Donnerstag, 27. November 2008

Predigt zur Hörselgauer Kirmes 2008 - "Wozu braucht man eine Kirche?"

Liebe Kirmesburschen und –mädels, liebe Festgemeinde,

letztes Jahr habe ich über die Vorzüge einer kühlen Hopfenblütenkaltschale gepredigt. Ich habe erzählt, dass Gott möchte, dass wir feiern, weil wir dann unseren Alltag hinter uns lassen und uns erheben zu einer höheren Bestimmung. Freilich meint höhere Bestimmung nicht, dass wir soviel saufen, dass wir unseren Namen nicht mehr kennen und uns benehmen wie das liebe Vieh. Höhere Bestimmung meint, von den kleinen Dingen einmal abzusehen, sie loszulassen und den Blick zu weiten auf das, was größer ist als wir und unsere manchmal kleine Welt. Ein Bierchen also gehört dazu, zur Kirmes – darum auch dieses Jahr wieder ein Bier für den Pfarrer. Prost! Wenn man so beim Bier sitzt, denkt man über manches nach. Heute stelle ich mir und euch die Frage: Wozu brauchen wir eigentlich eine Kirche? Das ist für viele gar keine philosophische oder tiefgründige Frage, sondern die Frage selbst enthält schon die Antwort, wenn ich sie z.B. so stelle: Wer braucht schon die Kirche? Erst gestern hatte ich wieder zwei Austritte aus Hörselgau auf meinem Schreibtisch, da stand es quasi schwarz auf weiß: Wir brauchen die Kirche nicht! Und das einen Tag vor Kirchweih. Wie sehr der ehemals heilige Boden, auf dem wir jetzt uns befinden wertgeschätzt wird, sieht man daran, dass es wohl Hörselgauer gibt, die sich auf deutsch gesagt, nicht entblöden, ihr Geschäft auf dem ehemaligen Gottesacker am helllichten Tag zu machen oder nachts die Leichenhalle abzufackeln. Was, liebe Kirmesgemeinde, brennt als nächstes? Wohl gar die Kirche selbst? Wozu brauchen wir die Kirche also? Landauf landab gibt es ja auch Kirmes ohne Gottesdienst. Wenn man mich fragt – verfehlt das nicht nur den eigentlichen Kern, sondern genauso ist, als wenn wir uns alle einen Turban aufsetzen um damit alte germanische Bräuche wiederzubeleben, weil es halt irgendwie cool aussieht. Eine Kirmes ohne Kirche ist eben nur eine mes, und auch die Messe ist ja ein Gottesdienst. Ich denke, es ist gut und richtig, dass ihr, die Hörselgauer Kirmesgesellschaft an der alten Tradition festhaltet. Freilich steht der Spaßfaktor erstmal im Vordergrund und für manchen von euch ist sicher der Gang hierher, einmal im Jahr oder vielleicht zweimal eine Art Pflicht vor der Kür. Doch die eigentliche Frage stellt sich zu jeder Kirmes: Wozu brauchen wir die Kirche? Ich möchte zwei Gedanken dazu laut werden lassen. Erstens, wozu brauchten unsere Vorfahren diese Kirche? Und zweitens, wozu brauchen wir sie heute? Beides geht eigentlich ineinander über, weil wir das Rad nicht neu erfinden, sondern von den Erfahrungen der ganzen Menschheit leben.
Kirchen als Gebäude erzählen von der Sehnsucht des Menschen nach seinem Ursprung bei Gott. Kirchen sind deshalb größer gebaut, weil vormals noch fast alle zum Gottesdienst kamen, das ist das eine. Sie sind aber vor allem deshalb größer, weil in ihnen die Menschen ihrem Glauben und ihrer Hoffnung ein Denkmal gesetzt haben. Die größten Bauwerke unserer Zeit sind dagegen die Wolkenkratzer der großen Firmen und Konzerne. Vielleicht verknüpft sich ja in ihnen auch eine Hoffnung nach Profit, nach Wohlstand, nach Besitz. Der große Traum des Menschen, Gott nicht mehr brauchen zu müssen. Es offenbart sich in der Geschichte immer wieder, dass diese Selbstvergötterung in die Irre führt. Die jetzige weltweite Finanzkrise zeigt: wir werden bald wieder aufwachen aus diesem Traum. Unsere Gier und Welt- und Gottvergessenheit schwappt wie eine gigantische Welle zurück. Was, wenn das Ersparte von heute auf morgen nichts mehr wert ist, was, wenn unser Wohlstand und Menschsein nur auf bedruckten Papier gebaut ist? Ich nehme an, dass viele derjenigen, die jedes Jahr der Kirche den Rücken kehren solches eben aus finanziellen Gründen tun. Da bleibt dann vielleicht noch einer in der Familie drin, meistens die Kinder. So ein bisschen Segen ist ja ganz gut, solange wir nichts dafür bezahlen müssen. So haben unsere Vorfahren nicht gedacht. Wer damals nicht zur Kirche ging, musste entweder schwer mit den Tieren und dem Acker beschäftigt sein, sterbenskrank oder bald seine Koffer packen und im Wald leben. Nicht zum Abendmahl zu gehen, war ein Makel, fast so wie ein schlecht gemachtes Tattoo mitten im Gesicht. Das war eben so. Aber nicht weil die Kirche mehr Macht hatte, sondern weil die Menschen sich und ihre Welt noch mit anderen, mit ursprünglichen Augen sahen. Sie mussten sich ihre Welt hart erkämpfen. Sie waren noch in einer ganz elementaren Weise verbunden mit dem Boden, auf dem sie standen und darin mit Gott selbst. Sie erfuhren, dass sie angewiesen waren auf Gott und darin auf ihre eigene Kraft. Sie konnten nicht wie wir heute mit der Kreditkarte zum REWE fahren, um noch zu besorgen, was fehlt. Sie mussten erkämpfen und der guten Schöpfung abringen, was nötig war. Unsere Vorväter und –mütter haben dadurch begriffen, dass sie nichts sind, ohne die gnädige Hand Gottes, ihres Schöpfers. Darum spielte gerade auf dem Land der Dank nach der Ernte eine so große Rolle. Darum wurden Kirchen gebaut, um die Verbundenheit mit dem Urgrund allen Lebens in Stein für alle Ewigkeit sichtbar zu machen. Ein Tempel mitten im Alltag, in dem das Herz zur Ruhe und Andacht findet und sich zu Größerem erhebt. Ein Ort, wo wir das sein können, wozu wir bestimmt sind – Kinder Gottes, Menschen, die begreifen, dass es mehr gibt als Essen und Trinken, Chips und Bier, Arbeit und Schlafen. Viel, viel mehr als das! Was früher selbstverständlich war, ist wohl heute eher die belächelte Ausnahme. Unsere Kirche z.B. ist vielleicht zweimal im Monat im Gebrauch und das auch nur in den wärmeren Monaten. Gottes Wort und Sakrament erreicht dann vielleicht die letzten treuen Seelen.
Das hat sicher viele Gründe. Ich kann noch soviel in die E-Gitarre reinschrammeln, oder die Botschaft, um die es geht, in unsere Zeit und Nöte und Hoffnungen hinein übersetzen. Ich kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Von den Diktaturen in unserem Land ist eines ganz besonders hängen und haften geblieben – die negative Antwort auf die Frage, Wer braucht schon die Kirche? Niemand. Und mit dem Wort Kirche ist ja nicht nur das Gebäude gemeint, obwohl es das Symptom am sichtbarsten trifft. Kirche ist die Gemeinschaft derjenigen, die mehr sein wollen als das, was sie auf dem Konto haben, die mehr vom Leben erwarten als feste Nahrung und ein bisschen Action. Menschen, die erfahren haben, dass wir gewollt sind und getragen von guten, liebevollen Mächten, Menschen, die einem ganz elementaren und wichtigen Wert in ihrem Leben nachleben, der Liebe.
Liebe Gemeinde, Ich möchte nicht wehleidig wirken oder verbittert. Es ist freilich die Lage – und ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse, Pfarrer zu werden. Doch wenn wir heute zur Kirchweih die Frage bedenken: Wozu brauchen wir Kirche? dann darf und muss sogar die Realität auf den Tisch. Ich bin mir ganz sicher, dass die Kirche der einzige Ort ist, wo wir Wahrheit wieder lernen können. Es ist der Ort und die Gemeinschaft, wo wir etwas über uns selbst erfahren, etwas das uns kein Produkt der Welt erzählen kann. Vielleicht ist es auch der einzige Ort, an dem wir so sein können oder werden können, was wir sein sollen. Der Ort, wo wir nicht die Rolle spielen müssen, die uns aufgedrängt wird in einer Welt, die mehr Schein als Sein ist. Und das alles, liebe Gemeinde, weil Gott uns liebt und Ja sagt zu uns, weil er uns und die Welt erlösen will. Darum brauchen wir die Kirche, und möglicherweise brauchen wir sie am meisten, wenn die Welt so verworren und schnelllebig ist wie heute.
Ich denke, Kirchweih, Kirmes, ist ein guter Anlass dafür, dass wir uns bewusst werden, woher wir kommen und wohin wir gehen. Das eindrückliche Gebäude gibt uns diese Frage mit auf den Weg. Was macht das alles hier für einen Sinn und wo ist der Hafen, in den meine unruhige und ziellose Seele einlaufen kann? Wenn wir an diesem Wochenende miteinander Kirmes feiern, dann, weil wir uns erheben wollen über das liebe Vieh auf der Weide und wirklich Menschen werden, die wie Jesus, dem Herrn der Kirche, sich dem Geheimnis, das wir Gott nennen, nähern, mit jedem Kirchgebäude, mit jeder guten Tat und mit jedem mit Genuss getrunkenen Bier. Ich wünsche uns allen gute Erfahrungen damit, wie es ist, nach dem Höheren und Gutem zu streben. Gott hat immer offene Ohren und Arme für uns. Er sucht uns und geht uns nach. Ich wünschte, wir würden ab und an in seine Richtung gehen. So wie viele unserer Vorfahren es taten. Manches würde sich klären und in einem ganz anderen Lichte erscheinen. Gott segne dieses Haus zu seiner Ehre, er segne die Kirmesjugend, die ganze Gemeinde, unser Hörselgau und alle Menschen hier, ob sie Gott vertrauen oder nicht. Das walte Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.

Predigt Erntedank 2008 - Hebr 13, 15-16

Liebe Gemeinde,

das Erntedankfest lässt uns einmal im Jahr innehalten. Wir sollen uns besinnen auf unsere Lebensgrundlage, auf den Grund und Boden, auf dem unser Leben und das aller Menschen steht. Gott hat das Leben erfunden, es uns geschenkt und er erhält es jeden Tag auf`s neue. An diesem Tag sollen wir „Danke“ sagen dafür. Mit dem Danke sagen, tun wir uns schwer. Das geht sicher nicht immer auf Knopfdruck – auch bei mir. Mit dem Fasching ist es ja ähnlich, auf Knopfdruck lustig sein, das geht nicht immer, das passt manchmal nicht in unsere Situation. Wirkliche Dankbarkeit will eingeübt sein und der selbstsicheren Gleichgültigkeit abgerungen. Und wer hat schon Grund dankbar zu sein, wenn jemand in der Familie die Arbeit verloren hat, wenn ein geliebter Mensch abberufen wurde, wenn wir uns einsam oder überfordert fühlen. Es gibt viele Gründe, das „Danke“ weit weg zu schieben. Es müssen aber nicht immer solche Ernstfälle des Lebens eintreten. Das kleine Wörtchen „Danke“ geht uns auch dann manchmal schwer über die Lippen, wenn es angebracht wäre. Wofür danken, wenn alles selbstverständlich ist?
Liebe Gemeinde, jedes Jahr auf´s Neue also steht Einübung im Dankbarsein auf der Tagesordnung. Was wir dankbar empfangen, wird zu etwas Wertvollem und Kostbaren für uns. Es ist wie ein Geschenk, das man zum Geburtstag bekommt. Kommt es von Herzen und mit Liebe von einem lieben Menschen, dann ist es etwas Kostbares für uns. Das stellen wir sorgsam zu den anderen Dingen, die uns wichtig sind. So ist es mit den Geschenken Gottes an uns genauso, besser gesagt so sollte es sein. Gottes Geschenke sind unser eigenes Leben, die Mitmenschen, die Natur, die unglaubliche Vielfalt der Dinge und Möglichkeiten dieser Welt. Schauen wir nur uns selbst an. In uns stecken so viele Fähigkeiten, was man alles hätte lernen und arbeiten können. Ich denke, Gott hat jedem von uns so viel mitgegeben, dass ein einziges gelebtes Leben niemals ausreicht, alle Möglichkeiten und Fähigkeiten auszuleben. Das ist schon faszinierend. Und wie gehen viele unserer Zeitgenossen mit dem Leben um? Ein Teil der Möglichkeiten ballern wir weg mit Alkohol und anderem Unsinn. Ein anderer Teil opfern manche ihrer Trägheit. Und wie hoch das Leben anderer geschätzt wird, sehen wir an den Gewalttaten hier und andernorts, in den Schulklassen, den Familien, zwischen Völkern und Staaten, wir sehen, wie wertvoll und kostbar das Leben geachtet in den Kriegen, in der Ausbeutung recht- und besitzloser Menschenmassen in der Welt. Oder das Geschenk der Natur. Dass wir bald keinen Schnee mehr im Thüringer Wald haben werden, zeigt doch, dass die Warnungen und Katastrophenszenarios uns bereits erreicht haben. Jetzt kann eigentlich keiner mehr sagen, was interessiert mich, ob die da unten noch Regenwald haben oder nicht. Spätestens wenn der nächste Sturm das Dach abdeckt, kriegen wir eine Quittung für grobes Fehlverhalten der Industriestaaten und unserer eigenen Verblendung, alles haben zu müssen. Haben müssen ist das eine Übel, für das, was man hat, nicht dankbar sein, setzt dem noch die Krone auf.
Dankbarkeit einüben, ist also die Devise für den heutigen Tag. Schön wenn es uns nicht nur heute gelänge. Danke sagen heißt noch nicht wirkliche Dankbarkeit. Denn Dankbarkeit ist eine Lebenseinstellung und es verändert uns und das, was wir tun. Zwischen Dankbarkeit und dem Tun des Guten und Rechten besteht eine enge Verbindung. So sieht es auch der Predigttext für den Erntedanktag in diesem Jahr aus dem Hebräerbrief:
„So lasst uns nun Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die Jesu Namen bekennen. Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen; denn solche Opfer gefallen Gott.“
Liebe Gemeinde, ein Bekenntnis, das nur Wort bleibt und nicht zugleich eine Tat ist, geht ins Leere, ist letztlich Zeitverschwendung und verlogen. Das „Lobopfer“ können wir auch als Zuwendung und Erhebung des Menschen zu Gott hin beschreiben. Darin eingeschlossen ist die Frucht der Tat. Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Das ist es, was Gott gefällt. Nichts anderes, liebe Gemeinde, ist es mit den Erntegaben hier in der Kirche. Sie sind ein Zeichen, ein Symbol. Die Gaben zeigen die Vielfalt dessen, was wir haben und was uns in den Schoß fällt. Morgen früh werden die Sachen abgeholt und Menschen gegeben, für die es eben nicht selbstverständlich ist, jeden Tag eine warme Mahlzeit zu haben. Gar nicht weit weg gibt es sie, diese Menschen, und ich bin mir sicher, nicht nur in Gotha, sondern auch in unserem Ort gibt es sie. Die zusammen gebrachten Gaben sind ein Zeichen dafür, wie es immer sein sollte, ein Zeichen dafür, wie es ist, wenn wir tun, was Gott von uns möchte. Abgeben, weil es letztlich uns geschenkt wurde, teilen, weil es auch uns hätte treffen können. Die älteren unter uns wissen sicher noch, wie es war, kurz nach dem Krieg. Es zeigt, nichts ist selbstverständlich, sondern Gottes unvorstellbare Gnade, dass wir Wohlstand haben. Dafür können wir dankbar sein. So wird durch die Erntegaben an Bedürftige unser Dank zu einer guten Tat. Es ist ein Zeichen, liebe Gemeinde nur einmal im Jahr am Erntedanktag und es will uns den Weg weisen, es jeden Tag so zu tun. Wenn die Erntedankfeste vorbei sind, werden die Tafeln und Organisationen wieder suchen müssen nach barmherzigen und dankbaren Menschen, die helfen wollen, Not und Leid zu lindern. Es muss ja nicht immer eine Geld- oder Sachspende sein. Dankbarkeit, die sich im Tun des Guten ausdrückt, ist auch, wenn wir unsere Arbeit mit Verstand und Liebe machen. Wenn wir nicht überall nur versuchen, selbst den Hintern an die Wand zu bekommen, sondern uns zum Wohle anderer einzusetzen. Wenn es meinem Nachbarn gut geht, kann auch ich im Frieden leben. Vergesst nicht Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Die meisten unter uns sind wahrscheinlich keine Bauern mehr im klassischen Sinne. Wir haben andere Fähigkeiten und Gaben, die wir einbringen können und mit anderen teilen. Eine Frau, die Kranke und Alte besucht, weil sie Zeit hat und gut zuhören kann. Ein Mann, der mit anpackt, wenn jemand Hilfe braucht. Einer, der sich in der Kirchgemeinde engagiert, weil ihn die Dankbarkeit dazu bringt, auch andere mit dem Geheimnis, das wir Gott nennen, in Berührung zu bringen. Möglichkeiten gibt es viele, liebe Gemeinde. Ich würde mir wünschen, dass unsere Dankbarkeit heute ohne Falsch sei, nicht ein bloßes Lippenbekenntnis, weil es halt Tradition ist. Danke sagen und Gutes tun, gehören untrennbar zusammen. Es ist das Lobopfer, das Gott gefällt. Wie gesagt, Dankbarkeit ist eine Einstellung zum Leben selbst. Vielleicht ist es gerade der Weg, Gott zu erkennen, den jeder versteht, ob er getauft ist oder nicht, ob er das Glaubensbekenntnis mitsprechen kann oder nicht, wenn wir Gott in der Welt selbst entdecken lernen. In der reichen und vielgestaltigen Natur, in der Liebe der Familie, in den Möglichkeiten, die vor uns liegen, in allem, was wir selbst nicht schaffen können, was einfach schon da ist, ehe wir da waren und noch da sein wird, wenn wir gehen. Es ist die Grundlage, die Gott uns schenkt, seine Visitenkarte, mit großem Ausrufezeichen. Sieh her, das ist alles für dich! Mach was draus! Wenn wir die Welt mit solchen Augen sehen lernen, dann stellt sich Dankbarkeit ganz von selbst ein, dann lassen wir unsere Chancen nicht verstreichen, sondern leben im Einklang mit Gott, mit den Menschen, mit der Natur. Sieh her, spricht Gott, es ist alles für dich! Greif zu und mach das Beste draus! Und vergiss dabei nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Amen.

Mittwoch, 2. Januar 2008

Predigt zu Heilig Abend in allen drei Gemeinden - 1.Tim 3, 16

Liebe Gemeinde,

alles ist gut! Vielleicht sagen sich das einige unter uns gerade, weil die Vorbereitungen auf den lang ersehnten Heiligen Abend hinter uns liegen, der Baum ist besorgt und geschmückt, die Besorgungen für die erwarteten Gäste an den Feiertagen erledigt, die Geschenke verpackt und manche gar schon ausgepackt. Die Kinder, die heute uns mit dem Krippenspiel die Heilige Geschichte vor Augen und Ohren geführt haben, sie sagen sicher auch „Jetzt kann Weihnachten losgehen. Alles ist gut!“ Die Aufregung, ob ich meinen Text hinkriege und ob alles klappt, ist nun vorbei. Alles ist gut! An diesem Heiligen Abend, auf den viele so sehnsüchtig gewartet haben, scheint alles gut. Für einen Moment sind alle Sorgen und Turbulenzen des vergangenen Jahres vergessen, bis sie spätestens am 2. Januar wieder an unsere Türen klopfen. Die Sorge um den Arbeitsplatz, die Schulnoten, die Zukunft, die Gesundheit – alles wird wieder auf uns einströmen. Aber jetzt ist Zeit zu sagen: Alles ist gut! Probieren Sie es einfach mal und sagen: Alles ist gut!

Ja, alles ist gut – das ist das große Geheimnis des Glaubens; Alles ist gut – das ist das tiefe Geheimnis der Weihnacht. Gott liebt diese Welt und die Menschen in ihr so sehr, dass er selbst sich hinein gibt in diese Welt. Er wird Mensch und nicht einfach, wie manch erdachter Außerirdischer in einem Film einfach vom Himmel fällt. Geboren von einer jungen Frau, ganz klein und hilfebedürftig, wie so ein kleiner Mensch halt ist. Auch wenn wir uns die Heilige Familie im Stall mit den Hirten und Königen immer so romantisch ausmalen, wenn wir genauer hinsehen, so ist da tatsächlich nur der stinkende Stall und die Armut und Einfachheit, die mit Händen zu greifen ist. Und doch ist alles gut in diesem Moment. Mit der ersten Weihnacht fängt die Menschlichkeit Gottes an – Jesus besteigt den Thron über die Völker der Erde. Er ist der verheißene Sohn, der Erlöser. In ihm wird uns von Gott vor Augen und Ohren gemalt, wie er zur Welt steht. Reine, sich verschwendende, ja sich aufopfernde Liebe ist Gottes Gefühl uns gegenüber. Wenn Gott uns liebt, ist dann nicht wirklich „Alles gut“?

Ja, es ist alles gut! Es ist z.B ein kleines Wunder, dass wir uns wie heute an einem kurzen Zeitpunkt im Jahr die Zeit nehmen für Gott, die Seele mal baumeln lassen, die Sorgen hinten anstellen und uns zusagen lassen, dass alles gut ist. Ich bin mir sicher, dass jemand, der mit der Kirche sonst wenig am Hut hat, auch zugeben wird, dass diese Weihnacht etwas Besonderes ist. Menschen geben sich Mühe in diesen Tagen. Wir wünschen uns Gute Feiertage, mancher gibt von seinem Überfluss denen ab, die weniger haben, wir besorgen Geschenke füreinander, wir versöhnen uns mit Menschen, mit denen wir uns verstritten haben. Selbst die kleinen Kinder mühen sich, artiger zu sein, als die Monate zuvor – es könnte ja sein, dass sonst die Geschenke gering ausfallen. Weihnachten ist das Fest der Harmonie, alles soll so gut und harmonisch wie möglich sein! Wenn ich die festlich beleuchteten und geschmückten Häuser sehe, so weiß ich, dass schon rein statistisch gesehen, nicht jeder Stern einem Christen gehören kann in unserem Ort. Und doch strahlt da etwas, das wir alle teilen: die Sehnsucht nach der heilen Welt, nach der erlösten Welt. Weil wir insgeheim alle wissen, dass die Welt in ihrer nackten Realität wahrlich kein Zuckerschlecken ist. Weil wir insgeheim wissen, da muss es noch mehr geben als Arbeit und Ärger. Und wenn es nur die zwei Feiertage sind. Das verbindet uns alle.

Doch bin ich nicht Pfarrer dieser Gemeinde, wenn ich am Heiligen Abend nicht auch davon reden würde, was das Zentrum von Weihnachten ist, wenn ich nicht sagen würde, warum alles gut ist! Der heutige Predigttext erzählt uns in knappen Worten, warum alles gut ist: Im 1. Timotheusbrief hören wir:

„Groß ist, wie jedermann weiß, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch – gerechtfertigt im Geist – erschienen den Engeln – gepredigt den Heiden – geglaubt in der Welt – aufgenommen in die Herrlichkeit.“ (1Tim 3, 16)

An Weihnachten geht es um das Geheimnis des Glaubens. Was wir insgeheim wünschen, das Heil der Welt, dass alles seinen Sinn und sein Ziel hat, das wird an Weihnachten lebendig – und doch bleibt es ein Geheimnis. Gott liebt die Welt, wenn Gott uns liebt, dann ist alles gut. So verschlüsselt und knapp unser Bibeltext heute ist, so konkret ist er für die, die vom Geheimnis des Glaubens ergriffen sind, die ihre Herzen dem heiligen Kind in der armseligen Krippe ihr Herz öffnen. Er ist offenbart im Fleisch – Gott ist Mensch geworden, hat unter uns gelebt und den Weg gezeigt, der richtig ist. Gott hat all das, was uns das Leben schwer macht, mitempfunden, von den ersten Zähnen bis zum bitteren Tod. Er hat uns als Mensch vorgeführt, wie diese Welt heil werden kann, wenn wir alle uns an die eigene Nase fassen und über unseren Schatten springen, wenn wir die Liebe wieder an die erste Stelle setzen.

Er – Jesus – ist gerechtfertigt im Geist. Die Welt hat den Gottessohn nur scheinbar aus dem Weg schaffen können. Er hat den Tod als letzte Fessel zerbrochen, im Heiligen Geist wirkt dieser lebendige Gott weiter in unseren Herzen und unseren Gedanken, in dem, was Menschen tun, wenn sie diesem lebendigen Gott vertrauen. Zu Weihnachten scheint das Kreuz Jesu weit weg zu sein. Knapp 30 Jahre lagen zwischen diesen Ereignissen – Geburt und Tod. Der Blick zur Krippe ist zugleich ein Blick auf die Erlösung am Kreuz – denn was ginge uns sonst irgendeine Geburt in einem Stall an, wenn sie keine Bedeutung weiter hätte, wenn das Baby nicht als Erwachsener für uns etwas bedeutete?

Erschienen den Engeln, die himmlische Welt öffnet sich mit Weihnachten. Die uns umfangenden Mächte Gottes, die Welt des Lichts und der Wahrheit eröffnen sich in der Ankunft des Herrn auf dieser Erde. Beides ist untrennbar miteinander verbunden in diesem Geheimnis. Auch die himmlische Welt empfängt das Kind in der Krippe als ihren Heiland. Und mal ehrlich: was wäre ein Krippenspiel ohne Engel? Was wäre Weihnachten, wenn nicht etwas viel Größeres, als wir selber sind, plötzlich nach unseren Herzen greift?

Gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt. Gottes Offenbarung, das Geheimnis des Glaubens erfasst die ganze Welt, es richtet sich an alle Menschen. Darum hat die frohe Botschaft Menschen erreicht, die kaum Hoffnung darauf hatten – die ausgegrenzt waren, wie die Hirten, oder aus fernen Erdteilen kamen, wie die drei Weisen, oder die litten unter ihrem Schicksal, die Lahmen und Blinden, die Kranken und Einsamen oder eben die Völker der Welt, die noch nie etwas von dem Schöpfer aller Dinge und seiner fleischgewordenen Liebe wussten. Gott legt sich nicht fest, wer würdig ist und wer nicht – er kommt zu allen. Auch das ist der Sinn von Weihnachten und Grund zur Freude und dem Ausruf: Alles ist gut!

Aufgenommen in die Herrlichkeit. Hier noch einmal die Verbindung von Göttlichem und Menschlichem, von Irdischem und Himmlischen. Jesus, Mensch und Gott zugleich, verbindet die Sphären. Er geht den Weg voraus, den alle Menschen von nun an gehen können, direkt in den Ursprung der Welt hinein, zurück zu Gott. Das Leben hat keine Grenze, denn Gott ist ein Gott des Lebens. In der Verherrlichung des Sohnes steckt noch ein zweites – Jesus herrscht über die Engel, wie über die Menschen – eine neue gemeinsame Sphäre tut sich auf. Der Himmel hat die Erde geküsst und nun sind sie verbunden durch Jesus, der seine Schafe den Weg zur Herrlichkeit führt.

Liebe Gemeinde, das alles ist Weihnachten. Das alles ist Grund zur Freude, denn alles ist gut. Gott liebt uns und stellt eine Verbindung her – wir dürfen nur nicht den Hörer auflegen. Sondern wir mögen uns hinein nehmen lassen in das große Geheimnis des Glaubens – wir müssen unsererseits die Verbindung halten, das Gespräch, das unser Leben verändern will, führen. Vielleicht ist manches von dem, was ich sagte, unklar geblieben. Es ist schwer über ein Geheimnis zu reden. Manchmal ist der einfache Weg im Leben gerade der, der uns zu einfach erscheint oder den wir einfach nicht sehen wollen. Am Heiligen Abend besteht die Chance, das Geheimnis des Glaubens in dem Wunder der Geburt eines kleinen Kindes zu entdecken. Ich weiß, es ist verwirrend für einen modernen Menschen. Wie kann Gott Mensch werden? In einem Stall? Wie können wir frei und erlöst werden durch den Glauben? Ich bin erst mit 14 Jahren getauft worden, weil meine Vorfahren kein Geheimnis des Glaubens mehr kannten. Glauben Sie mir, ich weiß bis heute nicht, wie das kam. Es bleibt für mich ebenso ein Geheimnis, wie der Glaube selbst ein Geheimnis bleibt, und wie seltsam Gott seine Wege geht mit dieser Welt. Gerade an Weihnachten werden diese seltsamen unerwarteten Wege Gottes gefeiert – die Geburt des Welterlösers neben dem Futtertrog für Ochs und Esel.

Ich wünsche uns allen, dass etwas von Gottes großem Geheimnis mit in die festlichen Stuben einzieht heute. Ich wünsche uns, dass wir unsere Herzen erheben an diesem Abend zu dem ewigen Gott, der alles gut machen wird und dessen Liebe uns sagen lassen kann: Alles ist gut! Ganz egal wie die Zeit danach aussehen wird. Weihnachten ist nicht nur heute, sondern immer. Diese Kraft kann strahlen und dauern bis über jeden Tod hinaus. Gott segne unseren Ort und alle Menschen. Er umhülle uns mit dem Geheimnis seiner Liebe. Amen.

Predigt zum 3. Advent am 16.12.2007 in Wahlwinkel - Off 3, 1-6

Liebe Gemeinde,

es sind schwierige Zeiten für unsere Gemeinde in Wahlwinkel. Wir werden jedes Jahr weniger, jedenfalls den nackten Zahlen nach. Und oft ist es so, dass wir denken, hier läuft nichts mehr. Würde man nach wirtschaftlichen Maßstäben schauen – und leider ist dieses Vorgehen in unseren Landeskirchen gerade sehr in Mode – dann würden wir wohl schlecht abschneiden. Wenig Veranstaltungen, wenig Gottesdienstbesucher, wenig Mitglieder, viel zu wenig Kirchgeld, schlechte Finanzen und und und … wir leiden darunter, wir, die wir mit unserem Herzblut an der Gemeinde hängen, wir, die wir uns hier versammeln, um Gottes Wort zu hören, Worte, die uns frei machen wollen und uns trösten, die uns Hoffnung und Liebe füreinander schenken. Ich denke, Analysen nach Zahlen oder Strukturen sind das eine, was wirklich zählt, ist, was Jesus selbst über seine Kirche denkt. Unser heutiger Text für die Predigt hat genau das Gegenteil vor Augen, vielleicht eine Gemeinde, in der die ganze Woche hindurch das Haus brummt vor Veranstaltungen und doch sagt Jesus über diese Gemeinde: Man sagt, ihr seid lebendig, doch in Wahrheit seid ihr tot! Ein hartes Wort. Hören wir den ganzen Abschnitt aus der Offenbarung des Johannes. Der Auferstandene lässt den Seher der Gemeinde in Sardes schreiben:

„Dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot. Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben: die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind es wert. Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“

Liebe Gemeinde! Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Dieser Brief, der einmal öffentlich tatsächlich in Sardes dieser Gemeinde vorgelesen wurde, der hat es in sich. Wie haben die Menschen wohl reagiert. Dem äußeren Anschein nach war alles in bester Ordnung, denn man sagte sich ja landauf landab: Das ist eine lebendige Gemeinde, die da in Sardes! Wir Wahlwinkler schauen vielleicht in dieser Weise nach Schnepfenthal, wo es an Kandidaten für den Gemeindekirchenrat nur so wimmelte, wo es eine warme Kirche gibt und gut besuchte Gottesdienste, wo die Welt noch in Ordnung scheint. Gleich um die Ecke, nur drei Kilometer weiter. Das ist eine lebendige Gemeinde. Ich kenne die Gemeinde in Schnepfenthal nicht und ich maße mir auch kein Urteil an. Doch auch dort wird heute dieses Sendschreiben verlesen und in der Predigt ausgelegt. Und es wird auch dort die Frage auftauchen: Was ist eigentlich das Zentrum? Ist es nur äußerer Schein oder spielt der lebendige Gott tatsächlich eine Rolle in unserem Leben? Das ist nämlich die zentrale Frage. Strukturanalysen und Zahlen interessieren Gott herzlich wenig – das sind unsere Hilfsmittel, die Welt zu verstehen. Was Gott wirklich interessiert, ist unser Herz, was Gott wichtig ist, ist, dass wir festhalten und wachsam sind, dass wir ihm unser Herz öffnen.

Welche Gemeinde lebt und welche tot ist, entscheiden nicht wir oder irgendwelche Gremien, die aufgrund von Zahlen Pfarrer versetzen und immer größere Kirchspiele bauen. Ob wir lebendig sind oder nicht, das weiß allein der, der unser Herz kennt – der ewige Gott, der Herzenskündiger. Und die tatsächliche Zahl derer, die sich zu Gott bekennen und ein Herzens- und Lebensverhältnis zu ihm haben, mag klein sein, besonders hier in Wahlwinkel und doch wird es gesehen vom Allmächtigen. Denkt daran, was ihr empfangen habt, und haltet fest daran und tut Buße!

Es ist unangenehm für viele in unserer Zeit, sich vorzustellen, dass jeder Schritt, den wir tun, beobachtet wird. Vor einigen Jahrzehnten war es noch ein Horrorszenario – George Orwell hat es 1949 in seinem Roman „1984“ beschrieben, die DDR hat dahingehend, was die Bespitzelung und Durchleuchtung der Privatsphäre angeht, noch einiges zugelegt. Doch sind wir heute mittendrin unter dem Deckmantel der Sicherheit: jedes Telefonat, jeder Klick im Internet, jeder Brief ist dokumentiert und aufgezeichnet. In größeren Städten sind Plätze und Gebäude videoüberwacht – rund um die Uhr. Was machen die Leute hinter den Kameras mit diesen Informationen? Viele dieser Informationen werden schon heute teuer verkauft, an Firmen, die uns plötzlich Briefe schreiben und schon genau wissen, welche Interessen wir haben, wann wir wo welches Produkt gekauft haben. Der gläserne Mensch ist bereits Wirklichkeit, doch kratzt dies nur an der Oberfläche.

Wenn wir wissen, dass einer ist, der unser Herz kennt, so mag das vielleicht noch mehr beängstigend sein. Denn hat nicht jeder von uns seine kleinen Geheimnisse? Hat nicht jedes Herz, jeder Mensch einen schwarzen Fleck, einen Abgrund, auch wenn er nur klein ist? Liebe Gemeinde, wir brauchen keine Angst vor dem zu haben, der unsere Herzen kennt! Gott wird lebendig für uns, in Jesus ist er fast mit Händen zu greifen. Schon in einem kleinen wehrlosen Kind kommt uns Gott entgegen und will uns berühren – Wie sollten wir vor einem kleinen Kind Angst haben? Es kommt in Frieden, unschuldig bis zuletzt, ohne Hintergedanken, aus reiner Liebe. Wir brauchen uns nicht fürchten vor diesem Gott, wenn wir ihm unser Herz offen legen und das ein oder andere verändern, das vielleicht falsch gelaufen ist. Gott will Veränderung, er will die Welt erneuern mit seiner Liebe.

Gefährlich wird es allerdings, wenn wir diesen heißen Draht zu Gott verlieren, wenn wir uns bewusst abwenden und vielleicht das Gegenteil tun, von dem, was uns als die Wahrheit verkündet ist. Dann besudeln wir unser Kleid, das wir empfangen haben in der Taufe. Nicht ein Kleid im wörtlichen Sinne, sondern unsere Kindschaft und Reinheit, die Gott uns als seinen Ebenbildern schenkt – in besonderer Weise durch die Taufe und die Zugehörigkeit zu Jesus, dem Auferstandenen. „Du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind es wert!“

Liebe Gemeinde, wenn wir heute hier beisammen sind, dann bin ich gewiss, dieses Wort will uns Mut machen. Ich bin zwar noch nicht lange hier, doch weiß ich eines genau, das Reich Gottes ist in Wahlwinkel noch lange nicht angekommen, doch in den Herzen einiger Menschen - und dazu gehören Sie! – ist das Reich Gottes schon da, in unseren Herzen. Wo wir festhalten an dem, was wir empfangen haben von Gott, an unserem Glauben, unserer Hoffnung und unserer Liebe, da ist der lebendige Herr mitten unter uns – egal ob zwei oder drei oder zweihundert zum Gottesdienst kommen und sich äußerlich zur Gemeinde rechnen. Das lebendige Verhältnis zu Gott kann man nicht dem äußeren Schein nach oder in Zahlen messen. Es ist da oder nicht. Wo es ist, da wird Gott gegenwärtig sein, mit den Menschen wird er sein Reich bauen. Das ist Advent, liebe Gemeinde, warten, abwarten, auf das Unsichtbare hoffen, auch wenn die Zahlen nicht stimmen. Wir sind in dieser Wartehaltung nicht allein, dessen dürfen sie getrost sein! Mit allen Christen der Welt warten wir auf die Erlösung der Welt durch den, der unsere Herzen kennt, unsere Angst, unseren Zweifel, aber unser Vertrauen und unseren Glauben. „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, sondern seinen Namen bekennen vor meinem Vater und seinen Engeln.“ Diese Worte sagt der Auferstandene, der um die Bedrängnis weiß, die wir um seinetwillen erleiden. So trifft Gottes Wort heute wohl eher die großen scheinbar lebendigen Gemeinden und weniger uns, die wir festhalten wollen und uns vielleicht manchmal komisch dabei vorkommen. Unsere Wahlwinkler Kirche steht zwar mitten im Dorf, jeder kann sie sehen und jeder weiß genau, wie hoch die Hecke davor sein darf und dass die Turmuhr immer stehen bleibt. Das ist schon erstaunlich, denn die meisten haben tatsächlich kein Verhältnis zu ihrem Schöpfer, geschweige denn zu der Gemeinde, deren Anwesenheit der Turm und die Kirche repräsentiert. Gott sieht das Herz, das muss einen Gläubigen nicht schrecken, auch wenn wir nicht immer alles richtig machen. Doch über die Spötter und Nervtöter wird Gottes Tag kommen wie der Dieb in der Nacht. Also wachen wir und warten wir, wie es sich für eine christliche adventliche Gemeinde gehört. Wir erwarten noch mehr als die Hecke und die Uhr, wir erwarten den lebendigen Gott, die Vollendung der Welt. Möge Gott uns stärken und gewiss machen in unserem Festhalten an ihm, dass wir festhalten und überwinden. Dann werden wir in der Vollendung wandeln, denn allein Gott weiß, wer lebendig ist und wer tot.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Predigt zum 2. Advent am 9.12.2007 in Hörselgau - Off 3, 7-13


Liebe Gemeinde,

es ist ein freudiger Tag für unsere Gemeinde hier in Hörselgau. Der Gemeindesaal ist wieder nutzbar. Wie ein bisschen Farbe einen Raum verändern kann! Das wir hier zusammen sitzen verdanken wir Ihrer Unterstützung. Unser Kirchgeld in diesem Jahr ist extra für diesen Zweck gesammelt worden – und es hat tatsächlich gereicht. Es hat sich in jedem Fall gelohnt und ich hoffe, die Gemeinde nimmt diesen Saal freudig in Besitz und wird gute und aufbauende Erlebnisse mit diesem Raum machen. Es ist sicher nur ein kleiner Schritt nach vorn, aber jeder kleine Schritt bringt uns voran. Manchmal erfahren wir auch, dass unsere Kraft nur klein ist und wir keine Berge versetzen können. Auch unsere Gemeinde wird kleiner und es gibt sicher nicht wenige unter uns, die sich Sorgen machen darüber. Was kann man alles besser machen? Was wäre, wenn mehr Geld da wäre? Wir sind Wartende oft in unserem Leben, weil nicht immer alles sofort geht, weil nicht immer alles so wird, wie wir uns das vorstellen. Das Warten gehört auch zum Advent. Wir Christen sind Wartende. Wir warten nicht nur auf Weihnachten, das unterscheidet uns nicht von anderen. Auf Weihnachten warten viele. Wir warten auf die Erlösung der Welt, auf das Kommen des Herrn. Jeder kleine Schritt, den wir gehen im Leben ist schon überstrahlt von diesem Schimmer der Hoffnung, unsere Wege haben eine Richtung, denn wir wissen, diese Welt ist noch nicht so, wie Gott sie haben will. Die große Erlösung, das Heil für alle steht noch aus. Wir warten und leben auf Hoffnung hin. Das ist nicht jedermanns Sache – das Warten. Wer wartet schon gerne beim Arzt, auf der Zulassungsstelle oder beim Arbeitsamt? Unser Warten ist da etwas anderes, unser Warten macht nicht träge. Wie Gott der ganzen Schöpfung Erlösung und Erneuerung verheißt, so schenkt er Erlösung und Erneuerung schon hier und jetzt, wenn er zu unseren Herzen spricht durch sein lebendiges Wort. Sicher – das Reich Gottes ist in Hörselgau noch nicht angebrochen, aber in vielen vielen Herzen unserer Gemeinde ist es schon da.

Schon die ersten Gemeinden der Christenheit mussten um ihr Bestehen kämpfen. In der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch der Bibel, finden wir sieben Sendschreiben an sieben Gemeinden in Kleinasien. Alle diese Gemeinden gibt es heute nicht mehr – der Islam hat das Christentum in der heutigen Türkei verdrängt – auch die alten Städte mussten neuen weichen. Doch diese Sendschreiben können wir auch als Sendschreiben an uns verstehen, denn es sind ähnliche Probleme und Situationen, wie wir sie auch haben. Sieben Gemeinden – die Zahl sieben ist die Zahl der Vollständigkeit. Was der Visionär Johannes hört und schreibt, ist an die ganze Kirche gerichtet, damals wie heute. Die kleine und schwache Gemeinde in Philadelphia kommt gut weg bei der Einschätzung durch Gott. Wir lesen im 3. Kapitel der Offenbarung (Off 3, 7-13):

„Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschleißt und niemand tut auf: Ich kenne deine Werke. Siehe ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen. Denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden und sind es nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe. Weil du mein Wort von der geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf der Erde wohnen. Siehe, ich komme bald. Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!

Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt und meinen Namen, den neuen. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist der Gemeinde sagt!“

Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, wer Ohren hat, der höre, was der Geist der Gemeinde sagt! Halte, was du hast, damit niemand dir deine Krone nehme! Es sind viele verheißungsvolle Dinge, die uns heute zugesagt werden, uns der Gemeinde, die ebenso klein in ihrer Kraft ist wie Philadelphia. Gott hat die Tür für euch geöffnet. Niemand ist in der Lage, sie vor euch zu verschließen, denn was Gott auftut, schließt niemand zu, was er verschließt, schließt niemand auf. Ich sagte es schon am Anfang – wir Christen sind Wartende. Beharrlich halten wir daran fest, dass es mehr gibt, als wir sehen können. Beharrlich vertrauen wir nicht nur unserer eigenen Kraft, sondern setzen unserer Hoffnung einen größeren und weiteren Horizont als andere. In Geduld warten, dabei bleiben, die Spannung aufrecht erhalten, das üben schon unsere Kinder, wenn sie den Adventskalender jeden Tag öffnen. Sie üben sich in Geduld – denn das nächste Türchen gibt es erst am kommenden Tag. So versüßen wir uns das Warten auf Gott, auf Weihnachten. Doch kommt zu Weihnachten wirklich Gott in jedes Herz? Es ist doch eher so, dass wir auch an Weihnachten wie an jedem Tag Wartende bleiben. So ist der Zustand des geduldigen Wartens das eigentliche Leben. So ist eigentlich jeder Tag Advent – Warten auf die Ankunft des Herrn. Ein Philosoph sagte einmal: Das Schwerste für einen Menschen ist eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt. Das wird jeder von uns einsehen. Doch der kluge Mann sagte noch einen zweiten Satz dazu: Das Schwerste für einen Menschen ist eine Hoffnung, die bereits erfüllt ist. In diesem Leben ohne Hoffnung leben, das scheint uns unmöglich. Unsere christliche Hoffnung ist sehr hoch angesetzt. Vielleicht schwindet uns deshalb manchmal die Kraft an der Hoffnung festzuhalten und doch brauchen wir die Hoffnung, weil sie uns trägt und weiter leben und hoffen lässt. So sind diese beiden Extreme, der nicht erfüllten und schon erfüllten Hoffnung eben die Spannung, in der wir stehen. Das macht eigentlich das Menschsein aus – die Gottebenbildlichkeit, die schon da ist, doch erst im Kommenden zur ganzen Vollendung und Erfüllung gebracht wird. Die Botschaft heute ist: Haltet fest, was ihr habt. Haltet an eurer Hoffnung und eurem Glauben fest! Auch wenn das Warten manchmal schwer fällt. Auch wenn viele uns belächeln. Der Heilige und Wahrhaftige hält die Tür bereits offen für uns und die Spötter werden einst kommen und feststellen, dass wir die Geliebten Gottes sind und nicht sie. Haltet fest in Geduld, trotz eurer kleinen Kraft. Denn ihr tragt jetzt schon die Krone des gottwohlgefälligen Lebens. Sehr zu, dass niemand sie euch entreißt! Nicht die Heilsversprechen anderer, nicht der eigene Zweifel, nicht der Konsum und das Geld, nicht der Nachbar, der ohne Hoffnung ist. Niemand darf euch die Krone wegnehmen.

Was bedeuten diese Umschreibungen nun konkret. Für Hörselgau wie für die anderen Gemeinden in Mitteldeutschland geht eine neue Amtsperiode los der Gemeindeleitung. Und sicher haben unsere Gemeinden einmal bessere Zeiten gesehen. Doch, was soll´s, frage ich. Denn wir sind jetzt dran mit unserer kleinen Kraft. Gemeinde und Kirche, das sind wir alle, jeder einzelne, der die Hoffnung in seinem Herzen trägt. Gott will, dass wir festhalten an ihm und seiner Wirklichkeit. Und gerade die Bedrängnis erfordert Geduld. Gott wird die Treue reichlich belohnen. Die Krone schmückt uns bereits, das Reich liegt noch vor uns. Wir werden wie Pfeiler sein im Tempel Gottes. Einen Pfeiler kann man nicht ohne weiteres herausnehmen, wir sind wichtig für Gott. Er braucht uns für seine neue Welt, auch wenn unsere Kraft klein scheint. Mögen wir festhalten am Glauben, dem kostbaren Schatz, der uns geschenkt wurde. Mögen wir nicht müde werden in der Erwartung der kommenden Erlösung. Geduld und Kraft schenke Gott uns allen. Amen.

Predigt zum 1. Advent am 2.12.2007 in Fröttstädt und Wahlwinkel - Hebr 10, 19-25

Liebe Gemeinde,

gestern wurde das erste Türchen am Adventskalender aufgemacht, heute wird die erste Kerze am Kranz entzündet. Wir fangen wieder von vorne an – jedes Jahr wieder. Ganz klein ist solche ein Türchen an den normal großen Kalendern und die meisten Kinder würden gerne schon mehr von diesen Türchen öffnen, doch was würde dann aus der Vorfreude. So nimmt alles einen kleinen Anfang und am Heiligen Abend wird das letzte Türchen geöffnet. Schritt für Schritt gehen wir Gott entgegen, der zu uns kommt in seinem Sohn. Advent ist eine Zeit des Wartens, der Vorbereitung. Und damit meine ich nicht nur das Stollenbacken oder Geschenke kaufen, die Besorgung der Gans oder des Weihnachtsbaums. Ich meine eine innere Vorbereitung, das Abschreiten eines inneren Weges, der uns jedes Jahr wieder zu Gott führen will, zum Wunder des Heiligen in einem kleinen Kind.
Früher wurde im Advent sogar gefastet, der Stollen war ein Fastengebäck und durfte früher nicht mit Butter gebacken werden, da Fett in der Fastenzeit verboten war. Vorbereitung also, ein neuer Anfang, unser Herz als eine Tür, die sich für Gott langsam öffnet. Der Predigttext redet heute von einer solchen Tür, die verschlossen war, doch nun geöffnet ist, ein Vorhang, der beiseite geschoben ist und uns Glaubenden Zugang zum Heiligen schenkt. Im Hebräerbrief heißt es im 10. Kapitel:

„Weil wir nun, liebe Schwestern und Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns aufgetan hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, durch das Opfer seines Leibes und haben einen Hohepriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unseren Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser. Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat. Und lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken und nicht verlassen unsere Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen, und das umso mehr, als ihr seht, dass sich der Tag naht.“

Liebe Gemeinde, der Hebräerbrief ist schon von Luther eine „stroherne Epistel“ genannt worden. Und beim ersten Verlesen stellt sich kaum adventliche Vorfreude ein. Es ist ein ernster Mann, der diese Zeilen schrieb, einer, der sah, wie die Hoffnung aus den Herzen immer mehr verschwand, wie die Gemeinde, die sich sonntags versammelte immer kleiner wurde und viele begeisterte, vom Anfangsenthusiasmus Erfasste wieder zum Alltag übergingen.
In gewisser Weise ist das ja auch die Situation unserer Gemeinden, die immer kleiner werden. Und es ist wie in unseren Tagen, dass die Hoffnung darauf, dass die Welt und das Leben einen höheren Sinn und eine höhere Weihe hat, aus vielen Herzen verschwunden ist. Aber es gibt viele kleine Details in diesen ernsten und mahnenden Worten, die etwas mit unserem Warten und unserer Vorfreude im Advent zu tun haben.
Jesus hat den Vorhang beiseite gezogen, der uns den Blick auf Gott verdeckt hat. Wenn hier von einem Vorhang die Rede ist, so meint der Schreiber den Vorhang, der das Allerheiligste im Tempel zu Jerusalem verdeckt hat. Der Vorhang, der die Menschen von Gott trennte. Nur an einem Tag im Jahr, dem höchsten aller jüdischen Tage, dem Jom Kippur, durfte der Hohepriester diesen Raum betreten. Doch vorher musste er sich reinigen und vorbereiten. Die Menschen wussten zwar, dass Gott nicht auf einen dunklen Raum beschränkt ist, doch war dies der Heiligste und damit auch verbotenste Ort im ganzen Land. Der Vorhang war ein Symbol dafür, dass das Menschliche und das Göttliche zweierlei Dinge waren.
Es wird zu Karfreitag immer gelesen, dass der Vorhang des Tempels in zwei Teile gerissen sei, als Jesus am Kreuz verstarb, als Gott selbst die tiefste Not des Menschlichen in einem qualvollen Tod durchschritt. Gott ist seither nicht mehr festgelegt und verdeckt, er ist Mensch geworden. Das Allerheiligste ist nun durch diesen Jesus für alle offen, die danach verlangen. Gottes Wesen ist nun offen für uns. Das ist es, was wir an jedem Tag des Kirchenjahres begehen, das Wunder, dass wir zu Gott gehören dürfen, die Hoffnung, dass nichts uns von diesem Gott trennen kann, wenn wir ihm vertrauen. Wir feiern, dass Gott uns begegnen will und wir ihm entgegen gehen.
Ein zweites adventliches Motiv kommt in den Blick. Wie sollen wir uns dem Heiligen nahen, wie uns vorbereiten? Mit wahrhaftigem Herzen, mit vollkommenem Glauben, mit besprengten Herzen und losgelöst von dem bösen Gewissen, das uns quält. Dazu müssen wir uns auf den Weg machen, liebe Gemeinde, dazu müssen wir neu anfangen und uns innerlich bereit machen für Gottes Kommen zu uns. Vielleicht zünden wir deshalb besonders zur Adventszeit so gerne Kerzen an. Nicht nur weil es in den dunkler werdenden Tagen bis zur Weihnacht Licht und Wärme schenkt. Die Flamme der Kerze ist ein Hingucker. Nehmen sie sich die Zeit einmal länger in den Schein einer Kerze zu schauen – es ist wie eine Mediation, ein Gebet. Wir kommen zur Ruhe, erinnern uns an die ersten Erlebnisse, die wir mit dem Schein solcher Adventskerzen verbinden, gehen einen inneren Weg. Wir spüren etwas von der Kraft und dem Licht des Feuers und werden besinnlich, nachdenklich. Was hat mich bis hierher geführt, was ist wichtig für mich und meine Familie, für mein Leben. In solch einem Kerzenlicht sieht die Welt anders aus, die Welt bekommt einen anderen Glanz.
Diese Besinnlichkeit ist es, die unsere Herzen für das kommende Licht Gottes öffnen kann. Dieses Licht will uns begleiten im Leben, es will uns erleuchten und unser Leben hell und klar werden lassen.
Vielleicht vergessen wir es zu oft, diese innere Besinnung, dieses Loslassen von der Welt und Sicheinlassen auf Gott. Auch wenn es nur ein kleiner Moment ist, so werden wir neu daraus hervorgehen, dem Himmel ein Stückchen näher.
Unser Predigttext ermahnt, festzuhalten an dieser Hoffnung, die Gott uns schenkt. Es kann heißen, dass wir nicht im Alltag den Blick für das Wesentliche verlieren, dass uns die Hoffnung und der Glaube wie etwas unter vielen Dingen wird, die uns wichtig sind. Festhalten an der Hoffnung, nicht an der offenen Tür vorbeigehen, das geht nur mit der großen Zusage, die wir im Hebräerbrief hören: Gott ist treu. Die Hoffnung wird nicht ins Leere gehen, sondern der uns den Weg gebahnt hat, der wird ihn auch zum Ziel führen. Diese Zusage kann man nicht oft genug sagen: Gott ist treu.
Wenn wir heute auch in eine neue Amtszeit in der Gemeindeleitung gehen, so möge dieses Wort über allem stehen, was wir für diese Gemeinde arbeiten und bewegen wollen. Gott ist treu, haltet fest an der Hoffnung, denn Gott wird es zum Ziel führen. Das ist ein Wort, dass uns Mut machen will. Gott wird da sein und mit uns gehen auch wenn manche Entwicklungen und Ereignisse dieser Hoffnung entgegen stehen. Das alles darf uns nicht verunsichern, liebe Gemeinde! Denn wir warten auf Gott aller Widrigkeiten zum Trotz. Er wird uns nicht enttäuschen, denn er ist treu!
Dieses Warten auf Gott ist Advent. Der christliche Dichter Jochen Klepper sagte einmal: Gott wird uns immer wieder in Wartezustände versetzen, die zusammen das eigentliche Leben ausmachen: Leben aus Pfingsten und Advent. Die Erwartung Gottes also ist das eigentliche Leben. Wir sind Glaubende noch nicht Schauende. Doch kommen wir dem Ziel näher, wenn wir unsere Herzen öffnen und dem Ewigen entgegen sehen, wenn wir unsere Herzen anderen Menschen öffnen. In diesen Tagen vor Weihnachten denken viele auch an andere und spenden oder schicken Pakete in arme Länder. Könnte nicht das ganze Jahr Advent sein, könnten wir nicht stets so besinnlich und in uns hinein horchend sein wie in diesen Tagen? Das wäre schön, warten und sich bereitmachen, zur Ruhe und Besinnung kommen, das könnte die Welt wirklich verändern und dem Licht Gottes in dieser Finsternis den Weg bahnen. Ich wünschen Ihnen allen eine gesegnete und besinnliche Adventszeit. Möge die Hoffnung in uns wachsen und das Vertrauen auf den lebendigen Gott, der treu an unserer Seite steht und kommen wird, die Welt ins Licht zu führen. Amen.