gehen, und ist doch ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt hin zu Gottes Reich.

Ich lade Sie ein, sich zu fragen: Wo investiere ich? Und das meint nicht nur Geld, das allein ja auch nicht glücklich macht. Sondern, es geht darum, wie ich das, was ich bin und habe, das, was eigentlich gar nicht mir gehört, sondern nur geschenkt, geliehen ist für die Zeit meines Lebens einsetzen kann und wofür? Für das eigene Mehr, wie der reiche Kornbauer, der die Frucht seiner Ernte gar nicht genießen kann? Oder investiere ich nachhaltig? Zum Beispiel in Menschen, die meine Hilfe brauchen, in die Kirchgemeinde, damit Hoffnung wächst und der Traum einer besseren Welt lebendig bleibt? Um zu investieren, braucht man kein Geld. Man kann sich selbst zur Verfügung stellen für eine gute Sache, seine Gaben und Fähigkeiten einbringen, in Vereinen, in der Politik (da fehlt es allzumal an Menschen mit positiven Visionen und Idealen!), in den Kirchgemeinden, in der Nachbarschaft. Überall sind gerade wir Christen gerufen, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Das Spendenwesen ist eine christliche Erfindung und es macht die Welt tatsächlich besser! Wer da kärglich sät, wird kärglich ernten! Wer hier und jetzt spart, spart an seiner Zukunft und der Zukunft derer, die nachfolgen werden. Lebt so, dass auch andere neben euch noch Platz haben zu leben! Solches Investment ist nachhaltig, das heißt, es geht nicht auf Kosten anderer. Investition in die Zukunft beginnt dort, wo wir die Not des Anderen sehen und mit freudigem Herzen mit unseren Möglichkeiten dazu beitragen, die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Die Erntegaben heute für die Schwachen unserer Region ist solch ein kleines Stück auf dem Weg. Die Frucht, die wir ernten, möge nicht nur unser Segen sein, sondern Segen für alle! Dazu helfe uns der ewige Gott. Amen.

Predigt 16. Sonntag nach Trinitatis 2010

Liebe Gemeinde,

gestatten Sie mir eine Frage zu Beginn, die etwas provokativ daherkommt: Was nützt uns der Glaube? Ist das Christentum lediglich eine Theorie, eine Weltanschauung wie andere auch? Wozu brauchen wir Gott in unserem ganz persönlichen Leben – im Arbeitsalltag, in der Schule, in der Familie, in den eigenen vier Wänden? Ich bin der festen Überzeugung, dass das Christentum einen ganz lebenspraktischen Zug hat. Der Glaube ist ein Navigationssystem, das unser Leben gelingen lässt. Damit meine ich nicht zuerst die Anweisungen, was richtig und falsch ist, was wir tun oder besser lassen sollen. Nicht die zehn Gebote oder die Nächstenliebe, die wir üben sollen, meine ich. Das alles sind erst spätere Früchte einer wahren Beziehung der Menschen mit Gott. An erster Stelle geht es im Glauben um ein Grundvertrauen. Vertrauen ist ein großes Wort. Vertrauen steht am Anfang jedes menschlichen Lebens – die Geborgenheit der Mutter, das Gefühl gehalten zu sein in dieser Welt, das noch nicht verstandene Wissen, dass es Nahrung und Wärme gibt in dieser Welt. Das ist der ideale Start ins Leben. Wo diese Grunderfahrung des Vertrauens fehlt, da fehlt Entscheidendes. Menschen, die als Babys solch Vertrauen nicht geschenkt bekamen, werden ihr ganzes Leben unsicher und von Angst Getriebene bleiben. Dies ist ein schönes Beispiel für die Zuwendung Gottes zu uns, auf die wir mit unserem Glauben also mit unserem Vertrauen antworten. Vertrauen hat nämlich, wie schon das Beispiel der ersten Lebensmonate zeigt, nichts mit Erkenntnis zu tun. Der Glaube ist nicht zuerst ein Wissen von einer Sache, die ich wie ein Buch ins Regal stellen und bei Bedarf wieder hervorkramen kann. Vertrauen und Glaube sind Gefühle. Ein Baby weiß noch nichts, hat keine Erkenntnis, sondern nur Gefühl. Es spürt die Nähe der Mutter und fühlt sich geborgen. Was eine gute Mutter für ihr Neugeborenes ist, so ist Gott in seiner Beziehung zu uns. Wir brauchen in solchem Grundgefühl nicht Getriebene unserer Ängste und Sorgen bleiben, denn Gott trägt uns und hält uns, Gott gibt uns, was wir brauchen. Das ist Glaube, ein Grundgefühl, was wirklich trägt im Leben. Solch ein Grundgefühl ist lebenspraktisch, weil es Auswirkungen in unserem Leben hat. Der Christ mag zweifeln, doch verzweifeln wird er nicht, wenn er sein Leben in Gott geborgen weiß. Der Christ mag sich sorgen, doch werden die Sorgen ihn nicht auffressen und ihm den Mut rauben können. Der Christ mag scheitern und Fehler machen, doch wird er trotzdem nicht aus Gottes Gnade fallen. Der Glaube ist eine Quelle, aus der Kraft zum Leben fließt. Die Liebe Gottes zu uns, die Liebe, die uns schon vom Mutterleib an umgibt, lässt uns selbst Liebende werden. Mit festen Füßen auf dieser Erde sein, mit Kraft und Liebe das Leben meistern, darum geht es im Glauben.

Das Vertrauen ist der Anfang von allem. Und wir lesen darüber an vielen Stellen unserer Heiligen Schrift. Der Apostel Paulus zum Beispiel macht seinen Leuten immer wieder Mut. Aber nicht einfach nur platte Durchhalteparolen wie im Totalen Krieg, sondern er lebt es selbst vor, wie in aller Bedrängnis und aller Not, der Glaube an Gott und das Erscheinen seiner Liebe in Jesus, ihn trägt und ihn immer wieder stärkt mit Kraft, Liebe und Besonnenheit. Er schreibt an seinen Freund Timotheus aus dem Gefängnis in Rom: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserem Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes. Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.“ Worte der heiligen Schrift, Wort des lebendigen Gottes.

Paulus stellt fest, was mit uns ist, wessen Geistes wir sind, nicht erst werden sollen. Wir haben im Vertrauen auf Gott Kraft, Liebe und Besonnenheit. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Das Vertrauen, das Leben in diesem Geist, lässt uns auch die Durststrecken überstehen, die wir erleben, in unserer Lebensplanung, in unserer Gesundheit, an der Arbeit, in der Familie und wo auch immer wir unseren Platz in der Welt haben. Paulus stellt fest, was schon für uns und an uns geschehen ist. Gott hat uns selig gemacht, Gott hat uns berufen mit einem heiligen Ruf. Nicht weil wir besonders tolle Menschen sind, besser als andere, sondern weil er uns schon immer geliebt hat, schon als wir noch gar nicht auf der Welt waren, (als wir noch Quark im Schaufenster waren). Das ist mit Ratschluss gemeint, der große Plan, den Gott mit der Welt und den Menschen hat, noch ehe die Welt war. Diese Liebe ist erschienen in dem Menschen Jesus, der dadurch zum Retter der Menschen wird, weil er diese Beziehung zwischen Gott und den Menschen ein für allemal herstellt. Gott hat sich offenbart durch Jesus, der dem Tod die Macht genommen hat und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat. Liebe Gemeinde, mit anderen Worten: Unser Leben steht in einem ganz anderen und neuen Licht, als wir selbst es manchmal für glaubhaft halten. Was auch immer uns schreckt, Krankheit, Leiden, Trauer, der Tod, das alles hat keine Macht über uns, wenn wir dieses Geschenk Gottes in uns thronen lassen. Der Tod hat seine Macht verloren. Er ist deswegen zwar nicht aus der Welt, doch wird er uns nicht verschlingen, wenn wir auf Gott vertrauen, indem wir auf Jesus schauen und uns von ihm helfen, ja retten lassen. Denn unser Wesen ist unvergänglich bei Gott. Jesus hat dieses Vertrauen vorgelebt. Er hat das Leben selbst ans Licht gebracht. Wahres Leben hat seine Wurzel im Vertrauen, dass das Leben einen Sinn hat. Gott selbst ist der Grund des Vertrauens und der Adressat unseres Vertrauens.

Liebe Gemeinde, nun ist es ja so, dass ich das alles sagen kann. Damit allein, dass ich wie Paulus feststelle, was Gott für uns tut, stellt sich nicht automatisch Vertrauen und Glaube her. Denn Vertrauen ist ein Gefühl, keine Erkenntnis. Es ist ein Geschenk, das Gott selbst in uns wirkt durch seinen Geist. Wir Erwachsenen neigen dazu, anders als das unmittelbare Gefühl eines Neugeborenen, Vertrauen zu verlernen. Da gibt es Sorgen und Ängste, eingebildete und tatsächliche. Erfahrungen im Leben, die scheinbar unser Grundvertrauen erschüttern und hier und da ganz in Frage stellen. Vielleicht können wir uns über den Umweg der Erkenntnis Vertrauen zurück erobern. Die Erkenntnis, das Wahrwerden, dass das Leben ein Wunder ist, dass es da eine Erde gibt, die uns trägt, auf der wir sicheren Schritts gehen können, dass es da Menschen gibt, die uns begegnen, die uns begleiten, dass diese Welt Schönheiten in sich trägt, die sich kein Mensch erdenken kann, dass unsere Zukunft offen ist auf Hoffnung hin. Solches innere Wandern durch das Wunder unseres Lebens wünsche ich uns, dass Gott in unseren Herzen mehr und mehr wieder das Vertrauen zu ihm hervorbringt. Nichts braucht uns schrecken, denn Jesus hat dem Tod die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gestellt durch das Evangelium. Es ist alles schon vollbracht, liebe Gemeinde, wir brauchen nur noch glauben! Amen.

Predigt 15. Sonntag nach Trinitatis 2010

Liebe Gemeinde,

der lapidare Satz: „Mach dir keine Sorgen!“ ist schnell dahin gesagt. Wenn das Kind auf Klassenfahrt ist, weit weg und kurz anruft: Mach dir keine Sorgen! Oder wenn ich jemandem Mut zusprechen will: „Mach dir keine Sorgen! Das wird schon werden!“ Und obwohl der Satz schnell dahin gesagt ist, beherzigen wir ihn selbst viel zu selten. Sorglosigkeit ist ein Traum für viele Menschen. Manch einer stellt sich dabei vielleicht vor, im Lotto zu gewinnen. Endlich soviel Geld haben, dass ich mir keine Sorgen mehr machen muss. Ist das tatsächlich so? Kann uns das Geld vor Unglück schützen? Haben nicht vielmehr die meisten Lottomillionäre ihr Geld innerhalb weniger Monate durchgebracht und standen zuletzt mit weniger da als vorher. Mach dir keine Sorgen! Sorglosigkeit scheint unerreicht, denn es gibt wohl viele Gründe sich Sorgen zu machen. Jesus dagegen ruft zur Sorglosigkeit auf! Im Evangelium eben haben wir es gehört. Sehet die Vögel unter dem Himmel. Sie tun nichts weiter als umherfliegen, doch Gott ernährt sie. Seht die schönen Blumen auf dem Feld. Ihr Leben ist nur ein Hauch, von kurzer Dauer, und doch sind sie schöner, als alles, was der Mensch sich ausdenken kann, weil Gott sie schön gemacht hat. Wenn Gott schon die Vögel und Blumen versorgt, wie sehr dann seine geliebten Ebenbilder, die Menschen? Sorglosigkeit wird möglich, wenn man vertrauen kann. Wenn wir lernen, dem zu vertrauen, der uns geschaffen hat und erhält. Auch Gott sagt uns zu: „Mach dir keine Sorgen!“. Wem sollten wir dieses Wort sonst abnehmen, wenn nicht ihm, dem Ewigen und König aller Könige. „Alle Sorge werft auf Gott, denn er wird für euch sorgen!“ Das ist unser Wort der Woche und es entstammt dem Predigttext für heute. Wir lesen im 1. Petrusbrief, Kapitel 5:

„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher, wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass eben dieselben Leiden über eure Brüder (und Schwestern) in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“

Liebe Gemeinde, wir merken, da steht noch mehr drin, als nur die Aufforderung, sich nicht zu sorgen und zu ängstigen. Wie kann das funktionieren, sich nicht sorgen und ängstigen? Ist es ein psychologischer Trick, eine Art Verdrängung dessen, was uns bedrückt? Ich denke, im ersten Petrusbrief wird deutlich, dass es um eine innere Haltung zur Welt geht. Der christliche Glaube ist keine Lebensweisheit, sondern eine Lebenspraxis. Und da hören wir als Schlagwort die Demut. Die Demut ist die Tugend, die anzustreben ist. „Aber den Demütigen gibt Gott Gnade.“ Nun tun wir uns gerade mit diesem Wort sehr schwer. Es hat immer den Beigeschmack der Demütigung. Demut klingt nach Knechtschaft. Deutlicher jedoch, was mit Demut gemeint ist, wird es, wenn wir das Gegenüber dazu sehen – den Hochmut. Bei Hochmut und Demut geht es letztlich um die Frage, wer ist der Herr im Ring der Welt und des Lebens – Gott oder wir selbst? Der Hochmut ist konzentriert auf sich selbst, er lässt kaum Platz für andere neben sich. Der Hochmütige meint, Herr seines Lebens zu sein. Demut dagegen sieht die Dinge klarer – Gott bleibt Gott und der Mensch ist Mensch, nicht mehr aber eben auch nicht weniger. Die Demut ist in der Lage, auch den Anderen neben sich in seinem Anderssein zu akzeptieren. Wir würden heute statt von Demut eher von sozialer Kompetenz reden, also der Fähigkeit, mit anderen Menschen friedlich zusammen zu leben. Doch geht der Petrusbrief noch weiter: Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes! Mit anderen Worten: Erkennt, wer euer Herr ist! Das ist nicht einfach nur Unterwerfung unter die Macht eines kalten und unberechenbaren Schicksals. Es ist das Vertrauen darauf, dass dieser unser Gott die Welt und unser Leben liebevoll in seiner Hand hält. Das heißt aber nicht, dass immer nur alles nach Plan läuft oder so, wie wir uns das Leben vorstellen, mit dem Lottogewinn und der Illusion von Sorglosigkeit. Die gewaltige Hand Gottes ist letztlich nicht berechenbar und doch dürfen wir vertrauen, dass Gott uns in Liebe zugewandt ist, auch wenn manches Leiden und manches Schicksalhafte unsere Wege begleitet. Demut also ist die Haltung, die Gott wirklich Gott sein lässt, und sich selbst als Mensch in dieser Liebe, unter dieser gewaltigen Hand Gottes gehalten und bestimmt weiß. In dieser Demut wird verständlich, wie es mit unseren Sorgen und Ängsten bestellt ist und warum wir sie auf Gott werfen können. Er sorgt für uns, selbst da, wo wir an unsere Grenzen stoßen. Unser Leben ist jetzt schon sinnvoll, denn Gott hat es so gewollt und führt es zum Ziel. Solches Gottvertrauen kann uns helfen bei unseren Sorgen und Nöten, von denen es reichlich geben mag. Doch hat solches Gottvertrauen auch viele unsichtbare Widersacher. „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“ Die Kräfte, die sich der Demut und dem Gottvertrauen entgegenstellen, würden wir wohl heute nicht mehr als Teufel bezeichnen und doch sind sie genau das, Widersacher gegen ein Leben mit Gott. Nehmen wir allein die Medien, die es trefflich verstehen, Ängste und Sorgen erst zu wecken. Wissenschaftssendungen oder Spielfilme im Fernsehen über Naturkatastrophen, wachsende Kriminalität. Andere Kräfte, die uns weismachen, es läge nur an uns, wie erfolgreich wir sind in Beruf, Freizeit und Partnerschaft. Denken wir an Schule und Wirtschaft, wo es um immer mehr Leistung geht. Oder die unausgesprochenen Maßstäbe an Status, Schönheit und Wohlstand, die so fest in unseren Köpfen verankert sind. Das alles kann Angst und Sorge machen und tut es täglich. Muss es aber nicht, liebe Gemeinde! Widersteht diesen Teufeln! Bleibt fest im Glauben, im Vertrauen auf Gott, der euch auch liebt, wenn ihr nicht wie Heidi Klum ausseht oder so viel Schotter habt wie Bill Gates. Lasst euch von den Sorgen nicht knechten. Was wird denn aus unserem Leben, wenn wir stets und ständig in Angst leben vor Terroranschlägen, vor Verlust, vor Leistungsdruck und so weiter? Ein Leben in Angst und Sorge ist Stillstand, ist beklemmend und verdient den Namen Leben nicht. Freilich werden wir immer Ängste und Sorgen haben, doch dürfen sie nicht vor das Vertrauen treten, dass wir zu Gott haben dürfen. Der befreit uns zum Leben. Der wird uns verherrlichen zu seiner Zeit. Der wird uns schon in diesem Leben aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Er hat Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit, nicht die Werbung, nicht der Konsum, nicht die Meinungsmacher aus Wirtschaft und Politik. Gott hat Macht. Ihm zu vertrauen ist wichtig. Denn es befreit uns von Sorge und Angst und lässt uns als das leben, was wir sind, geliebte Kinder des Ewigen. Zu diesem Vertrauen befähige uns der ewige Gott durch seinen Heiligen Geist. Amen.