Liebe Gemeinde,
dieser Sonntag ist etwas Besonderes im Leben unserer Gemeinde. Wir sind zusammen gekommen, weil heute gewählt wird. Wir treten als Gemeinde sichtbar auf – durch unsere Gemeinschaft im Gottesdienst, im Seniorenkreis, am Kindernachmittag, auf unseren Fahrten und Festen.
Die Gemeinde Gottes lebt davon, dass Menschen sich immer wieder rufen lassen in den Dienst Gottes, in die Gemeinschaft der Heiligen. Gerade in einer Zeit, in welcher der Glaube aus vielen Herzen verschwunden scheint. Einer Zeit, in der das Seelenheil im schnellen Geld oder in der Werbung gesucht wird. Einer Zeit, in der die Kirche an den Rand des Dorfes gedrängt wird, die wenigen Christen belächelt werden, die am Glauben der Vorväter und –mütter festhalten, in solcher Zeit ist es wie ein Wunder, ein Zeichen gegen die düstere Realität, wenn Menschen der Sinn- und Orientierungslosigkeit unserer unüberschaubaren Kultur, den frei machenden Glauben bekennen und mit ihrem Handeln Ausdruck verleihen. Da gibt´s nichts zu belächeln. Lächeln könnte man eher über den Halloween-Bären, den uns das Fernsehen aufgebunden hat. Gerade dies ein Zeichen dafür, wie orientierungslos die Menschen sind. Das wäre genauso, als wenn ich mir einen Turban aufsetzen würde und kein Schweinefleisch mehr esse, nur weil ProSieben oder Sat1 ein paar schöne Filme zum Islam ausgegraben hat.
Gerade in einer scheinbar gottlosen Epoche unseres Landes, ist das Christsein, ist gerade Engagement für die Kirchgemeinde vor Ort eine Herausforderung.
Dass sich Menschen zur Wahl stellen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen für die heilige Sache Gottes, das verdient Bewunderung und Respekt. Und es ist auch offensichtlich, dass unsere Wege als Gemeinde keine leichten sind.
Christsein bedeutet auch Kampf. Wer Verantwortung übernimmt, stößt auch an Grenzen, der geht vielleicht auch mal ein Risiko ein für die gute Sache. Für diesen Kampf für das Gute, für unser Engagement brauchen wir Kraft, jeder von uns, nicht nur die Kirchenältesten. Und Gott will uns diese Kraft geben, die wir brauchen.
Ich habe am Beginn des Gottesdienstes es schon gesagt. Unsere stärkste Waffe in diesem Kampf ist die Liebe. Doch ist gerade die Liebe nur dann möglich, wenn auch wir geliebt werden. Und Gott hat den Anfang gemacht. Seine Zuwendung ist der Anfang von allem, was ist – der Schöpfung, der Menschheit und in besonderer Weise der Gemeinden und Menschen, die ihm vertrauen und in seinem Namen leben, denken, und handeln. Von der Liebe spricht auch der Predigttext heute. Im Johannesevangelium im 15. Kapitel sagt Jesus zu seinen Jüngern in der Stunde seines Abschieds:
„Wie mich mein Vater geliebt hat, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er´s euch gebe. Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.“
Wort des lebendigen Gottes. Liebe Gemeinde, es sind zwei Gedanken, die ich aufgreifen möchte – zum einen die Liebe als Raum unserer Möglichkeiten, und zum anderen unsere Erwählung durch Gott, unser Stand als Freunde und Freundinnen Gottes.
Der Ausgangspunkt dieser Worte ist die Liebe, die Jesus von Gott empfängt. Die Liebe Gottes ist der Anfang. Sie verspürt Jesus mit ganzer Seele und Kraft und er gibt sie weiter, weil er gesandt ist, die Menschen damit anzustecken und frei zu machen. Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!
Ein großes Wort – in der Liebe bleiben. Vielleicht hilft es uns diese Liebe wie einen Raum vorzustellen. Ein Raum, in dem es sich gut leben lässt, wo wir uns geborgen fühlen und es warm ist. Ein Raum, in dem wir uns frei bewegen können und entfalten. Es ist mit Liebe mehr gemeint als die Schmetterlinge im Bauch beim ersten Kuss. Gottes Zuwendung ist der Anfang, auch sie ist mehr als ein Verliebtsein. Gott gibt sich ganz in diese Welt hinein durch Jesus, der unseren Tod starb um uns einen neuen Raum jenseits aller Tode zu eröffnen. Wir wollen in dieser Liebe bleiben, in diesem Schutzraum, der uns das Leben erst ermöglicht. Wo immer wir im Namen des Vaters und Sohnes und des Heiligen Geistes beginnen, sind wir eingeschlossen in dieses Kraftfeld der Liebe, im Gottesdienst, bei unseren Veranstaltungen, am Mittagstisch, in gefährlichen und bedrohlichen Situationen unseres Lebens, immer, wenn wir uns an Gott wenden, wie Jesus es vor uns tat. Bleibt in meiner Liebe!
Dieses Bleiben in der Liebe Gottes, die Leben erblühen lässt, führt mich zum zweiten Gedanken, zur Erwählung, unserer Erwählung als Freunde Gottes, im übrigen ganz passend zum Wahlsonntag, denn Erwählung kommt ja von Wahl. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, sagt Jesus. Er ist gekommen, um zu erwählen, die Menschen in das Kraftfeld der Liebe zu stellen. Er redet darüber, wer und wie Gott wirklich ist. In seinem Leben, seiner Zuwendung, seinen Worten redet er von Gottes Zuwendung. Gott bleibt zwar im Verborgenen, als das große Geheimnis der Welt, doch gibt er sich zu erkennen und zwar in Jesus.
Wir tappen nicht mehr im Dunkeln, müssen nicht schauerliche Opfer bringen, um dunkle Gottheiten zu besänftigen. Wir müssen keine böse Geister vertreiben oder wie bei Halloween nachäffen. Wir sind frei davon, weil Jesus uns den Vater im Himmel gezeigt hat, der uns liebt von Anfang an. Das ist ein Geschenk, liebe Gemeinde, diese Erwählung. Ein Geschenk, dass wir nicht ziellos umherirren müssen wie Suchende, dass wir uns nicht fürchten brauchen vor den Dingen, die uns in dieser Welt immer wieder auf die Füße fallen. Größer als der Helfer ist die Not ja nicht, heißt es in einem Lied.
Erwählung heißt auch, eingeweiht sein. Wir sind Freunde Gottes, nicht mehr Knechte dieser Welt. Wir sind eingeweiht in das Geheimnis, wenn gleich wir Gott nie zu fassen kriegen. Doch haben wir als Freunde Einblick in Gottes Wesen als vollkommene Liebe, durch Jesus, unseren Bruder und Freund.
Wer eingeweiht, wer erwählt ist, trägt aber auch Verantwortung. Es ist unsere Aufgabe, die Liebe, aus der wir leben, auch anderen zu geben. Wir bleiben in der Liebe, wenn wir uns untereinander lieben. Liebe ist nicht immer eitel Sonnenschein. Wer liebt, wird auch hin und wieder leiden an der Liebe. Das ist nicht nur in einer Partnerschaft so, das gilt auch für die Liebe zum Nächsten. Wer Menschen liebt, der wird leiden an den Ungerechtigkeiten dieser Zeit, der wird vielleicht Tränen vergießen, wenn seine Liebe, seine Mühen nicht erwidert werden. Und doch ist es immer erst die Liebe, die Leben überhaupt möglich macht. Wo wäre denn die Welt, wenn wir zur Liebe unfähig wären. Was würde aus unserer Dorfgemeinschaft, wenn jeder nur an sich denken, wenn es keine gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme gäbe? Da wäre nicht mehr viel los mit uns und unserem Ort.
Darum bleiben wir also in Gottes Liebe nur, wenn wir selbst uns untereinander lieben. Dann bringt unsere Erwählung Frucht. Dann wird Gott unsere Bitten erfüllen. Gott hat nie gesagt, dass es leicht wäre unser Leben, er kennt unsere Not und unseren Kampf, doch er verheißt, dass er bei uns ist, dass seine Liebe der Anfang ist, auf dem wir aufbauen, dass wir mit dieser Liebe alle Widrigkeit, alle Angst, alles Böse, ja selbst den Tod überwinden können. Liebe Gemeinde, bleibt in der Liebe, bleibt im heiligen Raum, jetzt und an allen Tagen, die Gott euch schenkt. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.