Montag, 29. Oktober 2007

Predigt am 28.10. 2007 in Hörselgau und Wahlwinkel - Joh 15, 9-17

Liebe Gemeinde,

dieser Sonntag ist etwas Besonderes im Leben unserer Gemeinde. Wir sind zusammen gekommen, weil heute gewählt wird. Wir treten als Gemeinde sichtbar auf – durch unsere Gemeinschaft im Gottesdienst, im Seniorenkreis, am Kindernachmittag, auf unseren Fahrten und Festen.

Die Gemeinde Gottes lebt davon, dass Menschen sich immer wieder rufen lassen in den Dienst Gottes, in die Gemeinschaft der Heiligen. Gerade in einer Zeit, in welcher der Glaube aus vielen Herzen verschwunden scheint. Einer Zeit, in der das Seelenheil im schnellen Geld oder in der Werbung gesucht wird. Einer Zeit, in der die Kirche an den Rand des Dorfes gedrängt wird, die wenigen Christen belächelt werden, die am Glauben der Vorväter und –mütter festhalten, in solcher Zeit ist es wie ein Wunder, ein Zeichen gegen die düstere Realität, wenn Menschen der Sinn- und Orientierungslosigkeit unserer unüberschaubaren Kultur, den frei machenden Glauben bekennen und mit ihrem Handeln Ausdruck verleihen. Da gibt´s nichts zu belächeln. Lächeln könnte man eher über den Halloween-Bären, den uns das Fernsehen aufgebunden hat. Gerade dies ein Zeichen dafür, wie orientierungslos die Menschen sind. Das wäre genauso, als wenn ich mir einen Turban aufsetzen würde und kein Schweinefleisch mehr esse, nur weil ProSieben oder Sat1 ein paar schöne Filme zum Islam ausgegraben hat.

Gerade in einer scheinbar gottlosen Epoche unseres Landes, ist das Christsein, ist gerade Engagement für die Kirchgemeinde vor Ort eine Herausforderung.

Dass sich Menschen zur Wahl stellen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen für die heilige Sache Gottes, das verdient Bewunderung und Respekt. Und es ist auch offensichtlich, dass unsere Wege als Gemeinde keine leichten sind.

Christsein bedeutet auch Kampf. Wer Verantwortung übernimmt, stößt auch an Grenzen, der geht vielleicht auch mal ein Risiko ein für die gute Sache. Für diesen Kampf für das Gute, für unser Engagement brauchen wir Kraft, jeder von uns, nicht nur die Kirchenältesten. Und Gott will uns diese Kraft geben, die wir brauchen.

Ich habe am Beginn des Gottesdienstes es schon gesagt. Unsere stärkste Waffe in diesem Kampf ist die Liebe. Doch ist gerade die Liebe nur dann möglich, wenn auch wir geliebt werden. Und Gott hat den Anfang gemacht. Seine Zuwendung ist der Anfang von allem, was ist – der Schöpfung, der Menschheit und in besonderer Weise der Gemeinden und Menschen, die ihm vertrauen und in seinem Namen leben, denken, und handeln. Von der Liebe spricht auch der Predigttext heute. Im Johannesevangelium im 15. Kapitel sagt Jesus zu seinen Jüngern in der Stunde seines Abschieds:

„Wie mich mein Vater geliebt hat, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er´s euch gebe. Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.“

Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, es sind zwei Gedanken, die ich aufgreifen möchte – zum einen die Liebe als Raum unserer Möglichkeiten, und zum anderen unsere Erwählung durch Gott, unser Stand als Freunde und Freundinnen Gottes.

Der Ausgangspunkt dieser Worte ist die Liebe, die Jesus von Gott empfängt. Die Liebe Gottes ist der Anfang. Sie verspürt Jesus mit ganzer Seele und Kraft und er gibt sie weiter, weil er gesandt ist, die Menschen damit anzustecken und frei zu machen. Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!

Ein großes Wort – in der Liebe bleiben. Vielleicht hilft es uns diese Liebe wie einen Raum vorzustellen. Ein Raum, in dem es sich gut leben lässt, wo wir uns geborgen fühlen und es warm ist. Ein Raum, in dem wir uns frei bewegen können und entfalten. Es ist mit Liebe mehr gemeint als die Schmetterlinge im Bauch beim ersten Kuss. Gottes Zuwendung ist der Anfang, auch sie ist mehr als ein Verliebtsein. Gott gibt sich ganz in diese Welt hinein durch Jesus, der unseren Tod starb um uns einen neuen Raum jenseits aller Tode zu eröffnen. Wir wollen in dieser Liebe bleiben, in diesem Schutzraum, der uns das Leben erst ermöglicht. Wo immer wir im Namen des Vaters und Sohnes und des Heiligen Geistes beginnen, sind wir eingeschlossen in dieses Kraftfeld der Liebe, im Gottesdienst, bei unseren Veranstaltungen, am Mittagstisch, in gefährlichen und bedrohlichen Situationen unseres Lebens, immer, wenn wir uns an Gott wenden, wie Jesus es vor uns tat. Bleibt in meiner Liebe!

Dieses Bleiben in der Liebe Gottes, die Leben erblühen lässt, führt mich zum zweiten Gedanken, zur Erwählung, unserer Erwählung als Freunde Gottes, im übrigen ganz passend zum Wahlsonntag, denn Erwählung kommt ja von Wahl. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, sagt Jesus. Er ist gekommen, um zu erwählen, die Menschen in das Kraftfeld der Liebe zu stellen. Er redet darüber, wer und wie Gott wirklich ist. In seinem Leben, seiner Zuwendung, seinen Worten redet er von Gottes Zuwendung. Gott bleibt zwar im Verborgenen, als das große Geheimnis der Welt, doch gibt er sich zu erkennen und zwar in Jesus.

Wir tappen nicht mehr im Dunkeln, müssen nicht schauerliche Opfer bringen, um dunkle Gottheiten zu besänftigen. Wir müssen keine böse Geister vertreiben oder wie bei Halloween nachäffen. Wir sind frei davon, weil Jesus uns den Vater im Himmel gezeigt hat, der uns liebt von Anfang an. Das ist ein Geschenk, liebe Gemeinde, diese Erwählung. Ein Geschenk, dass wir nicht ziellos umherirren müssen wie Suchende, dass wir uns nicht fürchten brauchen vor den Dingen, die uns in dieser Welt immer wieder auf die Füße fallen. Größer als der Helfer ist die Not ja nicht, heißt es in einem Lied.

Erwählung heißt auch, eingeweiht sein. Wir sind Freunde Gottes, nicht mehr Knechte dieser Welt. Wir sind eingeweiht in das Geheimnis, wenn gleich wir Gott nie zu fassen kriegen. Doch haben wir als Freunde Einblick in Gottes Wesen als vollkommene Liebe, durch Jesus, unseren Bruder und Freund.

Wer eingeweiht, wer erwählt ist, trägt aber auch Verantwortung. Es ist unsere Aufgabe, die Liebe, aus der wir leben, auch anderen zu geben. Wir bleiben in der Liebe, wenn wir uns untereinander lieben. Liebe ist nicht immer eitel Sonnenschein. Wer liebt, wird auch hin und wieder leiden an der Liebe. Das ist nicht nur in einer Partnerschaft so, das gilt auch für die Liebe zum Nächsten. Wer Menschen liebt, der wird leiden an den Ungerechtigkeiten dieser Zeit, der wird vielleicht Tränen vergießen, wenn seine Liebe, seine Mühen nicht erwidert werden. Und doch ist es immer erst die Liebe, die Leben überhaupt möglich macht. Wo wäre denn die Welt, wenn wir zur Liebe unfähig wären. Was würde aus unserer Dorfgemeinschaft, wenn jeder nur an sich denken, wenn es keine gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme gäbe? Da wäre nicht mehr viel los mit uns und unserem Ort.

Darum bleiben wir also in Gottes Liebe nur, wenn wir selbst uns untereinander lieben. Dann bringt unsere Erwählung Frucht. Dann wird Gott unsere Bitten erfüllen. Gott hat nie gesagt, dass es leicht wäre unser Leben, er kennt unsere Not und unseren Kampf, doch er verheißt, dass er bei uns ist, dass seine Liebe der Anfang ist, auf dem wir aufbauen, dass wir mit dieser Liebe alle Widrigkeit, alle Angst, alles Böse, ja selbst den Tod überwinden können. Liebe Gemeinde, bleibt in der Liebe, bleibt im heiligen Raum, jetzt und an allen Tagen, die Gott euch schenkt. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Predigt am 21.10.2007 in Wahlwinkel und Fröttstädt - Mk 2, 23-28

Liebe Gemeinde,

wer kennt das nicht schon aus früher Kindheit: „Das darf man nicht machen! Das ist streng verboten!“ Verbote und Regeln begegnen uns immer wieder. Da darf man mit dem Auto nicht über Feldwege fahren und muss hoffen, dass der Sheriff nicht hinter einem Busch auf einen wartet.

Im Pfarramt muss ich viele Vorschriften einhalten. Das lähmt manchmal ganz schön die Arbeit, weil ich ehe ich eine Wand streichen lasse, zwanzig Leute fragen muss und drei Anträge stellen. Das ist in vielen Branchen so. Und da gibt es die ungeschriebenen Gesetze. Mein Schuldirektor früher sagte immer: Ein Gymnasiast isst und küsst nicht in der Öffentlichkeit. Ich kann mich noch gut erinnern, wie entgegen das unseren Bedürfnissen war, wenn man unterwegs war, Hunger bekam und sich mit seinem Döner auf eine Bank setzte mit der Freundin womöglich, die man natürlich auch gerne küssen wollte, weil es sonst keinen Ort gab, wo man hätte hingehen können. Hat der Direktor uns gesehen, gab es eine ordentliche Ansprache am nächsten Schultag. Wir haben trotzdem immer wieder gegessen und geküsst, weil wir das Verbot als Widerspruch erfahren haben zu dem, was gut für uns ist. In ähnlicher Weise hat Jesus sich stets auch über Vorschriften und Gesetze hinweggesetzt, von denen manche das Leben eher hindern als schützen und befördern. Da gibt es eine Geschichte, die der heutige Predigttext ist, der so ähnlich ist wie der Döner auf der Parkbank und dies uns vor Augen führt. Im Markusevangelium im 2. Kapitel wird erzählt:

„Und es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm; Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: Er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.“ Wort des lebendigen Gottes.

Liebe Gemeinde, das war für die damalige Zeit schon ein starkes Stück. Da kommt jemand und setzt sich ganz unverschämt über Regeln hinweg. Nicht irgend ein Parkverbot, sondern Heilige Regeln, die nach alter Tradition von Gott dem Volk Israel gegeben waren. Die Pharisäer nun waren ganz eifrig in der Befolgung und Auslegung des göttlichen Gesetzes. Jede Handlung war geregelt, genau festgelegt, wann etwas getan werden darf und wann nicht. In ihrem Bedürfnis eine klare Richtung für ihr Leben dadurch zu bekommen, sind sie uns irgendwie nahe. Sie wollten ja niemandem schaden, sondern nur auf Nummer sicher gehen, dass Gottes Gebot auch eingehalten wird. Doch sind sie zu weit gegangen, denn sie haben den Menschen aus ihrem Blickfeld verloren.

Und gerade darum geht es Gott, wie wir durch Jesus gehört haben. Denn wenn wir genau hinschauen, so wendet sich Jesus nicht gegen das Gesetz selbst. Er sagt ja an anderer Stelle: Ich bin gekommen, um das Gesetz zu erfüllen. Doch damit meint er etwas, dass für die getreuen Gesetzeshüter gar nicht im Blick ist. Jesus stellt nämlich den Menschen in den Mittelpunkt des Lebens und des Gesetzes. Jesus weiß sehr wohl, dass es Gottes heiliger Wille, dass der Mensch nicht alles tun und lassen kann, was er denkt. Wo kämen wir da auch hin? Jeder wäre dem anderen ein Wolf und der Stärkere und Bösere setzt sich durch.

Wir brauchen Regeln und Gesetze, die unser Zusammenleben ordnen. Die Freiheit, die ich mir selbst wünsche, hat eine Grenze, nämlich genau da, wo die Freiheit eines anderen verletzt wird. Darum kann man die Zehn Gebote zum Beispiel als Regeln der Freiheit bezeichnen oder als Schätze für ein gelingendes Leben. Diese Regeln gelten ganz allgemein und wenn wir uns umschauen, dann sehen wir in fast allen Religionen und Kulturen der Menschheit ähnliche Regelsysteme.

Was ist aber das Besondere an Jesu Gesetzesbruch in unserer Geschichte? Der Mensch ist der Maßstab für das Gesetz und es gibt tatsächlich Gesetze, oft von Menschen gemacht, die gelingendes Leben unmöglich machen. Ein Gesetz ist kein Selbstzweck, sondern soll den Menschen dienen. Wo jemand hungern muss, weil ein Gesetz ihm verbietet zu essen, da ist eine Grenze erreicht. Wenn Jesus sich über solche Grenzen hinwegsetzt, offenbart er, was Gottes wirklicher Wille ist: Gott will nicht, dass wir hungern um fromme Regeln zu erfüllen. Er will, dass wir leben! Das Gesetz ist für den Menschen, nicht der Mensch für das Gesetz geschaffen.

In der Wirklichkeit sieht das meist anders aus und es ist in unserer Zeit, in der selbst für die Müllabfuhr ganze Bände mit Regeln voll geschrieben sind, ziemlich schwer noch durchzuschauen. Wo setzt man da den Hebel an und stellt den Menschen wieder in den Mittelpunkt?

Das Thema unseres Sonntages ist der rechte Weg, die Unterscheidung von Falsch und Richtig, von Gut und Böse. Dabei will uns Gottes Wort das Navigationssystem sein, damit wir niemandem schaden tun und wir selbst dabei keinen Schaden nehmen. Viele Menschen in unserem Land, besonders junge sehen es sicher als Bevormundung an, wenn man verlangt, sein Leben nach Gottes Gebot auszurichten. Und tatsächlich treibt eine neue Gesetzesfrömmigkeit seltsame Blüten auch unter Christen in unserem Land. Wenn z.B. der Geschlechtsverkehr vor der Ehe als schwere Sünde bezeichnet wird oder bestimmte Speisen und Getränke wieder verboten werden, letzteres eine Reglementierung des Lebens, die eigentlich im Christentum abgeschafft war. Solcher Gesetzlichkeit können wir unser heutiges Jesuswort entgegenstellen: alle Gebote und Verbote machen nur dann Sinn, wenn sie die menschliche Freiheit nicht in Frage stellen und zugleich in dieser Freiheit keine andere Freiheit verletzt wird.

Jesus war kein Gesetzesloser, wie ihn manche seiner Zeitgenossen, die strengen Fundamentalisten sahen. Die haben ihn ja auch in den Tod getrieben. Jesus ist die Vollendung der göttlichen Gesetzgebung, er ist das letzte und eine Wort Gottes, ganz anschaulich und plastisch, nicht im Wortlaut: „Du darfst nicht“ und „Du sollst!“ Die Begebenheiten, die wir von ihm lesen und hören, zeigen uns eine ganz liebevolle Art Leben zu gestalten. Eine Liebe, die über ein bloßes Gebot hinaus geht, eine Liebe, die Menschen gesund macht und sie wieder zu Gott führt, eine Liebe, die die toten Bindungen und Beziehungen unter den Menschen wiederherstellt. Ein Ehebruch fängt im Kopf und im Herzen an, nicht erst beim Ausrutscher! Das hat Jesus ganz klar gesagt und damit die ganze Oberflächlichkeit der Gesetzgebung entlarvt. Was zählt, ist Liebe aus ganzem Herzen. Denken, Fühlen und handeln aus einem Herzen, zu dem der Ewige Gott spricht, das ist der Weg, der zum Ziel führt. Das ist das Navigationssystem für unsere heutigen Straßen. Dann leben wir im Einklang mit Gott und der Welt. Dass dies ein hoher Anspruch ist und wir stets unsere Herzen prüfen müssen, sozusagen eine TÜV-Untersuchung machen, das ist klar. Dass auch in der Auslegung dessen, was für den Menschen denn nun das Beste sei, nicht immer Klarheit herrscht, ist auch deutlich. Darum auch ist eine stete Erkenntnis unserer Fehler nötig, ein Neuanfang, den Gott uns immer wieder möglich macht. Darum ist es auch nötig, immer wieder unsere Entscheidungen in ein neues Licht zu stellen, das Licht dessen, der den Menschen als Bild seiner Liebe schuf.

Möge Gott uns die rechten Wege zeigen, zu unseren Herzen sprechen durch den vollmundigen Blick auf Jesu Wort und Leben, auf Jesus, der uns zu Gott und zur Freiheit ruft. Amen.

Samstag, 13. Oktober 2007

Predigt zur Kirmes am 12. Oktober in Hörselgau

Liebe Gemeinde, liebe Kirmesgesellschaft,

es ist meine erste Kirmespredigt überhaupt und ich habe vernommen, dass die Kirmesburschen und – mädels schon aus den letzten Jahren gut informiert sind, was es mit der Kirmes als Kirchweihfest auf sich hat. Und wenn ich jemanden von meinen Freunden aus der Stadt fragen würde, was ihnen bei Kirmes spontan einfällt, da käme wohl nicht die Kirche an erster Stelle. Was würden sie wohl sagen? Ich denke, sie würden mir sagen: Bei Kirmes denke ich an BIER. Ein frisches, kühles Bier, mancher sagt auch Hopfenblütenkaltschale oder ähnliches. Weil heut Kirmes ist, habe ich mir einen Bierkrug in die Kirche mitgebracht, einen Eisenacher, den von dort stamme ich ja. Doch so ohne etwas sieht er ganz schön traurig aus der Bierkrug. Also fülle ich ihn mit einem kühlen Gerstensaft. (eingießen) Wem jetzt schon das Wasser im Munde zusammen läuft, der sei getröstet – in einer guten Stunde geht´s los mit der Feier.

Wofür steht das Bier am heutigen Tag, dem Kirchweihfest? Es steht dafür, dass es Gottes Wille ist, dass wir unseren Alltag zu bestimmten Zeiten mal Alltag sein lassen. Wir sollen die Mühe ablegen, die Sorgen auf Gott werfen, wie eine Jacke an der Garderobe abgeben. Das ist der tiefe Sinn, warum Gott seinem Volk den Feiertag geschenkt hat. Manche unter uns können den Feiertag nicht Feiertag lassen, weil ein Arbeitgeber am längeren Hebel sitzt oder wir mit der Ruhe und mit uns selbst gelangweilt sind. Wenn wir uns überlegen, wie mühevoll und zum Teil hoffnungslos das Leben unserer Vorfahren war hier in Hörselgau und anderswo, dann würden wir erkennen, was für ein Schatz die Zeit eigentlich ist, die wir zum feiern haben. Als die Hörselgauer anpackten und zumeist ohne Entgelt diese Kirche erbauten, da war ein kühles, frisches Bier, gezapft am Ende der Bauarbeiten zur Kirmes ein Zeichen der Hoffnung und eines Lebens, das gegen die graue Realität rebelliert – genau wie die Kirche selbst. So ist unsere Kirche ein steinernes und dieses Bier ein flüssiges Zeichen dafür, dass Gott mehr mit uns Menschen will, als wir in unserem tagtäglichen Trott für möglich halten. Feier und Spiel, Musik und Tanz gehören dazu, sie durchbrechen das Gewöhnliche und sind ein Hinweis darauf, dass wir Gottes Kinder sind, nach seinem erhabenen Bild geschaffen. Auch Gott weiß, wie man feiert, er ruhte am Ende der Schöpfung und ergötzte sich an der Vollkommenheit seines Werkes.

Der Prediger des Alten Testaments, ein weiser Mann mit viel Lebenserfahrung, schreibt: „Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Da merkte ich, dass es nichts besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ Wort der Heiligen Schrift.

Liebe Kirmesgemeinde, das ist doch mal ein Wort! Sei fröhlich, iss und trink und habe guten Mut! Das alles schenkt dir Gott. Das Essen und Trinken, den guten Mut, jeden Tag aufzustehen und dein Werk zu verrichten. Einen Gedanken aus diesem Text möchte ich aber besonders hervorheben. Gott hat die Ewigkeit in unsere Herzen gelegt. Das ist das, was ich am Anfang von der Kirche und vom Bier sagte: Es sind Zeichen dafür, dass wir Menschen mehr sind als Tiere. Uns liegt die Ewigkeit im Herzen, die Sehnsucht nach Größerem, nach einer Wirklichkeit, die den grauen Alltag, den Kreislauf der Natur, unseren Rhythmus von Aufstehen, Arbeiten, Schlafengehen durchbricht. Der Bau einer Kirche, die Feier eines großen Festes im Jahreskreis, das sind Dinge, die uns näher zu Gott bringen, näher zu unserer Bestimmung als Menschen. Denn uns ist die Ewigkeit ins Herz gelegt, ob wir es spüren oder nicht. Wir sind mehr als die Summe unserer Erfahrungen und Anlagen, wir sind geliebte Kinder Gottes. Darum feiern wir Kirmes.

Die Sorgen lasst für dieses Wochenende zuhause. Sie sind am Montag wieder auf dem Tisch. Doch verzagt nicht, wenn es wieder heißt: Morgen wird wie heute sein. Habt guten Mut bei allem, was ihr tut. Und wenn ihr unsere Kirche seht, dann wisst, bei Gott könnt ihr ablegen, was euch im Bauch drückt, was euch manchmal zur Verzweiflung treibt. Wenn ihr ganz bewusst das Besondere eines Gottesdienstes oder eines Festes von eurem Alltag unterscheidet, dann wird das heilsam sein für eure Seelen.

Das führt mich zur Schattenseite des Feierns. Viele heutzutage haben verlernt, was Mühe und Plage wirklich bedeuten. Gott will nicht, dass jeder Tag ein Fest sei. Wir sind zugleich gerufen in den Alltag der Welt, wir sind beauftragt, etwas zu bewegen in dieser Welt und sei es an einer scheinbar unbedeutenden Stelle. Alles Tun hat Sinn, sofern es aus reinem Herzen und mit gutem Mut geschieht. Damit meine ich zugleich eine Mentalität, die sich in Stammtischparolen ausdrückt nach dem Motto: „Da müsste man doch dies und das machen!“. Nicht „Da müsste man …“ soll es heißen, sondern „Ich werde …“ So wie unsere Vorfahren diese Kirche immer wieder – auch nach Zerstörungen – aus dem Boden stampften, sie sagten: Wir werden diese Kirche bauen. Das war ihr trotziges Signal nach einem furchtbaren Krieg, ihr Bollwerk gegen die Belanglosigkeit des täglichen Daseins, ihr Zeichen dafür, dass wir zu Gott gehören. Das ist die Einstellung, die Gott gut findet. Packt an und baut auf, dann sollt ihr auch feiern. Wenn das Fest zum Alltag wird, dann ist es kein Fest mehr. Wenn man sechs Biere auf einmal bestellt, sind selbst bei einem gutem Durst die letzten drei schal. Darum, liebe Kirmesgemeinde, sucht und genießt das Außergewöhnliche, das sich manchmal mitten in unserer Welt offenbart und vergesst dabei die Arbeit und Mühe nicht, die euch das Leben zugedacht hat. Guter Mut bei aller Mühe, das schenke der ewige Gott.

So ist ein großes Fest immer wieder ein Anlass dafür zu spüren, dass Gott uns trägt und zu sich ruft, denn die Ewigkeit ist in unsere Herzen gelegt. Etwas schönes ist das, diese Sehnsucht nach der Vollkommenheit, dem einen wirklich guten Augenblick. Und wenn wir manchmal spüren in diesen kleinen Momente, wenn wir die Welt umarmen könnten, da blitzt etwas auf von dieser Sehnsucht nach Gott, nach dem vollkommenen Leben. Das kann für manche ein Sonnenaufgang am Meer oder in den Bergen sein, ein gelungenes Fest, die Geburt eines Kindes, ein besonderer Moment in der Zweisamkeit mit dem Partner, ein guter Tag, ein gutes Gespräch. Wie Goethe am Schluss seinen Faust sagen lässt: Verweile doch, du bist so schön! Verweile doch, heißt ja wohl, dass eben diese Momente nur der Vorgeschmack sind, die unsere Sehnsucht reizen wollen, unsere Sehnsucht nach Gott. Diese besonderen Momente wünsche ich uns allen. Möge Gott in uns die Sehnsucht nach der größeren Wirklichkeit wach und lebendig halten, damit wir nicht abstumpfen im Geschäft des Alltags, damit wir ähnlich große Dinge vollbringen wie den Bau einer Kirche aus dem Nichts, allein aus unserer Kraft zur Ehre unseres Schöpfers. Zu ihm streben wir mit jeder Kirche, jedem Gottesdienst und jedem mit wirklicher Erfrischung und Besonnenheit getrunkenen Bier. Darauf ein Prost, auf deutsch: Möge es gelingen!

Amen.

Predigt zum Erntedankfest 30. September in Hörselgau / 7. Oktober in Wahlwinkel und Fröttstädt

Liebe Gemeinde,

wie oft sagen wir eigentlich „Danke“? Manche sehr oft aus Höflichkeit, weil es dazu gehört, weil es immer schon so war. Wiederum andere haben es scheinbar verlernt dieses kleine Wort „Danke“. Unsere Gesellschaft hat die Dankbarkeit im großen Stil verlernt. Alles wird selbstverständlich hingenommen. Wo früher noch Mangel herrschte, sind nun die Regale im Supermarkt voll. Da gibt es soviel Auswahl, dass manch einer vor dem Regal steht und nicht mehr weiß, was er in seinen Korb legen soll. Dankbarkeit ist eher selten im Supermarkt zu spüren. Nehme ich diesen Käse oder das Sonderangebot darunter, oder war das der aus der Werbung? Es ist gar nicht so lange her, da gab es ein Lied, in dem besungen wurde, wie schwer es einmal war an guten Käse zu kommen. „Käse gibt es im HO. Erst da musst du lange stehn, aber Käse, Käse kriegste keen`n!“ Im Wohlstand scheint das Danke verschwunden. Wofür danken, wenn alles zu haben ist? Wo aber ist das Danke hin verschwunden? Ein Gedicht möchte ich Ihnen dazu vorlesen:

Ein kleines Wort – du kennst es kaum –
Hat sich versteckt auf einem Baum.
Da wollt es lieber bleiben.
Als bei den Menschen leiden

Die Menschen groß
Und auch ganz klein,
Die fanden dieses Wort nicht fein.
Sie wollten es nicht haben
Und lieber es vergraben.

Das Wort war ihnen ein Verdruß.
Es war auch lästig, kein Genuß.
So wollten sie es töten.
Das Wort war sehr in Nöten.

Ganz heimlich, ohne viel Geschrei,
lief es schnell weg. Jetzt ist es frei.
Hier zwischen grünen Blättern
Da kann es fröhlich klettern.

Die Vögel wunderten sich sehr.
Ein kleines Wort – wo kommt das her?
Sie übten es zu singen.
Nun fing es an zu klingen.

Im Garten stand ein alter Mann
Und hörte sich die Vöglein an.
„Habt Dank“ rief laut der alte Mann,
„fangt mir das Lied von vorne an!“

Das kleine Wort, so gut versteckt,
es fühlte plötzlich sich entdeckt.
Nun muß es sich entscheiden:
Soll es im Baume bleiben?

Doch ohne „Danke“ in der Welt
Wär´s um den Menschen schlecht bestellt.
So sprang es vom Ast,
auf dem es grade saß,
hinunter zu dem alten Mann. –
Fängt nun alles von vorne an?

Liebe Gemeinde, das kleine Wörtchen „Danke“ hat sich also versteckt, weil es den Menschen unangenehm und überdrüssig wurde. Es wurde wieder entdeckt von einem alten Mann, der den Vögeln lauschte. Ein wichtiger Gedanke wird im Gedicht laut: „Ohne Danke in der Welt, wär´s um den Menschen schlecht bestellt.“

Heute ist Erntedankfest – der Tag im Jahr, an dem dieses kleine Wort „Danke“ uns wieder über den Weg läuft. Wofür bin ich dankbar? Wann habe ich mich das letzte Mal bedankt, und bei wem?

In dem kleinen Wort „Danke“ verbirgt sich eine ganze Haltung zum Leben, eine besondere Art, die Welt zu verstehen und in ihr zu leben. Was wir dankbar entgegen nehmen, das ist wertvoll für uns. Das werfen wir nicht einfach weg. Wenn jemand dankbar ist, so weiß er die Dinge zu schätzen. Denn nichts von dem, was uns umgibt, ist selbstverständlich.

Wie schnell die Existenz eines Menschen wie ein Kartenhaus zusammen fallen, sehen wir immer wieder in den Nachrichten, wenn Häuser und ganze Städte von Meeresfluten hinweg gespült werden. Da können wir sehen, wie Raketen den Tod bringen, Menschen ohne Arbeit sind und ohne Hoffnung. Für wie viele Familien hat das alles verändert?

Doch so weit müssen wir gar nicht ausholen, um das kleine Wörtchen „Danke“ für uns wieder zu entdecken. So ein kleines „Danke“ kann die Welt verändern. Da ist die Dankbarkeit unter uns Menschen. Wenn mir jemand die Tür aufhält, wenn mein Nachbar meine Blumen gießt, wenn ich im Urlaub bin, wenn wir uns kleine und große Gefallen tun. Ehrlich empfundene und ausgesprochene Dankbarkeit, die nichts selbstverständlich nimmt, macht vieles möglich.

Und da gibt es die Dankbarkeit gegenüber Gott, die gerade heute, zum Erntedankfest laut werden soll. Gottes gute Schöpfung ernährt uns, er läßt die Pflanzen wachsen, die uns als Nahrung dienen und die Tiere, die Milch und Fleisch liefern. Es geht durch unsere Hände, kommt aber her von Gott. Das alles steht uns vor Augen heute. Aber nicht nur die Lebensmittel sind wichtig, auch unsere Familien brauchen wir zum Leben, unsere Freunde, eine Aufgabe, die uns erfüllt, ein Ort, an dem wir uns zu Hause fühlen. Das alles ist ein Geschenk. Dafür können wir ruhig dankbar sein.

Noch eindrücklicher ist für mich der alte Mann aus unserem Gedicht, der im Singen der Vögel seine Dankbarkeit wieder entdeckt. Mich an den kleinen Dingen erfreuen, das vergesse ich all zu schnell im Überfluss von Waren, Information und scheinbaren Problemen.

Wer aufrichtig „Danke“ sagen kann, sieht auch die, die nicht so viel geschenkt bekommen: Die Armen in der Welt, in den Ländern, wo immer noch Hunger herrscht, die hungern müssen, damit unsere Supermärkte die Preise stabil halten können. Anstatt dass wir von den Massen an Lebensmitteln, die täglich in den Fleischtruhen und Regalen übrig bleiben, etwas abgeben.

Wo Dankbarkeit fehlt, fehlt auch das Mitgefühl, fehlt der klare Blick auf die Dinge. Wenn uns alles selbstverständlich ist, nach dem Motto: „Ich hab schließlich dafür gearbeitet!“, dann wird uns der Mensch neben uns aus dem Blick entschwinden. Dann ist uns alles egal. Dann leben wir ohne Rücksicht auf Verluste. Wie hieß es im Gedicht?: „Ohne „Danke“ in der Welt, wär´s um den Menschen schlecht bestellt!“

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass wir das Wörtchen „Danke“ wieder entdecken für uns, für unseren ganz alltäglichen Umgang miteinander und im Blick auf Gott. Dass wir uns freuen und dankbar werden über das Gute, das uns in den Schoß fällt, ohne dass wir etwas dazu tun. Mögen wir erkennen, dass wir immer mehr empfangen als wir selbst geben können. Das ist ein Wunder und dem Herrn sei Dank dafür. Amen.