Mittwoch, 28. November 2007

Predigt zum Ewigkeitssonntag am 25.11.2007 in allen drei Orten - Mk 13, 31-37

Liebe Gemeinde,
an diesem Ewigkeitssonntag halten wir inne. Wir denken an die Verstorbenen des letzten Jahres. Das unvermeidliche Ende drängt sich uns auf. Dieses Innehalten führt uns das eigene Sterbenmüssen vor Augen, das eigene Ende. Und nicht nur dies: das Schicksal der Erde bewegt uns. Wie soll das alles weiter gehen? Das Öl wird knapp, die Polkappen schmelzen, das Klima spielt verrückt, Kriege, Terror. Kein Tag vergeht, an dem wir nicht Schreckliches zu hören oder über die Mattscheibe vor Augen geführt bekommen. Fanatiker, die sich in vollbesetzten Schulbussen in die Luft sprengen, verhungerte Kinder nicht nur in Afrika, sondern in unserem Land, in Schwerin, in Bremen, Thörey usw. Sind das die Vorzeichen für das Ende der Welt? Die Filmindustrie liefert uns jede Menge Filme über solche Endzeitphantasien: Day after tommorow, (Der Tag nach morgen) zeigt was passiert, wenn das Klima umkippt. Eine neue Eiszeit, lebensfeindlich und bizarr. Oder gestern lief der Film im Fernsehen: „The day after“ (Der Tag danach), der die atomare Katastrophe zum Thema hatte. Ich könnte sicher noch viele Filme nennen. Alles hat einmal ein Ende. Und wenn wir heute zurückblicken nicht nur auf das, was uns persönlich bewegt, sondern auf den Lauf der Geschichte, so sehen wir: viele bedeutende Dinge haben irgendwann aufgehört zu existieren. Mächte und Gewalten, ganze Kulturen kamen, siegten und verschwanden wieder spurlos im Nichts. Maximal ein paar Trümmer und Scherben zeugen noch von großen Vergangenheiten. Was bleibt, wenn nichts mehr fest ist, wenn alles irgendwann an ein Ende kommt? Der Sozialstaat, eine Beziehung, ein Betreib, der sich auflöst, ein lieber Mensch, der stirbt, wenn ich einmal selbst gehen muss. Was bleibt bestehen? Darauf gibt Jesus in unserem Predigttext eine Antwort. Im Markusevangelium sagt er zu seinen Jüngern:

„Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater. Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er solle wachen; so wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!“

Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Da kann man einwenden, was sind schon Worte? Welche Bedeutung haben Worte, wenn nichts mehr da ist, wenn vielleicht niemand sie hört? Jesus ermutigt seine Jünger, zu glauben gegen alle Erfahrung, die gegen die Hoffnung spricht. Und wenn Jesus seine Jünger ermutigt, so meint er auch uns. Er sagt es ja: Was ich euch sage, das sage ich allen: Wachet! Kurz zuvor schilderte er schreckliche Bilder kommender Katastrophen, die Zerstörung des Tempels, die Verfolgung der Christen, die Kriegsherde und Verwüstungen, kurz gesagt: die große Bedrängnis. Wer zweifelt nicht an der Güte Gottes und seiner Schöpfung, wenn ihm Schreckliches widerfährt oder erlebt? Das Festhalten an der Hoffnung, dass das Gute und Richtige siegen wird, ist in solchen Momenten besonders schwer. Wer trauert, für den kann eine persönliche Welt zusammen gebrochen sein. Wer in die Welt sieht, nimmt wahr, dass auch der Bestand der Welt stets gefährdet ist. Jesus sagt dazu ganz trocken: Das ist so, da gibt es nichts zu beschönigen: Himmel und Erde werden vergehen. Das ist eine Bestandsaufnahme, eine Tatsache, an der wir nicht vorbei können. Spätestens wenn wir sterben, wird unsere persönliche Welt, unsere Beziehungen, unser sinnliches Erleben, unser Leib verschwunden sein. Doch wenn Jesus davon spricht, dass seine Worte nicht vergehen, so meint das nicht eine Spruchsammlung, die feuerfest in einem Safe den Untergang der Welt übersteht. Wenn Jesus von seinen Worten redet, dann ist das der Hinweis auf Gott. Jesus bürgt mit seinen Worten, seinen Taten, seinem Leben und Auferstehen dafür, dass dieser Gott bleiben wird. Wir vergehen, die Schöpfung mag vergehen, doch nicht der Schöpfer selbst. Wir kommen und gehen, doch einer bleibt, der vor uns war, der mit uns ging und der auch nach uns sein wird. Die nüchterne Feststellung des Endes verweist uns auf einen größeren Horizont, der unser Vorstellen übersteigt. Der Himmel, der jetzt ist, ist nicht der Himmel der kommen wird. Die Erde, die jetzt ist, ist nicht die Erde, die kommen wird. Kann das ein Trost sein, etwas, dass sich unserer Vorstellung entzieht? Das ist die Herausforderung an den Glauben. Gegen allen Schmerz, gegen alle Angst, gegen alle Erfahrungen und Analysen zu glauben, dass Gott allem seinen Sinn geben wird, dass alle und alles geborgen ist in dem einen großen Geheimnis der Welt. Dass nichts und niemand verloren geht, sondern in Gottes Hand bleibt. Glauben als Strategie gegen erdrückende Erfahrungen. Doch wenn die Welt vergeht, ist dann nicht alles umsonst, was wir auch tun? Wir können es sowieso nicht aufhalten! Was nützt es, dass ich weniger Auto fahre, die Klimakatastrophe kann ich allein damit nicht aufhalten! Was nützt es, keine Waffe in die Hand zu nehmen, wenn es immer noch genügend andere gibt, die sich gegenseitig töten, sei es im Krieg oder in der Nachbarschaft. Was nützt es, Medikamente gegen Seuchen zu produzieren, wenn die, die es bräuchten, kein Geld dafür haben es zu kaufen? Heißt das Hände in den Schoß legen – der Untergang kommt sowieso? Jesus sagt, genau das Gegenteil ist richtig. Wachsam sollen wir sein! Aufmerksam durch unser Leben gehen! Jesus malt es uns vor Augen mit einem Bild eines Hausherrn, der weggeht und die Arbeit verteilt. Niemand weiß, wann er wieder kommt. Doch was wäre, wenn er käme und die Arbeit wäre liegen geblieben? Sicher würden die Knechte in hohem Bogen vor die Tür gesetzt. Wachsam sollen wir also sein, die Dinge, die uns aufgetragen sind, erledigen. Wir sollen so leben, als wäre jetzt schon Gottes Herrlichkeit vor unserer Tür, so, als könne jeden Moment die neue Welt hereinbrechen. Von Martin Luther ist ja ein Wort überliefert, das diesen christlichen Lebensauftrag ganz plastisch beschriebt: „Wenn morgen die Welt unterginge, so würde ich noch heute einen Apfelbaum pflanzen!“ Glaube widersetzt sich den düsteren Erfahrungen. Der Glaube lässt sich nicht einschüchtern oder herabziehen in den Strudel der Hoffnungs- und Sinnlosigkeit. Denn der Glaube sieht den größeren Horizont, der sich auftut über uns – die Ewigkeit. Auch das Pflanzen eines Apfelbaums macht in dieser Sicht der Welt einen Sinn, selbst wenn er morgen nicht mehr stünde. Auch das Bemühen, Gutes zu tun, ist nie umsonst. Denn Gott gibt allem den Sinn. Was aber, wenn Gott uns schlafend findet, wenn seine neue Welt anbricht? Unfähig etwas zu tun, verkümmert in unserer Hoffnung, nicht mehr auf ihn wartend? Wachsam sein, aktiv gegen das Zerstörerische und Bedrohliche stehen, arbeiten, leben und lieben, wachen – das ist Leben im Licht der Ewigkeit.

Wachsamkeit hat für mich noch eine andere Bedeutung. Seien wir wachsam für Gott. Wir werden seine Spuren in unserem Leben entdecken, wenn wir wachsam sind, Augen und Ohren und besonders unsere Herzen öffnen für Gottes Wandeln und Wirken. Gott begegnet uns. Doch sind wir wachsam genug für ihn? Gott kommt uns entgegen in anderen Menschen, die es gut mit uns meinen, er kommt zu mir nach seinem Zeitplan, nicht nach meinem. So kann ich den Trost nach einer Trauerzeit als ein Zumirkommen Gottes erfahren. Oder die netten Worte, die mir ein Fremder sagt. Gott kommt mir in seinem Sohn Jesus entgegen, der für mich gestorben ist und auferstanden ist, der mit seinen Worten und mit seiner Liebe die Welt ein für allemal verändert hat. Der Gott, der in Jesus das Tor zum größeren Horizont aufgetan hat. Ewigkeit ist nicht einfach eine unendliche Zeit, sondern die Nahtstellen der Ewigkeit zeigen sich in unser aller Leben. Und vielleicht sind es manchmal die Zeiten der Bedrängnis, der Angst und des Zweifels, in denen uns Gott näher ist, als in unseren glücklichen Momenten. Ich wünsche uns solche Wachsamkeit für Gott. Ich wünsche uns den hoffnungsvollen Blick auf diese Welt, das Wissen, dass wir der Vollendung entgegengehen, der neuen Welt, in der wir uns einmal alle wieder sehen werden – die Lebenden und die Toten. Nichts und niemand wird vergessen sein bei Gott. Himmel und Erde mögen vergehen, doch Gott bleibt und hält die Zukunft für uns offen! Das stärke und bewahre uns auf unseren Wegen! Amen.

Predigt zum Buß- und Bettag am 21.11.2007 in Fröttstädt - Lk 13, 22-30

Liebe Gemeinde,
warum brauchen wir einen Buß- und Bettag? Als wir eben in der Stille, jeder für sich überlegt haben, was möglicherweise nicht ganz glücklich in unserem täglichen Tun und Lassen ist, da ist manchem vielleicht gar nicht recht bewusst, was er vor Gott bringen soll. Sind wir denn so böse, dass wir stets und ständig um Gnade und Vergebung bitten müssen? Darauf gibt es zwei Antworten, eigentlich drei. Nein, denn wir tun unser Bestes und bemühen uns nach Gottes Spielregeln zu leben. Ja, denn niemand ist gut als Gott allein. All unser Mühen wird immer wieder auch an unseren eigenen Grenzen und Bedürfnissen scheitern. Es gibt keine Vollkommenheit in dieser Welt. Und die dritte Antwort ist eigentlich keine, denn sie sieht nicht die Notwendigkeit, sich in seinem Tun zu rechtfertigen. Das ist leider die Antwort vieler Menschen in unserer Zeit. Darum hat es die Buße und die Erkenntnis der Sünde so schwer in unseren Tagen, Gehör und Verständnis zu bekommen.

Buße – ist ein altertümliches Wort und manche unserer Zeitgenossen verbinden damit etwas, was längst abgetan scheint. Und in der Tat ist viele Jahrhunderte hindurch das Bußwesen missbraucht worden, um die Menschen klein und niedrig zu halten. Es ist gebraucht worden, um Ängste zu schüren vor dem Zorn Gottes, vor der Strafe und dem Ausschluss aus dem Heil, das Gott der Welt und den Menschen seiner Gnade verheißen hat. Luther hat sich gegen diesen Missbrauch gewandt, der absonderliche Blüten trieb. Buße als Bezahlung in barer Münze. Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt. In seinen berühmten 95 Thesen hatte Luther nur dieses eine Thema: die Buße. Aber nicht die Buße selbst war ein Problem für ihn, im Gegenteil. Seine erste These lautete: Das ganze Leben eines Christenmenschen sei Buße. Damit hob Luther das wider auf den Schild, was auch das wichtigste Anliegen Jesu war. Jesu erste Botschaft, die wir in den Evangelien hören ist: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Vielleicht hilft es uns, die Buße wieder für uns lebendig zu machen, wenn wir Buße mit einem anderen Wort übersetzen, nämlich so wie es der griechische Wortlaut eigentlich sagt: metanoia – Umkehr. Unser ganzes Leben sei eine Umkehr, ein ständiger Prozess, eine Bewegung, kein Darniederliegen im Staub, sondern eine Bewegung des Lebens und Fühlens zurück zu unserem Ursprung zu Gott. Jeder Tag hält die Möglichkeit der Umkehr bereit, jeder Tag also kann ein Bußtag sein.

Die Notwendigkeit zur Umkehr, die Wachsamkeit für das Kommen des ewigen Reiches ist auch Thema des heutigen Predigttextes aus dem Lukasevangelium:
„Und Jesus ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden es nicht können.
Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf! Dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht, wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unseren Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“

Wort des lebendigen Gottes. Das ist ein hartes Wort, das Jesus dem Fragenden zurückgibt. Bei allem Versuch diese Worte zu glätten: Es gibt ein zu spät für die Vergebung Gottes! Es werden viele ausgeschlossen sein, die vor den Türen stehen bleiben müssen, wenn das himmlische Festmahl stattfindet. Ist das der liebende Gott, der uns Vergebung zusagt? Ist das nicht eher der Gott, mit dem die Menschen klein gehalten wurden? Er ist es und ist es nicht! Was Umkehr bedeutet, hören wir, als Jesus sagt: Dann werdet ihr sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unseren Straßen hast du gelehrt. Mit anderen Worten: Du bist doch ganz nah bei uns gewesen, hast uns essen und trinken gesehen, wir haben gehört, was du uns sagst. Wenn Jesus dann antworten wird: Ich kenne euch nicht, so wird deutlich: Was nutzt es, dass ihr mit mir gegessen und getrunken habt, dass ihr mit mir reden konntet, dass ihr mit euren Ohren gehört habt, was ich euch zu sagen hatte. Was nutzt das alles, wenn sich nichts für euch ändert? Denn ich spreche nicht zu euren Ohren, sondern euer Herz will ich erreichen! Dort ist aber kein Platz für mich und Gottes Wort, denn ihr esst und trinkt, als wäre nichts geschehen. In der Frage derer, die an Gottes Tür klopfen, ist nichts von Einsicht oder Umkehr zu hören, darum kennt Gott sie nicht und lässt sie nicht zu sich.

Es reicht also nicht aus, Jesu Worte zu hören, sondern sie wollen zu unseren Herzen sprechen, und dort etwas verändern. Sie rufen uns auf, abzulegen, was uns daran hindert, Gerechtigkeit zu üben, barmherzig zu sein, Gott und den Nächsten zu lieben. Wenn in unserem Text von der engen Pforte geredet wird, so heißt das nicht, dass wir zehn Kilo abnehmen müssen, um ins Reich Gottes zu kommen. Sondern wir sollen so zu Gott kommen wie wir sind, nicht so wie wir uns gerne hätten oder die Gesellschaft. Sondern ganz und gar entschlackt von allem, dass macht, dass wir um uns selbst kreisen. Mein Auto, mein Haus, mein Pferd, das alles macht uns nicht besser oder anders vor Gott. Unser Herz muss in der Lage sein, innerlich davon unabhängig zu sein – ganz und gar verbunden mit dem, der uns so gewollt hat, wie wir sind. Diese Verbindung ist nicht einfach da. Es ist ein Kampf, ein Prozess, wie eben Luther sagte: Das ganze Leben soll Buße also Umkehr sein. Und Jesus sagt es auch in unserem Bibelwort für heute: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht, was auch übersetzt werden kann mit: Kämpft darum!

Dieses Jesuswort ist auch eine Mahnung gegen die Selbstsicherheit. Gott will uns verwandeln, nicht erst in einer unbestimmten Zukunft, in einer Ewigkeit, von der wir uns nur bruchstückhaft eine Vorstellung machen können. Er will uns hier und jetzt verwandeln. Wo Gottes Wort zu Herzen geht, da verändert sich etwas. Da werden Dinge möglich, die sonst unmöglich scheinen, da werden kleine und große Wunder wahr. In der Hingabe des Herzens zu Gott liegt die Umkehr, die Veränderung, die stets und ständig nötig ist.

Wo Jesu Wort auf fruchtbaren Boden fiel, da standen Lahme auf und gingen, da wurden Blinden die Augen geöffnet, da ließen Fischer ihre Netze liegen und folgten ihm. Das klingt manchmal ein bisschen wie ein Märchen und es ist eben dieses Bild einer Umkehr, einer sich verändernden Welt, die so gar nicht in unsere Zeit zu passen scheint. Doch schon zu Jesu Zeiten war es so, dass es wenig up to date war, etwas zu ändern, wenn es auf den ersten Blick nicht geboten scheint. Da wurde weiter gemacht nach altbewährter Weise. Und Jesu Wort verhallte und kam nicht ans innerste der Menschen.

Sich ganz ausrichten auf Gott, umkehren, sich berühren und anrühren lassen von Jesu heilenden Worten, das heißt auch, dem Herzen eine Gestalt nach außen zu geben, das heißt handeln und tun in Gottes Sinne, sich ganz als Geschöpf zu sehen, das angewiesen ist auf Gott, ablegen, was uns Angst macht, zu erkennen, wo Bedarf ist, etwas besser zu machen, aus Fehlern zu lernen, neue Wege zu gehen. Das ist echte Umkehr und Buße. Das hat nichts mit kleinmachen zu tun, sondern ruft uns erst zu der Freiheit, zu der wahren Freiheit, zu der Gott uns bestimmt hat. Wenn wir jetzt Abendmahl feiern ist es eine Vorwegnahme des himmlischen Festmahles, zu dem wir geladen sind. Mögen wir unsere Herzen öffnen für diese Möglichkeit neu anzufangen. Mit geöffneten Herzen ist dann auch der zornige und strafende Gott der, der begnadigt und heilt, wer sich ihm anvertraut. In Jesus offenbart sich Gott als der Liebende, wir müssen nur mit den Herzen und nicht nur mit den Ohren hören. Amen.

Predigt zum Volkstrauertag am 18.11.2007 in Hörselgau - Mt 16, 1-4

Liebe Gemeinde,
ein Sprichwort sagt: Irren ist menschlich. Wenn wir uns das Leben als einen Weg vorstellen durch ein Gebiet, dass uns manchmal bekannt ist aber zumeist unbekannt, so wird schnell deutlich, dass wir oft vor der Wahl stehen, in welche Richtung es weiter gehen soll. Da kann es schon mal vorkommen, dass wir vom eigentlichen weg abkommen, uns verzetteln oder verlaufen im tiefen Wald des Unbekannten. Irren ist menschlich, doch ist es wichtig, einen Irrtum auch einzugestehen. Wer irrt, kann umkehren zurück zur Wahrheit, zurück auf den richtigen Weg treten, da wo wir festen Boden unter den Füßen haben und den Weg wieder vor uns sehen.

Wenn es heißt, irren ist menschlich, heißt das auch: wir machen alle einmal Fehler, ich genauso wie mein Nachbar, die Freunde, wir alle. Manchmal kann ein Fehler uns weiter bringen, nämlich dann, wenn wir aus ihm lernen und wieder neu anfangen. Wer hat nicht schon einmal eine Versicherung abgeschlossen und wurde dann enttäuscht, wenn es an den Ausgleich ging. Er wird das nächste Mal genauer auf das Kleingedruckte achten oder die richtigen Fragen stellen. Wer bereut es nicht ab und an, wenn er mit seiner schlechten Laune morgens aufsteht und der Hausfrieden schief hängt oder die Arbeitskollegen einem aus dem Weg gehen, weil man ungenießbar ist. Wer bereut nicht den Streit, den er wegen einer Lapalie mit seinem besten Freund angefangen hat und danach nichts mehr so ist, wie es vorher einmal war? Wir Menschen machen Fehler, irren uns, manche verrennen sich gar und bleiben in Sackgassen stecken. Wie gut ist es da, wenn wir wieder zurück können. Manchmal geht das nicht mehr – das Zurück gehen. Wenn man die Zeit zurück drehen möchte.

Gott kennt unsere Fehler und Schwächen, unsere Ängste und Sorgen, die wir meist heimlich mit uns herumschleppen. Was wir nicht wieder hinkriegen, dürfen wir in seine Hand legen. Dazu aber ist es nötig, dass wir Vergebung und Neuanfang wirklich wollen.

Der Prophet Jeremia sah sich zu seiner Zeit seinem eigenen Volk gegenüber gestellt, ein Volk, das völlig in die Irre gegangen war, ein Volk, dass sich von Gottes guten Wegen verabschiedet hatte, dass einer großen Katastrophe entgegen ging und nicht begriff, dass sein Weg ins Verderben führt. Im 8. Kapitel soll der Prophet dem Volk von Gott folgendes an den Kopf werfen:

„So spricht der HERR: Wo ist jemand, der, wenn er fällt, nicht gern wieder aufstehen würde? Wo ist jemand, der, wenn er in die Irre geht, nicht gern wieder auf den richtigen Weg käme? Warum will dieses Volk zu Jerusalem irregehen immer und immer wieder? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen. Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemanden, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Taube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.“

Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, diese Worte, vor 2600 Jahren geschrieben, sie hätten auch von gestern stammen können. Ein Volk, ein ganzes Land geht in die Irre. Das ist schon eine ziemlich schwere Ansage. Doch spricht Gott hier auch in unsere Zeit hinein. Wenn wir uns umsehen, so haben viele Menschen in unserer Region gar kein Verhältnis mehr zu ihrer Lebensgrundlage, zu Gott. Viele Menschen gehen in die Irre und meinen ihr Seelenheil am verkaufsoffenen Sonntag im Laden oder zweimal die Woche bei ALDI am Schnäppchentag zu erreichen. Wir lassen uns von selbsternannten Sterndeutern sagen, was wir hören wollen. Wir glauben das, was uns das Fernsehen vorgaukelt. Unser Drang nach Geld und Glück kennt kein Maß, wir gehen mit ausgefahrenen Ellenbogen durch die Welt und werden unglücklich, wenn wir es aus eigener Kraft nicht erreichen, weil die Arbeit nicht sicher ist, weil die Familie zerbricht, weil nicht klar, wohin die Reise eigentlich gehen soll.

Ich habe mit Absicht „Wir“ gesagt, weil ich den erhobenen Zeigefinger nicht mag. Auch ich mache Fehler und gehe in die Irre, wie wir alle, doch weiß ich, wo und wie ich zurückkomme auf die gerade Bahn und das ist Gott selbst, dem ich mich anvertrauen kann. Es ist Gottes Wort, dass mir die Orientierung vorgibt, wenn ich es ernst nehme. Was passiert, wenn ganze Landstriche gottlos werden, liegt doch auf der Hand: Es ist nicht mehr klar, was gut und was böse ist, wenn keiner mehr die zehn Gebote kennt, geschweige denn sie für das eigene Leben anwendet. Da legen junge Mütter ihre toten Babys in den Müll, anstatt sie zur Adoption freizugeben. Da wissen die Lehrer nicht mehr, wie sie den Kindern noch begegnen sollen, weil schon seit Generationen keine Werte und Hoffnungen mit auf den Weg gegeben werden. Da wird einer dem anderen zum Konkurrenten, bei der Suche nach Arbeit, bei der Verteilung der Sozialleistungen, des Geldes und Waren. Da beklagen wir den Abbau des Sozialstaates und haben selbst die Solidarität mit unserem Nächsten verlernt. Da ist es möglich, dass wir wegen der Spritpreise jammern und nicht mehr sehen, wie täglich eine Stadt so groß wie Gotha am Hunger verreckt.

Auch ich stöhne unter den Spritpreisen, doch wenn ich die Welt aus Gottes Blickwinkel sehen lerne, verstehe ich, wie gut es mir eigentlich geht. Ich erkenne, dass ich in die Irre gehe, wenn sich alles nur um mich und meinen Geldbeutel dreht. Gott sagt: Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was habe ich getan? Sie laufen alle ihren Lauf wie der Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Ein starkes Bild dieser Hengst, ein Tier, fremdbestimmt stürmt ohne Nachdenken in die Schlacht, in das Verderben. Gott bewahre uns, dass wir so gedankenlos in unser Unglück rennen und nicht nach links und rechts schauen! Ich denke, dass ist der Anspruch unseres Bibelwortes heute an uns. Das Bekennen der eigenen Fehler und der Mut zum Neuanfang, das möchte uns Gottes Wort auf den Weg geben. Nicht nur heute, sondern jeden Tag neu können wir neu anfangen. Besinnt euch auf den rechten Weg im Leben, da gibt es einen, der größer ist als wir, zu dem wir gehen können, an dessen Licht wir uns auf unseren Wegen ausrichten können, der alles zu einem guten Ziel und Ende führt. Wo wir Gott verlassen, da sind wir selbst verlassen. Denn was trägt mich denn, wenn mein Auto nicht mehr fährt, wenn mein Herz nicht mehr funktioniert, wenn ich meine Arbeit verliere, wenn mir das Hartz IV zum x-ten Male gekürzt wird, wenn meine Familie den Bach runtergeht, wenn ein lieber Mensch stirbt, wenn ich mich drehe und drehe und doch nicht vorankomme mit dem, was ich mir mal vorgestellt habe im Leben. Da helfen keine Schnäppchen, keine leeren Versprechungen, kein dickes Bankkonto, da hilft nur der, der all unser Vermögen übersteigt. Da hilft der, dessen Liebe uns erschaffen hat, der, der uns immer wieder sucht und findet, der, der unsere Herzen kennt und uns trotz aller Schuld immer wieder neu anfangen lässt. Das, liebe Gemeinde, ist der rechte Weg, der feste Boden unter den Füßen. Aus Fehlern lernen, zurückkehren, neu anfangen, aus der Sinnlosigkeit heraus das Ziel neu sehen lernen, das alles macht unser Leben heil und lässt es gelingen. Darum ist es gut, wenn wir heute unserer Gefallenen gedenken. Wir erinnern uns dabei nicht nur an das Leid der Familien sondern auch an die Schuld, die mit jedem Krieg auf den Menschen lastet. Das bringt uns dazu, nicht ziel- und gedankenlos durch unser Leben zu rennen, sondern inne zu halten und auch das, was nicht wieder gut zu machen ist, getrost in Gottes Hand zu geben. Denn es liegt nicht nur an uns, umzukehren, zugleich ist mit der Umkehr auch die Zusage verbunden, dass wer auf Gott vertraut, gerettet wird, dass Gott uns trägt und auch in Leid und Tod nicht aus seiner Hand gibt. Das gebe uns Kraft, Stärke und Hoffnung, die wir so dringend brauchen im Leben. Amen.